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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 25: Dunkle Schatten



"Heute Nacht, wir drei allein,
von Schlaf kann keine Rede sein!
Doch noch Geduld, noch Ruh' im Zimmer,
wenn's fünf Mal klopft gibt's Schweigen nimmer!"



Mit diesen, von Frodo gereimten Worten, tanzten Merry und sein Vetter übermütig durch den Raum, brachten dadurch die Kerzen auf dem langen Regal und jene auf Merrys Nachttisch zum Flackern. Das würde eine Nacht werden, wie sie noch keiner der drei Vettern je erlebt hatte und niemand würde davon erfahren. Dies war ganz allein ihre Nacht und Frodo konnte es kaum noch erwarten, dass sie endlich zu Bett geschickt wurden.

"Was ist denn hier los?"
Die beiden verstummten sofort und Merry sprang rasch von seinem Bett, als sich die Tür öffnete und Esmeralda mit einem verwunderten Gesichtsausdruck ins Zimmer trat. Er griff nach Frodos Hand, hüpfte noch einmal aufgeregt im Kreis herum und tänzelte dann auf seine Mutter zu.
Esmeralda ließ sich von der Fröhlichkeit anstecken, lachte und griff nach Merrys Händen, wirbelte ihn einmal herum, ergriff schließlich auch Frodos Hand und ließ sich mit den beiden Hobbits auf Merrys Bett fallen.
Während Merry sich noch an seine Mutter kuschelte und mit ihr herumalberte, stand Frodo jedoch rasch wieder auf, um sich umzuziehen, denn Esmeralda war bestimmt gekommen, um die lang ersehnte Schlafenszeit zu verkünden. Schnell knöpfte er sein Hemd auf, warf es über den Stuhl von Merrys Schreibtisch und schlüpfte in sein Nachthemd, ehe er sich auch seiner Hose entledigte.
Inzwischen hatte sich auch Esmeralda wieder erhoben und sich daran gemacht, Frodos Matratze auf dem Boden zu platzieren. Über die Schulter seiner Mutter hinweg, warf Merry seinem Vetter ein verschmitztes Grinsen zu, das Frodo erwiderte, ehe er zum Schrank ging, um sein Bettzeug zu holen. Plötzlich segelten Merrys Kleider über seinen Kopf hinweg durch das ganze Zimmer, um auf dem Schreibtisch zu landen. Frodo duckte sich erschrocken, blickte dann verwundert zu seinem Vetter.
"Meriadoc", mahnte Esmeralda streng und deutete ihm mit einem Kopfnicken an, sich ein Nachthemd überzuziehen und sich ins Bett zu legen, was Merry dann auch folgsam tat.
Bald darauf pustete Esmeralda die Kerzen aus. Frodo kuschelte sich unter seine Decke, während Merrys Mutter ihnen eine gute Nacht wünschte und schließlich das Zimmer verließ.

Wie zuvor abgesprochen, verhielten sich die Hobbits leise und stellten sich schlafend, wann immer sie Schritte vernahmen. Einmal spähte Saradoc noch herein und lächelte zufrieden, als er die Kinder in tiefem Schlummer vorfand, ohne zu ahnen, dass diese die Augen sofort wieder aufschlugen, nachdem er die Türe geschlossen hatte.

Die Zeit verging. Der Duft von abgebranntem Apfelholz erfüllte die Luft. Ab und an drang der Klang vieler, leiser Stimmen aus den Wohnzimmern, gerade so laut, dass sie nicht als störend empfunden wurden, an ihre Ohren.
Frodo wurde unruhig, während er zur Decke blickte. Wo blieb Pippin nur so lange? Merry schien es nicht besser zu gehen, denn dieser wandte sich ständig von einer Seite zur anderen, verwarf seine Decke, nur um sich bald darauf wieder eng darin einzuwickeln.
Schritte.
Frodo rollte sich zur Seite und schloss die Augen. Merry lag reglos, doch Frodo konnte seine Atmung hören, die sehr an die tiefen Atemzüge eines Schlafenden erinnerten.
Ein zaghaftes Klopfen drang an ihre Ohren.
Einmal. Zweimal.
Merry richteten sich auf. Frodo öffnete die Augen und blickte angespannt zur Tür.
Dreimal.
Nun verwarf auch Frodo seine Decke, setzte sich auf und tauschte einen aufgeregten Blick mit seinem Vetter, der erwartungsvoll lächelte.
Viermal.
Gespannte Stille. Frodo glaubte, seinen eigenen Herzschlag hören zu können. Merry rutschte unruhig auf seinem Bett herum, offensichtlich nicht weniger angespannt.
Fünfmal.

