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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 17: Marroc und andere Schwierigkeiten



Die Wochen vergingen und der Winter ging in den Frühling über. Vögel bauten ihre Nester und duftende Blumen blühten in herrlichen Farben. Die Temperaturen stiegen und der Sommer kündigte sein Kommen an.
Frodo hatte viele Briefe von Bilbo erhalten, beinahe jede Woche einen, die er fleißig beantwortete. Auch hatte er sich über die Monate ein dickes Buch mit leeren Seiten besorgt, in welchem er seine Gedanken niederschrieb.
Marroc war schon lange in seinem neuen Zimmer eingezogen und von ihm schrieb Frodo am meisten. Jeden einzelnen Streit hatte er festgehalten, ebenso wie die Drohung, dass er Bilbo nie wieder sehen würde, sollte er Marroc verraten. Saradoc wusste von all dem nichts, und auch Bilbo hatte Frodo nie etwas darüber berichtet. Selbst Merry hatte kaum eine Ahnung, was im östlichsten Gang des Brandyschlosses vor sich ging. Frodo ertrug sein Leiden schweigend, auch wenn er nach seiner Rückkehr nach Bockland schnell hatte feststellen müssen, dass sich einige Dinge geändert hatten. Er war schon immer mehr ein Einzelgänger gewesen, doch selten hatte man ihm so viele heimliche Blicke zugeworfen, wie das nun der Fall war. Viele hatten sich von ihm abgewandt, bezeichneten ihn als seltsam oder verrückt, wenn sie glaubten, er würde sie nicht hören. Frodo verletzte das, doch kümmerte er sich nicht weiter darum, denn Merry war an seiner Seite und würde es auch immer bleiben.