"Pippin", murmelte Merry und sprang sogleich von seinem Bett, wäre beinahe über Frodo gestolpert, der ebenfalls von seiner Matratze kroch.
Zaghaft traten sie an die Tür, tauschten einen weiteren aufgeregten Blick, ehe Merry vorsichtig den Knauf drehte, um Frodo in den Gang spähen zu lassen.
"Ich bin es", flüsterte jemand und Pippins brauner Lockenkopf tauchte vor Frodos aufgeregten Augen auf.
Er warf einen raschen Blick zu beiden Seiten, konnte im Schein der Lampen niemanden erkennen und zog Pippin mit einem Ruck in das Zimmer, während Merry blitzschnell die Tür hinter ihnen schloss. Sie hatten es geschafft!
Erfreut über das Gelingen jubelten die jungen Hobbits und hüpften heiter um Pippin herum, der sich, nicht weniger aufgeregt, übermütig im Kreis drehte. Entsetzt bemerkten sie plötzlich, was sie taten und ermahnten sich gegenseitig, mit dem Zeigefinger an den Lippen und einem zischenden "Sh!!!", zur Ruhe.
Leise liefen sie schließlich zurück zu ihren Betten. Pippin kroch mit Merry in dessen Bett, während sich Frodo der Länge nach auf sein eigenes fallen ließ, um dann zufrieden grinsend zu den anderen aufzusehen.
"Und was jetzt?", fragte Pippin neugierig. Er hatte die Beine überkreuzt und sich Merrys Decke um die Schultern geschlungen. Seine Vettern hatten ihm zwar gesagt, dass er kommen sollte und dass es eine interessante Nacht werden würde, doch keiner der beiden hatte ihn über ihre genauen Pläne informiert und er war nun erpicht, diese zu erfahren.
Frodo und Merry warfen sich unwissende Blicke zu. Die Frage kam völlig unerwartet und erst jetzt wurde Frodo klar, dass sie eine wichtige Kleinigkeit vergessen hatten. Er zuckte mit den Schultern, woraufhin Pippin hoffnungsvoll zu Merry blickte, doch auch dieser wusste darauf nichts zu erwidern.
Empört blickte der junge Tuk von einem zum anderen. "Soll das etwa heißen, ihr habt gar nichts geplant?"
Verlegenes Grinsen, Kopfschütteln.
Entmutigt ließ Pippin sich im Bett zurückfallen, hätte sich um ein Haar den Kopf an der Wand gestoßen. Er seufzte hörbar, setzte sich dann wieder auf und blickte ungläubig auf seine Vettern. "Soviel Aufregung und dann habt ihr nicht einmal etwas geplant?!"
Frodo sah ihn unschuldig an, suchte in Gedanken jedoch bereits nach einer interessanten und vergnüglichen Beschäftigung, denn schließlich sollte diese Nacht etwas Besonderes werden.
"Doch, das haben wir", rief Merry plötzlich, erschreckend laut, aus. Entsetzte "Sh's" von Frodo und Pippin ließen ihn leiser fortfahren. "Frodo erzählt uns eine Geschichte!"
Pippins Augen leuchten und sein Blick wanderte augenblicklich zu seinem Vetter, dessen Miene sich verdunkelte.
"Ich?", fragte Frodo bestürzt. "Das habe ich nie gesagt!"
"Natürlich!" beharrte Merry, "Gestern Abend, als wir davon gesprochen haben."
Frodo runzelte die Stirn, ließ den Blick eindringlich auf seinem Vetter ruhen. "Ich erinnere mich nur daran, dass ich wollte, dass Bilbo eine Geschichte erzählt, nicht etwa ich."
"Komm schon, Frodo!" bettelte Merry mit flehendem Blick und lehnte sich dabei soweit über sein Bett, dass sein Gesicht direkt über Frodos schwebte.
"Ja, Frodo, erzähl etwas!" schloss sich Pippin an, der bei dem Wort Geschichte sofort Feuer und Flamme gewesen war, ganz gleich, wer sie erzählte.

Frodo blieb standhaft, schüttelte den Kopf, verschränkte die Arme und schloss die Augen, um nicht länger in die flehenden Gesichter seiner Vettern sehen zu müssen, die er im sanften Lichtschein, der unter dem schmalen Spalt der Tür hereinschimmerte, ohnehin kaum erkennen konnte. Auch wenn er selbst gerne eine Geschichte gehört hätte, hatte er doch keine Lust, eine zu erzählen, vor allem, da er überhaupt keine Idee hatte.
"Erzählst du uns etwas?", fragten Merry und Pippin noch einmal nachdrücklich, letzterer mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht.
Frodo blinzelte, schüttelte leicht den Kopf. Das war Pippin Antwort genug Er stürzte sich kichernd auf seinen Vetter, um überzeugendere Methoden, als einen flehenden Blick anzuwenden. Frodo schien jedoch mit einem Angriff dieser Art gerechnet zu haben und hatte seine Handgelenke gepackt und seine Hände von sich fern gehalten, noch ehe Pippin auch nur die Möglichkeit gehabt hatte, seinen Vetter zu kitzeln.
Merry eilte dem jungen Tuk jedoch sofort zu Hilfe, denn er wusste, dass sie Frodo nur so umstimmen konnten. Eine Berührung genügte und sein älterer Vetter zuckte zusammen, ließ von Pippins Handgelenken ab, um Merry von sich fernzuhalten.
Frodo konnte ein überraschtes Aufschreien gerade noch verhindern, als er plötzlich gegen vier verräterische Hände anzukommen hatte, die immer wieder Wege fanden, ihre Finger bewusst über kitzlige Körperstellen wandern zu lassen. Überrascht presste er die Lippen zusammen, sodass anstelle des überraschten Aufquiekens nur ein leises Wimmern aus seiner Kehle drang. Er durfte keinen Laut von sich geben, oder sie würden entdeckt werden.
Es dauerte nicht lange, da musste sich Frodo der Übermacht seiner Vettern jedoch beugen. Keuchend und voller Misstrauen beobachtete er Merry und Pippin, die nun zu beiden Seiten bei ihm auf der Matratze saßen, die Hände noch immer erhoben, um sofort wieder anzugreifen, sollte er versuchen, sie auszutricksen. Selbst in der Dunkelheit wusste Frodo um das siegreiche Grinsen, das deren Gesichter zierte.
"Also gut, ihr habt es nicht anders gewollt", sagte er dann und deutete seinen Vettern mit einem Kopfnicken an, sie mögen wieder auf das Bett klettern. Er tat es ihnen gleichen, während er fieberhaft über eine Geschichte nachdachte, die Augen dabei nicht von den jüngeren Hobbits nehmend.
"Erst müsst ihr mir etwas versprechen", sagte er schließlich und ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern. "Ihr werdet mich nicht mehr kitzeln."
Beide nickten bestätigend und rückten näher an Frodo heran. Dieser griff nach der Kerze auf dem Nachkästchen und entzündete sie.

So saßen sie in Merrys Bett. Drei Hobbits, in einem Zimmer, das nur vom Licht einer Kerze erhellt wurde. Alle drei warteten auf eine Geschichte. Merry und Pippin, auf eine, die erzählt werden sollte, und Frodo, auf eine, die er erzählen konnte. Wo sollte er anfangen? Was sollte passieren? Fieberhaft grübelte er darüber nach, bis sie schließlich kam, die rettende Idee. Eine Idee, die nicht nur den Geschichtendurst der beiden Hobbits vor ihm stillen sollte, sondern auch seinen Rachedurst für den vorherigen Angriff. Ein überraschendes Ende, mit dem keiner der beiden rechnen würde. Jetzt musste er nur noch wissen, wie es zu diesem Ende kam.
Ein gemeines Grinsen trat auf sein Gesicht, doch verschwand es wieder, ehe seine Vettern es hätten bemerken können. Das flackerten Licht der Kerze erhellte sein Gesicht, als er schließlich mit leiser Stimme zu sprechen begann.