Die Sonne war schon lange untergegangen, als Frodo in seinem Zimmer saß und in sein Tagebuch schrieb. Seit der Frühling gekommen war, hatte ihn eine große Sehnsucht heimgesucht, die Sehnsucht nach seinen Eltern, und wann immer sie zu stark wurde, zog er sein Buch heraus und schrieb seine Gedanken nieder. Über seine Gefühle zu schreiben, fiel ihm leichter, als mit anderen darüber zu sprechen. Letzteres schien ihm unmöglich, denn selbst beim Schreiben fand er oft nicht die richtigen Worte und der Gedanke, dass jemals jemand davon erfuhr und ihn darauf ansprechen konnte, erfüllte ihn mit Grauen. Doch schreiben musste er, oder seine Sehnsucht würde ihn zerfressen.
Seufzend steckte Frodo die Feder zurück in die Halterung, brachte dadurch die Flamme einer Kerze zum flackern. Er verschränkte die Arme auf dem Tisch und legte seinen Kopf darauf, den Blick starr auf das Bild vor sich gerichtet. Seine Finger strichen zärtlich über den Rahmen.
"Könnt ihr denn nicht zu mir zurückkehren?", wisperte er betrübt.
"Nein, das können sie nicht! Wie naiv bist du eigentlich?"
Frodo schreckte hoch und fuhr überrascht herum. Marroc lehnte dreist gegen den Schrank und blickte zum Schreibtisch, das nussbraune Haar noch feucht von einem Bad, das er wohl gerade genommen hatte.
"Was machst du hier?", rief Frodo mit klopfendem Herzen. "Das ist mein Zimmer!"
Marroc zog eine Augenbraue hoch und trat grinsen auf ihn zu. "Na und?"
Wütend funkelte Frodo ihn an, packte sein Buch und stand auf, entschlossen, sein Zimmer zu verteidigen, auch wenn er das schon mehrere Male erfolglos versucht hatte. "Ich will, dass du jetzt gehst, sonst..."
"Sonst was?", fragte Marroc barsch. "Willst du zu Saradoc laufen und dich beklagen? Er glaubt dir ohnehin nicht mehr, seit du das Schmuckkästchen von Esmeralda gestohlen hast."
Frodo sah ihn entrüstet an. Vor etwas mehr als drei Wochen hatte er eines Morgens mitangehört, wie Esmeralda seiner Großmutter völlig verzweifelt mitgeteilt hatte, dass ihr Schmuckkästchen unauffindbar war. Die Herrin von Bockland bewahrte darin einige der wertvollsten Ketten und Ringe Bocklands, vielleicht sogar das ganzen Auenlandes auf. Frodo hatte nur einmal einen kurzen Blick darauf werfen dürfen, als er kurz vor Beginn der Julfeierlichkeiten vor zwei Jahren mit Merry in Esmeraldas Zimmer gewesen war und sie sich eine der Ketten umgelegt hatte. Er war sehr angetan von den funkelnden Steinen, doch wäre ihm nie in den Sinn gekommen, das Kästchen zu stehlen.
"Das war nicht ich, sondern du!" sagte er anklagend, doch die Anwesenheit des älteren Jungen schüchterte ihn zu sehr ein, als dass seine Stimme die nötige Schärfe gehabt hätte.
"Natürlich, das hast du Saradoc auch oft genug gesagt", Marroc lachte, während seine Finger über den Schreibtisch strichen. Frodo stand inzwischen mit dem Rücken zu seinem Bett und beobachtete den älteren wachsam, sein Tagebuch fest an die Brust gedrückt.
"Ich war jedoch den ganzen Nachmittag mit Ilberic fischen und hätte das Schmuckkästchen gar nicht nehmen können", fuhr Marroc fort und lächelte dabei siegessicher, "und da ich einen Zeugen habe, hat Saradoc mir geglaubt."
Der Blick des älteren Hobbits fiel auf Frodos Bild und Frodo fürchtete schon, er würde es nehmen, doch dann wandte er sich wieder ihm zu, das eingebildete Grinsen noch breiter als zuvor. "Du allerdings, warst den ganzen Nachmittag zu Hause. Noch dazu wurde das Kästchen in deinem Schreibtisch gefunden", er schmunzelte. "Keine Sorge, ich habe Saradoc gesagt, dass er sich nicht zu viele Sorgen machen soll, schließlich hast du vor gar nicht allzu langer Zeit deine Eltern verloren."
Er machte einen Schritt auf den kleinen Hobbit zu und legte ihm gespielt freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. Frodo wich zurück und funkelte ihn wütend an. Er hatte von Anfang an gewusst, dass Marroc das Schmuckkästchen gestohlen und dann in seinem Zimmer versteckt hatte. Wie er das gemacht hatte, war ihm ein Rätsel geblieben, ebenso, wie er nie erfahren würde, was der ältere Hobbit gesagt hatte, dass Saradoc ihn für einen möglichen Schuldigen gehalten hatte.
"Was ist das eigentlich für ein Buch?"
Mit einer schnellen Handbewegung hatte Marroc Frodo das Buch entrissen. Entsetzt packte Frodo den älteren am Arm, versuchte, sein Tagebuch zurückzubekommen, doch dieser drehte sich von ihm weg und hielt das Buch in die Höhe, sodass er es nicht erreichen konnte.
"Gib es mir zurück!" rief Frodo verzweifelt, doch Marroc dachte nicht daran.
Er griff nach seinem Handgelenk, drehte es, bis Frodo vor Schmerz aufschrie und stieß ihn dann zur Seite. Der junge Hobbit landete unsanft auf dem Fußboden, rieb sich das schmerzende Handgelenk. Missmutig sah er zu seinem Gegner auf, wollte sich wieder aufrappeln, um einen weiteren Versuch zu starten, sein Eigentum zurückzuholen, doch ein Blick von Marroc genügte und Frodo wusste, dass, egal was er tat, er derjenige sein würde, der die Konsequenzen dafür tragen musste. Ob es nun jene waren, die auf ihn zukommen würden, wenn Marroc in seinem Tagebuch las, oder jene, wenn Marroc wieder irgendwelche Lügengeschichten über ihn verbreitete, weil er das Buch nicht hatte lesen können, spielte dabei keine Rolle. Geschlagen setzte Frodo sich auf sein Bett und beobachtete den älteren Jungen misstrauisch und mit ängstlichen Augen.