"Es war einmal ein Hobbit. Er lebte in einer kleinen Höhle in der Nähe eines Waldes. Da der Hobbit gerne spazieren ging, streifte er oft durch den Wald."
Es war kein besonders guter Anfang, doch etwas Besseres fiel ihm im Augenblick nicht ein.
"Was für ein Wald?", unterbrach Pippin und seine Augen leuchteten voller Aufregung.
Auch Merrys Blick war aufgeregt und er fragte neugierig: "War es der Alte Wald?"
Frodo grinste innerlich. Warum eigentlich nicht? Weshalb sollte er sich mit einem gewöhnlichen Wald zufrieden geben, wenn er den Alte Wald haben konnte? Das konnte ihm nur Vorteile bringen, schließlich lag jener Wald fast direkt vor ihrer Haustür und die Geschichten darum, waren im Auenland wohl bekannt. Er nickte, sah seine Vettern eindringlich an, während seine Stimme einen unheimlichen Ton annahm.
"Ja, Merry, es war der Alte Wald. Finsterer und düsterer, als jeder andere Wald in ganz Mittelerde."
Pippin schluckte schwer und warf Merry einen unsicheren Blick zu, den dieser erwiderte.
Ein zufriedenes Lächeln glitt über Frodos Lippen. Warum war er nicht gleich auf die Idee gekommen? So war sein Anfang sehr viel besser, als er es zu hoffen gewagt hatte.
Er betrachtete seine Vettern eingehend, bevor er genauso leise weiter sprach.
"Er hatte keine Furcht vor den Bäumen oder den Sträuchern, von denen es hieß, sie hätten einen eigenen Willen. Am liebsten wanderte er am Abend oder gar nachts durch den Wald. Er liebte das Gefühl von feuchtem Moos an seinen Füßen und den Geruch von Tannennadeln."
Frodo schloss die Augen und sog die Luft ein, als könne er selbst den frischen Duft der Tannen riechen. Merry und Pippin taten es ihm gleich und die Flamme der Kerze flackerte.
"Viele Jahre lang war er täglich durch den Wald gegangen. Er kannte jeden Baum, jeden Strauch, jeden Stein und jede Wurzel. Nicht eine Pflanze war ihm unbekannt. Doch eines Nachts, der Hobbit hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, und wollte sich in der friedlichen Stille des Waldes erholen, entdeckte er etwas, das ihm noch nie zuvor aufgefallen war."
Frodo machte eine kleine Pause, in der die Augen seiner Vettern immer größer und fragender wurden, ein Anblick, der ihn nicht hätte zufriedener stimmen können. Er senkte seine Stimme noch mehr, ließ sie sanft und weich klingen.
"Zarte Blumen, deren Blüten in strahlendem Weiß blühten, wuchsen überall auf dem Waldboden."

Frodo konnte förmlich sehen, wie die Anspannung aus den Körpern seiner Vettern wich. Pippin und Merry ließen die Köpfe hängen, die Enttäuschung deutlich in ihren Augen zu lesen.
"Blumen, Frodo?", beschwerte sich Merry beinahe erzürnt. "Blumen?! Ich erwarte einen Wolf oder Schlimmeres, und du kommst mit Blumen?!"
Frodo sah ihn ernst an, obschon er sehr damit zu kämpfen hatte, nicht zu lachen. Das schwache Licht der Kerze, das sich in seinen Augen widerspiegelte, half ihm, seiner Miene den nötigen Ausdruck zu verleihen.
"Etwas mehr Geduld, wenn ich bitten darf!" entgegnete er trocken, dann senkte er die Stimme wieder. "Denn dies, Meriadoc Brandybock, waren keine gewöhnlichen Blumen. Nie zuvor hatte der Hobbit welche wie sie gesehen. Nie einen lieblicheren Duft eingeatmet, als jenen dieser geheimnisvollen Blüten. Er betrachtete den Waldboden voller Verwunderung und da bemerkte er, dass die Blumen nicht überall wuchsen. Direkt neben ihm, schienen sie einen Pfad zu kennzeichnen. Der Hobbit schluckte und zögerte einen Moment, bevor er sich schließlich dazu entschied, dem Weg zu folgen. Was hätte ihm denn in diesem Wald, dem Alten Wald, den er so gut kannte, den er so oft durchstreift hatte, passieren können? Mit festen Schritten stapfte er den Pfad entlang, bis er an eine Lichtung kam."

Als Frodo in die gebannten Augen seiner Vettern blickte, wäre er am liebsten sofort zum überraschenden Ende gekommen, doch er musste Geduld haben. Nur noch ein wenig Geduld. Er konnte ihre Spannung noch steigern, wenn er sich Mühe gab.
"Sein Atem stockte, bei dem Anblick, der sich ihm bot. Die Lichtung war in gleißendes Licht getaucht und alles, was er erkennen konnte, waren Schatten. Dunkle Schatten, die tanzend über den Waldboden schwebten."
Frodo konnte sich das Lachen kaum verkneifen. In den Augen seiner Vettern erkannte er, dass sie wieder etwas Schreckliches erwarteten und er brannte darauf, ihre Erwartungen zu erfüllen, doch noch nicht. Noch nicht.

"Der Wind heulte auf. Plötzlich überkam ihn das Verlangen, diesen Ort sofort wieder zu verlassen. Oder sollte er doch näher hingehen, um sich diese Wesen genauer anzusehen? Sie waren groß, größer als jeder Hobbit, und schlank, doch so genau er auch hinsah, er erkannte nicht mehr, als dunkle Schatten. Er entschied sich, zu gehen, wandte sich um und ein Schrei hallte durch die Nacht, denn unerwartet hatte ihn jemand an der Schulter gepackt. Ein Wesen, groß und schlank, dessen Gesicht verhüllt war, zischte ihn mit drohender Stimme an."

Frodo senkte den Kopf, blickte eindringlich in die Augen seiner Vettern, bis er sicher war, dass sie den Blick nicht mehr abwenden konnten und verstellte seine Stimme. Unheimlich und bedrohlich klang sie, als er weiter sprach. "Geh, sofort! Geh, und komm nicht wieder! Vergiss, was das du gesehen hast! Vergiss es und kehre nie zurück!"

Merry und Pippin fröstelten, warfen einander ängstliche Blicke zu, als Frodo für einen Augenblick die Augen schloss, als befände er sich in tiefer Konzentration, schenkten ihm jedoch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, als er sie wieder ansah. Pippin tastete nach Merrys Hand, während er angespannt zu Frodo blickte, in dessen Gesicht das Licht der Kerze unheimliche Schatten malte. Er schluckte den Knoten in seinem Hals, überzeugte sich so selbst davon, dass er keine Furcht empfand.

"Der Hobbit bekam es mit der Angst zu tun und er rannte. Er rannte den ganzen Weg zurück zu seiner Höhle. Er legte sich in sein Bett und wollte vergessen. Vergessen, was er gesehen hatte. Vergessen, dass er jemals im Alten Wald gewesen war. Doch es funktionierte nicht, so sehr er sich auch bemühte."
Frodo sah sie lange an, atmete schwer, als wäre er es, der mit dem Vergessen zu kämpfen hatte und fuhr dann mit furchtsamer Stimme fort.
"Am nächsten Abend ging er wieder in den Wald. Er wollte nicht gehen, doch er konnte nicht anders. Es war, als würde eine unsichtbare Macht ihn in den Alten Wald locken. Er sah die Blumen, fand den Pfad. Unsicher und voller Angst trat er dieses Mal über den feuchten Waldboden, bis er die Lichtung erreichte."

Wieder legte Frodo eine kleine Pause ein, um Spannung zu erzeugen. Er kämpfte gegen das Lachen in sich an, als er verzweifelt versuchte, nicht in die ängstlichen, angespannten Gesichter seiner Vettern zu sehen. Wenn sie nur wüssten, dass nur mehr wenige Augenblicke sie von der Erfüllung ihrer Erwartungen, etwas Schrecklichem, trennten.
Seine Augen wirkten furchtsam, seine Stimme zitterte leicht, als er, beinahe flüsternd, weiter sprach.
"Er sah sie. Wieder sah er die Schatten, tanzend im hellen Licht. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er wollte umkehren, wollte gehen, doch er konnte nicht. Noch immer wurde er von der geheimnisvollen Macht und seiner eigenen Neugier näher an das Geschehen gezogen. Leise und mit großer Vorsicht tat er das, was er niemals hätte tun dürfen."

Die Augen der jungen Hobbits wurden groß. Gebannt verfolgten sie jede von Frodos Bewegungen, lauschten auf jedes seiner Worte. Pippins Hand drückten Merrys Finger fester. Beide fanden sich außerstande, den Blick von Frodo abzuwenden und seine vielen Pausen machten sie schier wahnsinnig.