Marroc blätterte die Seiten durch, vollkommen emotionslos wie es schien, warf Frodo schließlich einen schiefen Blick zu.
"Du bist wirklich naiver, als ich dachte, wenn du noch immer glaubst, sie würden wieder kommen", Marroc klappte das Buch zu, sah ihn scharf an. "Sie kommen nicht wieder!"
Frodo wich seinem Blick aus. Seine Hände verkrampften sich. Scheinbar genügte es Marroc nicht, sein Tagebuch zu lesen, er musste sich auch noch über ihn lustig machen. Er wusste, dass seine Eltern nicht wieder kommen würden, doch das hieß nicht, dass er nicht davon träumen konnte. Es war eine Sehnsucht, ein Wunsch und dies war sein Tagebuch und er konnte hineinschreiben, was immer er wollte, schließlich war es nie dazu gedacht gewesen, auch von anderen gelesen zu werden und das ausgerechnet Marroc derjenige war, schmerzte.
"Du hast einiges über mich geschrieben, allerdings übertreibst du maßlos!" Ein hämisches Grinsen glitt über das Gesicht des älteren, doch dieses verschwand blitzschnell und ehe Frodo sich versah, kniete Marroc vor ihm und packte ihn am Kragen. Erschrocken wich Frodo zurück und versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, doch Marroc zog ihn zu sich herunter, sodass er beinahe von seinem Bett fiel. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als der andere ihm so nah kam, dass er seinen Atem im Gesicht spüren konnte.
"Ich rate dir, dass es niemals jemand zu Gesicht bekommt!" knurrte er. "Ansonsten werde ich dafür sorgen, dass du ernsthafte Probleme bekommst, Frodo. Du weißt, dass ich dazu fähig bin." Seine Stimme war drohend und sein Blick versprach eine Vielzahl von grausamen Gemeinheiten.
Frodo schluckte schwer, nickte kaum merklich. Er stützte sich mit den Händen am Bett ab, um zu verhindern, dass er von der Matratze rutschte.
Marroc nickte zufrieden, löste seinen Griff und erhob sich. Das Buch warf er achtlos in eine Ecke, bevor er das Zimmer mit stolzer Haltung verließ.

Frodos Blick verharrte auf der geschlossenen Tür. Seine Hand glitt an seinen Kragen und brachte ihn mit zitternden Fingern wieder in Ordnung. Sein Herz raste, sein Atem ging schnell. Er ignorierte das Brennen in seinen Augen und holte tief Luft.

Warum konnte Marroc so mit ihm umgehen? Die Antwort war einfach, auch wenn sie ihm nicht gefiel. Marroc hatte ihn in der Hand. Wann immer er sich gegen dessen Angriffe zur Wehr setzte, verbreitete Marroc eine neue Lüge über ihn. Meist so geschickt, dass niemand Verdacht schöpfte. Niemand, außer Merry. Doch was konnte Merry schon machen? Natürlich war er der Sohn des Herrn von Bockland, doch auch wenn Saradoc inzwischen misstrauisch geworden war, konnte Merry ihm nicht helfen. Dazu wusste sein Vetter viel zu wenig über das, was vor sich ging.
Frodo senkte hilflos den Kopf. Weshalb schwieg er? Warum ließ er sich so von Marroc unterdrücken, ohne jemandem auch nur ein Wort zu verraten? Nichts wäre ihm lieber, als diesem Leiden ein Ende zu setzen, doch er konnte nicht sprechen. Ganz gleich, was er unternahm, Marroc würde einen Weg finden, ihn von Bilbo fernzuhalten und das wollte er keinesfalls riskieren. Bilbo war ihm sehr ans Herz gewachsen, besonders nach seinem letzten Besuch in Beutelsend und Frodo wollte nicht, dass Marroc auch ihm ein falsches Bild von sich aufzwang.
Noch immer zitternd kroch er schließlich zu seinem Tagebuch, drückte es einen Augenblick an sich und wischte dann vorsichtig über den ledernen Umschlag. Er stand auf und legte es in die unterste Schublade seines Schreibtisches. Morgen würde er über ein besseres Versteck dafür nachdenken. Marroc sollte nicht noch einmal Einblick in seine geheimsten Gedanken erhalten.



~*~*~



Die Sonne stand schon hoch am tiefblauen Himmel, als Merry und Frodo auf den Hügeln vor dem Schloss herumalberten. Mit einem lauten Seufzen ließ sich Merry rücklings in das saftige Gras fallen. Frodo tat es ihm gleich. Ein sanfter Luftzug brachte die Grashalme zum tanzen und strich über die Gesichter der jungen Hobbits. Verträumt beobachtete Frodo die Wolken, die gemächlich am Himmel entlang zogen. Für eine Weile herrschte Schweigen, dass nur vom Zwitschern der Vögel und von den entfernten Rufen anderer Kinder durchbrochen wurde. Merry drehte sich plötzlich zur Seite, stützte sich auf den Ellbogen und sah ihn ernst an.
"Wie kommst du eigentlich in letzter Zeit mit Marroc aus?"

Frodo verkrampfte sich, blickte überrascht auf. Wusste Merry von Marrocs Eindringen am vergangenen Abend? Ein unruhiges Kribbeln machte sich in seinem Bauch bemerkbar, ließ ihn wachsam werden.
"Wie meinst du das?" Er wollte seine Frage beiläufig klingen lassen, was ihm nicht ganz gelang.
"Du hast vor einiger Zeit berichtet, dass er in deinem Zimmer war, ohne dass du es wolltest", erklärte Merry. "Es würde mich auch wundern, wenn du ihm das erlauben würdest."
Er setzte zu einer kurzen Pause an, in der er Frodo eingehend musterte, doch dieser verzog keine Miene, weiterhin darum bemüht gleichgültig zu wirken. "Ich habe mich gefragt, ob sich das inzwischen gebessert hat, oder ob du noch immer mit ihm zu kämpfen hast."
Frodo sagte nichts, sondern wandte sich wieder den Wolken zu. Er war sich unsicher, was er darauf antworten sollte, denn er wusste, Merry würde auf eine Antwort bestehen, oder annehmen, dass er Probleme hatte. Dennoch musste er vorsichtig sein, nicht zuviel preiszugeben oder Marroc würde Wegen finden, ihn dafür büßen zu lassen.
Merry hatte sich ebenfalls wieder auf den Rücken gelegt, als Frodo zu einer stotternden Antwort ansetzte.
"Er... er war erst gestern wieder uneingeladen in meinem Zimmer. Er...", Frodo verfiel in Schweigen, holte dann tief Luft und schüttelte leicht den Kopf, ohne den Blick von den Wolken zu nehmen. "Es war nichts weiter. Ich komme zurecht."

Merry betrachtete seinen Vetter argwöhnisch. Er verschwieg etwas, dessen war er sich sicher. Nur zu gerne hätte er gewusst, was vor sich ging, doch er konnte Frodo nicht dazu zwingen, ihm alles zu erzählen. Zwar kannte er fast alle Geheimnisse seines Vetters, doch seit dem vergangenen Herbst war Frodo verschlossener denn je und Merry wurde das Gefühl nicht los, dass er selbst ihm nicht mehr alles anvertraute, so, wie er es früher immer getan hatte.
Er seufzte und schüttelte die trüben Gedanken ab. Aus den Augenwinkeln schielte er zu seinem Vetter, versuchte ein verschmitztes Grinsen zu verstecken. Die Mühe hätte er sich gar nicht zu machen brauchen, denn Frodo schien vollkommen vertieft in den Anblick des Himmels und hätte es ohnehin nicht bemerkt.
Mit einem lauten Aufschrei stürzte er sich auf seinen Vetter und kitzelte ihn erst unter den Achseln, dann am Bauch. Frodo fuhr erschrocken hoch und versuchte, Merrys Finger von sich fernzuhalten, stieß die betrügerischen Hände von sich weg.
"Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken?!" schimpfte er mit tadelndem, todernstem Blick.
Anstatt zu antworten setzte Merry ein herausforderndes Grinsen auf. Frodo zog eine Augenbraue hoch, konnte sich aber das Lachen nicht länger verkneifen und warf sich nun seinerseits auf seinen Vetter. Mit einem überraschten Aufschrei fiel Merry rückwärts und die beiden purzelten kichernd den Abhang hinunter.

Aus dem Schatten der großen Eiche trat Marroc. Sein Blick war auf die lachenden jungen Hobbits gerichtet, die er nun schon einige Zeit beobachtet hatte. Das Gesicht hatte er zu einer Maske der boshaften Berechnung verzogen und seine Augen blitzten.
"Du redest zu viel, Frodo", sagte er leise zu sich selbst. "Mir scheint, du benötigst einen Denkzettel."
Er wandte sich von den Kindern ab, ging auf der anderen Seite des Hügels hinunter und ein arglistiges Grinsen trat in sein Gesicht.