Frodos Tonfall wurde mit jedem seiner Worte unheimlicher und leiser. "Er schlich näher an sie heran. Immer weiter kroch er über den Waldboden. Näher und näher an die geheimnisvollen Wesen, bis schließlich..."
Entsetzt schrieen Merry und Pippin auf, als es plötzlich dunkel wurde und etwas sie an den Schultern packte. Ängstlich klammerten sie sich aneinander fest.
Frodo konnte sein Lachen nicht länger zurückhalten und prustete los. Er hatte bei seinem letzten Wort die Kerze ausgepustet und seine Vettern an den Schultern berührt, auf dass sie sich in Zukunft zwei Mal überlegten, ob sie ihn um eine Geschichte beten sollten, und vor allem, wie sie das tun sollten.
Merry und Pippin war anfangs nicht klar, was geschehen war. Zitternd vor Schreck und mit großen Augen starrten sie sich an. Das führte nur dazu, dass Frodo noch mehr lachte. Dieser hielt sich den Bauch, konnte sich kaum noch auf dem Bett halten, so sehr krümmte er sich.
Als sie endlich verstanden, was ihr Vetter getan hatte, genügte ein kurzer Blick und beide wussten, was zu tun war. Mit einem lauten "Alle auf Frodo!" packte Merry sein Kissen, während Pippin sich auf Frodo stürzte und ihn vom Bett warf, sodass er keuchend und prustend auf seiner Matratze landete. Eine wilde Rauferei entbrannte. Kissen flogen durch die Gegend und Finger waren bemüht, kitzlige Stellen zu finden, bis sich die Hobbits ihrer Lage wieder bewusst wurden und sich gegenseitig zur Ruhe ermahnten.

Alle drei lagen schließlich auf Frodos Bett und starrten zur Decke. Pippin hatte sich an Frodo gekuschelt, ließ seinen Kopf auf dessen Brust ruhen, während Merry sich zwischen seinem älteren Vetter und seinem Bett eingenistet hatte. Dunkelheit umfing sie, doch noch immer umspielte ein zufriedenes Grinsen Frodos Lippen. Dafür, dass er nicht gewusst hatte, was er hätte erzählen sollen, war seine Geschichte ein voller Erfolg geworden.
"Wie ist die Geschichte denn nun ausgegangen?", wollte Pippin schließlich wissen. "Was ist passiert?"
Frodo überlegte kurz, wandte den Blick jedoch nicht von der Decke ab und es dauerte auch nicht lange, da hatte er eine passende Idee gefunden. Wieder nahm seine Stimme einen Angst einflößenden Unterton an, der nun in der Dunkelheit noch unheimlicher klang, als zuvor. "Das weiß niemand, Pip. Keiner weiß, was aus dem Hobbit geworden ist. Die Blumen wurden seither nie wieder gesehen, doch man sagt, dass dunkle Schatten manchmal, in besonders dunklen Nächten, aus dem Alten Wald schleichen und die Bewohner Bocklands in Angst und Schrecken versetzen, als Rache dafür, dass der Hobbit zurückkam und sie weiterhin beobachtete."

Merry sah Frodo skeptisch an, doch ein Blick seines Vetters genügte und er unterließ es, der Geschichte das geheimnisvolle Ende zu nehmen. Als sein Blick auf Pippin fiel, wusste er auch, weshalb er das Ende nicht berichtigen durfte. Der jüngere Hobbit schien jedes Wort zu glauben, das Frodos Lippen verlassen hatte.

"Komm jetzt", sagte Merry schließlich gähnend und griff nach Pippins Ärmel. "Du schläfst heute Nacht bei mir."
Pippin nickte, ließ seine Augen jedoch noch einen Augenblick länger auf Frodo ruhen, denn dessen Worte beunruhigten ihn ein kleinwenig. Dieser verzog jedoch keine Miene und so kletterte er schließlich zu Merry auf das Bett und kuschelte sich unter dessen Decke.
Sie unterhielten sich noch einige Zeit leise, bevor sie schließlich einschliefen.

Alle, bis auf Pippin. Dieser konnte nicht aufhören, an dunkle Schatten zu denken. Mit großen Augen blickte er sich im Zimmer um, immer befürchtend, von einer dunklen Gestalt angegriffen zu werden. Ängstlich blickte er auf Merry, der friedlich schlummernd neben ihm lag.
Plötzlich drang ein leises Knarren an sein Ohr. Erschrocken zog er sich die Bettdecke über den Kopf und legte sich flach auf das Bett. Durch einen kleinen Spalt versuchte er, zu erkennen, was das Geräusch ausgelöst hatte, als sich auf einmal die Tür öffnete. Das Licht der Lampen blendete ihn und Pippin konnte nur den dunklen Schatten einer großen Gestalt ausmachen. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
"Sie sind hier", dachte er ängstlich und kniff verschreckt Augen zusammen.
Er hörte, wie die Tür geschlossen wurde, wie die Schritte sich entfernten, doch hielt er seine Augen weiterhin geschlossen. Erst als er sicher war, dass was immer er gerade gesehen hatte, nicht zurückkommen würde, wagte er, sie wieder zu öffnen. Vorsichtig schob er die Decke weg und sah sich um. Alles war wieder ruhig. Zu ruhig, für seinen Geschmack.
"Merry", flüsterte er und tastete vorsichtig nach der Schulter seines Vetters. "Wach auf, Merry!"
Doch Merry antwortete nicht, zuckte nicht einmal mit den Lidern. Er lag bereits in tiefem Schlummer, weitab von dunklen Schatten und Pippin beneidete ihn darum. Leise seufzend und mit gerunzelter Stirn, überlegte der junge Tuk, was er machen sollte, kletterte schließlich über seinen Vetter und ließ sich vorsichtig auf Frodos Matratze sinken. Frodo hatte ihm den Rücken zugewandt und Pippin tastete mit zitternden Fingern nach dessen Schulter.
"Frodo?" wisperte er mit ängstlicher Stimme in sein Ohr. "Bitte sei wach, Frodo!"
Frodo murrte, runzelte die Stirn und zog sich die Decke über den Kopf.
"Frodo!" flüsterte Pippin noch einmal verzweifelt, rüttelte etwas heftiger an dessen Schulter.

Frodo blinzelte benommen, als das unangenehme Rütteln nicht aufhörte. Mit halb geöffneten Augen drehte er sich um, erblickte das ängstliche Gesicht seines Vetters. Er runzelte die Stirn.
"Was ist denn los?", murmelte er verschlafen.
Pippin schien erleichtert, dass er wach war, doch die Stimme des Jüngeren zitterte, als er leise antwortete: "Ich... die Schatten, ... sie sind hier!"
Frodo schloss die Augen und seufzte schwer. "Es war eine Geschichte, Pip, nichts weiter", versuchte er zu erklären. "Ich habe alles erfunden. Nichts davon ist wahr." Er gähnte herzhaft, als er sich wieder umdrehte und die Augen schloss. "Schlaf jetzt!"

Mit unsicheren Augen sah sich Pippin noch einmal im Zimmer um, doch blieb sein Blick auf Frodo haften.
"Eine Geschichte, nichts weiter", versuchte er sich einzureden, erzielte damit jedoch nicht den gewünschten Erfolg. "Doch was, wenn etwas Wahres daran war?"
Erneut griff er nach Frodos Schulter, rüttelte seinen Vetter wach.
"Frodo?", fragte er mit zitternder Stimme und seine Augen wanderten immer wieder von einer dunklen Ecke in die andere.
"Hm?", war alles was er zur Antwort erhielt, denn Frodo war schon fast wieder eingeschlafen.
Pippin schwieg einen Moment, blickte furchtsam auf das schlummernde Gesicht seines Vetters, das er in der Dunkelheit nur spärlich erkennen konnte. Er wagte kaum, die Worte zu formen, doch schließlich sprach er sie in aller Eile aus, denn er fürchtete, sein Vetter könne in der Zwischenzeit bereits wieder eingeschlafen sein. "Kann ich... kann ich heute Nacht trotzdem bei dir schlafen."
"Mhm", machte Frodo und rutschte ein Stück zur Seite, damit Pippin genug Platz unter seiner Decke hatte.
Pippin zögerte keine Sekunde und kroch sogleich unter die weiche Bettdecke. Heute Nacht sollten ihn keine Schatten verfolgen, nicht wenn er bei Frodo war. Sein Vetter würde sie vertreiben. Beruhigt kuschelte er sich an Frodos warmen Körper und schloss die Augen.

Frodo lächelte kurz, ob der Leichtgläubigkeit seines Vetters. Hätte er gewusst, dass er Pippin einen solchen Schrecken einjagen würde, hätte er sich ein anderes, weniger grusliges Ende überlegt, obwohl seine Vettern es eindeutig verdient hatten, erschreckt zu werden. Lächelnd, legte er einen Arm um Pippins Schulter, als sich der Mantel des Schlafs wieder um ihn schloss und ihn in eine sanfte Umarmung zog.





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