~*~*~



Frodo stapfte durch die Gänge des Brandyschlosses, auf der Suche nach einem kleinen Happen zu essen, als Saradoc ihm nervös entgegen gerannt kam. Schweißperlen standen auf seiner Stirn und er wirkte verwirrt.
"Frodo, hast du Merry gesehen?", fragte er hastig, als er ihn entdeckte.
Frodo schüttelte den Kopf, runzelte verwirrt die Stirn. So zerstreut hatte er den Herrn noch nie erlebt und er fragte sich, was ihn so sehr durcheinander brachte. "Was ist los?"
"Er sollte heute Nachmittag zu mir kommen", erklärte Saradoc, sah dabei jedoch immer wieder über ihn hinweg, als hoffe er, Merry würde plötzlich hinter ihm auftauchen. "Ich habe ihm versprochen, ihm beim Lesen ein wenig unter die Arme zu greifen, doch bis jetzt ist er noch nicht erschienen." Überrascht wandte er sich um, als Rufus Lochner aus einem der Zimmer trat. Frodos Onkel grüßte sie kurz und ging dann gemächlichen Schrittes den Gang hinunter. Saradoc seufzte und wandte sich wieder Frodo zu. "Ich wollte ihm sagen, dass es heute Nachmittag nicht geht. Hanna bekommt ihr Kind und ich wäre froh, wenn du etwas für mich tun könntest."
Frodo machte große Augen.
"Hanna bekommt ihr Baby?!" rief er überrascht, erfreut und zugleich erschrocken. "Soll ich Merry Bescheid sagen, dass du keine Zeit hast?"
Er war schon dabei, sich abzuwenden, um nach seinem Vetter zu suchen, als Saradoc ihm eine Hand auf die Schulter legte, um ihn aufzuhalten.
"Nein, Frodo! Du musst nach Bockenburg laufen und Fastred zu uns bringen. Mirabella braucht seine Hilfe."
Saradocs ernster Ausdruck ließ Frodo nicht lange überlegen und so nickte er knapp und eilte aus dem Brandyschloss.

Er rannte nach Osten, so schnell ihn seine Beine trugen. Saradocs Stimme mochte zwar ruhig geklungen haben, doch an seiner Zerstreutheit hatte Frodo erkannt, dass diese Angelegenheit ernster war, als sie sich anhörte. Er wusste, dass seine Großmutter schon vielen Frauen geholfen hatte, Kinder zur Welt zu bringen, auch wenn ihm nie erlaubt worden war, dabei zusehen, auch nicht, als seine Cousine Drida vor fünf Jahren ihren ersten von drei Söhnen geboren hatte. Selbst seine Mutter war damals dabei gewesen, doch ihn hatte man weggeschickt, noch ehe er einen Blick in das Zimmer hatte werfen können. Damals war kein Heiler hier gewesen und nur Mirabella, seine Tante Amaranth und seine Mutter hatten Drida beigestanden, auch wenn seine Großmutter sehr viel länger in Dridas Zimmer geblieben war, bis das laute Schreien eines Neugeborenen durch die Gänge gehallt war.
Er fragte sich, was wohl mit Hanna war, dass sie einen Heiler benötigte und die Künste seiner Großmutter nicht ausreichten. Er verstand zwar nichts vom Kinderkriegen, doch hatte er oft gehört, wie seine Mutter Mirabellas Können rühmte.
Sein Herz raste, sein Atem ging schnell, während er den geebneten Weg entlang stolperte und Frodo befürchtete, dass er ihm bald ausgehen würde, wenn er mit dieser Geschwindigkeit weiterlief. Er verlangsamte seinen Schritt ein wenig, als er weit in der Ferne die ersten Häuser Bockenburgs erkennen konnte.

Auf einmal traten zwei Hobbits aus den Büschen und stellten sich ihm in den Weg.
"Lasst mich durch!" rief Frodo, vollkommen außer Atem. Er wollte schon versuchen über die Wiese ausweichen, als er erkannte, wer sich ihm in den Weg gestellt hatte. Ilberic und Sadoc, Marrocs Freunde. Keuchend tat er noch wenige Schritte, blieb schließlich stehen, als er erkannte, dass die beiden ihn auch nicht vorbei lassen würden, wenn er über die Wiese auswich. Noch einmal verlangte er, durchgelassen zu werden, doch die beiden lachten nur und schüttelten die Köpfe. Frodo wollte sich an ihnen vorüberdrängen, als ihn jemand grob an der Schulter packte.
"Wohin denn so eilig?"
Marrocs Stimme drang von hinten an sein Ohr und er fuhr erschrocken herum, schlug die Hand auf seiner Schulter weg.
"Ich muss zu Fastred! Hanna braucht den Heiler!" Frodo sah seinem Gegenüber ernst in die Augen. "Sofort!"
"Wer sagt das?", fragte Marroc scharf, und seine Augen blitzten, als er sich zu ihm herunterbeugte.
"Saradoc", lautete die knappe Antwort.
Frodos Brustkorb hob und senkte sich in raschen Atemzügen. Der Schweiß rann ihm von der Stirn und klebte an seinem Nacken, während er darum bemüht war, Marrocs Blick standzuhalten.
"Saradoc?" Ein grässliches Grinsen trat auf Marrocs Gesicht, das Frodo einen Schritt zurückweichen ließ. Der ältere Hobbit plante seine nächste Grausamkeit, war vielleicht nur noch wenige Schritte davon entfernt, sie auszuführen. Er wich einen weiteren Schritt zurück, doch ein Kopfnicken von Marroc genügte und Ilberic und Sadoc packten ihn an der Schulter. Frodo blickte erschrocken von einem zum anderen, als Marroc noch näher auf ihn zutrat, das Grinsen in seinem Gesicht voller boshafter Entschlossenheit.
"Das macht die Sache interessant!" ließ er ihn selbstgefällig wissen. "Sorgt dafür, dass er hier bleibt. Ich komme bald wieder."
Mit diesen Worten stapfte der ältere davon und lachte dabei triumphierend. Frodo sah ihm entgeistert hinterher. Plötzlich verstand er, dass Marroc nicht erst dabei war, ein neues Netz zu spinnen, sondern dass er seinem Peiniger schon längst in die Falle gegangen war.
"Das kannst du nicht machen!" rief Frodo fassungslos und versuchte, sich aus dem Griff der älteren Jungen zu befreien, doch es war vergebens. Sadoc und Ilberic hatten jeweils eine Hand auf seine Schultern gelegt, während die andere seine Arme fest umklammert hielt.
"Marroc!" rief Frodo noch einmal verständnislos. "Warum kannst du mich nicht einfach meinen Auftrag erfüllen lassen?"
Der ältere Hobbit lachte laut auf, als er kurz über die Schulter blickte. "Das wirst du noch früh genug erfahren, Kleiner!"
Er winkte den dreien amüsiert zu, lief dann lachend von dannen.



~*~*~



Marroc durchstreifte die Gänge des Brandyschlosses auf der Suche nach Saradoc. Er spähte gerade in eines der großen Wohnzimmer, als der Herr von Bockland um die Ecke gerannt kam. Er schien sehr nervös und beunruhigt, machte nicht den Eindruck, als wisse er, weshalb er durch die Gänge eilte.
"Marroc, hast du Frodo gesehen?" fragte er ungeduldig.
Marroc nickte, setzte eine vollkommen ehrliche Miene auf, auch wenn er Mühe hatte, sich ein selbstzufriedenes Grinsen zu verkneifen. "Gerade eben war er unten am Fluss."
"Am Fluss?!" Saradoc starrte ihn entgeistert an. "Was hat er am Fluss zu suchen, wenn ich ihn zu Fastred schicke?"
Marroc zuckte mit den Schultern.
"Lauf du zu Fastred, Marroc!" sagte Saradoc dann und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Beeile dich!"
Marroc nickte und wandte sich um, während der Herr mit einem verzweifelten Seufzer wieder in die Richtung ging, aus der er gekommen war.

Marroc lächelte, während er nach Bockland eilte, zufrieden damit, wie sich die Dinge entwickelten. Von seinen Freunden und Frodo fehlte jede Spur, als er die Stelle passierte, an der er sie verlassen hatte. Er grinste noch breiter, begann schließlich zu laufen.
Nur wenig später erreichte er das Haus des Heilers und klopfte an der Tür.
"Herr Fastred, seid Ihr zu Hause?"
Fastred öffnete die Tür und begrüßte den Jungen, der ihm sogleich von der bevorstehenden Geburt berichtete, woraufhin dieser keine weitere Minute verlor.

Nachdem er den Heiler zum Brandyschloss geführt hatte, machte sich Marroc wieder auf den Weg nach Bockenburg. Er summte eine fröhliche Melodie, als er plötzlich abbog und durch die Wiesen wanderte, wohl wissend, dass Sadoc und Ilberic Frodo in das kleine Waldstück südlich der Straße gebracht hatten.

Er ahnte nicht, dass zwei Augen ihn neugierig beobachteten.





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