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Liebes Tagebuch  by Lily Dragonquill

Author notes:
Diese Geschichte ist eine Übersetzung von Dear Diary.
Vielen Dank an Cuthalion für die Korrektur.



~*~*~



Liebes Tagebuch



20. Nachjul 1368



Liebes Tagebuch,

ich glaube, ich bin schwanger. Ich bin mir noch nicht völlig sicher, aber von Zeit zu Zeit beginne ich, es zu fühlen. Ich weiß, da wächst neues Leben in mir. In der letzten Zeit war mir morgens häufig übel. Ich weiß, das könnte ein weiteres Zeichen für eine beginnende Schwangerschaft sein. Allerdings habe ich diese Zeichen schon viel zu oft in meinem Leben bemerkt, aber niemals hat der Same der Hoffnung in meinem Herzen Früchte getragen. Ob ich meinen Gefühlen dieses Mal trauen soll?

Drei Mal bin ich enttäuscht worden. Ich habe Angst diesen Empfindungen zu vertrauen. Angst davor, wieder enttäuscht zu werden. Und doch kann ich das Gefühl in meinem Herzen nicht abtun. Hoffnung wurde entfacht, ob ich es will oder nicht. Ich erwarte ein Kind.

Drogo habe ich noch nichts erzählt. Ich werde noch ein wenig länger warten, bis ich völlig sicher bin. Sollten meine Hoffnungen wieder zerschlagen werden, ist es besser, wenn er nichts davon weiß.

Ich habe solche Angst, ich weiß nicht einmal, ob ich glücklich oder traurig sein soll. Ich wünsche mir ein Baby, mehr als alles andere, doch nach drei Fehlgeburten in den vergangenen vier Jahren, weiß ich nicht, ob ich mich noch trauen kann zu hoffen – ob es mir erlaubt ist zu hoffen. Womöglich soll es nicht sein. Womöglich wäre ich keine gute Mutter, und das ist die Art der Welt mich daran zu hindern, einem Kind wehzutun, das es besser verdient.

Nein, ich würde kein Baby verletzen. Ich würde alles für ein Kind tun, wenn es mir nur erlaubt wäre, eines zu haben. Es war immer mein größter Wunsch, Mutter zu sein und ich wäre eine gute!

Ich werde es wagen zu träumen und daran glauben, dass meine Hoffnung mich nicht trügt.

Keine Sorge, mein Kleines, ich werde auf dich Acht geben.

17. Solmath 1368



Liebes Tagebuch,

ich habe noch niemandem davon erzählt, aber ich glaube, Drogo ahnt trotzdem etwas. Ständig spricht er davon, wie seltsam ich mich in der letzten Zeit verhalte und wie launisch ich wäre. Bin ich launisch? Ich glaube nicht. Ich bin keine launische Person, jeder weiß das, und Drogo sollte das am besten wissen. Ich bin nicht launisch - oder etwa doch?

Na ja, eigentlich kam es gestern zu diesem kleinen Streit. Es waren nur noch drei Scheite Feuerholz übrig und ich bat Drogo, mehr zu holen, denn es war kalt und das Feuer brannte stetig herunter. Er blieb allerdings in seinem Sessel sitzen, las sein Buch und nickte abwesend. Hätte er das nur einmal gemacht, wäre es kein Problem gewesen, doch als er noch immer nichts tat, nachdem ich ihn ein drittes Mal darum gebeten hatte, Holz zu holen, wurde ich etwas gereizt. Ich baute mich vor ihm auf, riss ihm das Buch aus der Hand und starrte auf ihn hinunter.

Er sah mich nur begriffsstutzig an, als könne er nicht verstehen, warum ich ihm das Buch weggenommen hatte. Hörte er mir denn nicht zu? Er sollte wirklich besser Acht geben. Ich wartete nicht darauf, dass er etwas sagte, sondern stapfte aus dem Raum, eilte in unser Schlafzimmer und schlug die Tür hinter mir zu.

Na gut, womöglich habe ich etwas übertrieben, als ich seine Stimme plötzlich von der anderen Seite der Wand hörte und die Tür abschloss.

Aber ich bin nicht launisch - zumindest nicht heute.



~*~*~



Drogo kam gerade ins Zimmer und fragte, ob ich schwanger wäre, weil ich mich benehmen würde wie eine werdende Mutter. Jetzt weiß er es also. Er war sehr aufgeregt. Mit Tränen in den Augen hat er mich umarmt und geküsst. Ich vermute, er denkt nicht einmal an die Möglichkeit, das Kind zu verlieren, und es wäre besser, ich würde das auch nicht tun.

18. Rethe 1368



"Primula! Bist du hier, meine Liebe?"

Menegilda Brandybock schloss die Eingangstür hinter sich. Außer dem schwachen Licht des Kamins im Wohnzimmer war nichts zu sehen in der kleinen Hobbithöhle außerhalb von Bockenburg. Sie hängte ihren Mantel an den Haken und ging suchend den Flur entlang. "Primie?" rief sie noch einmal, doch niemand antwortete. Es war beinahe Mittag, und Menegilda begann sich zu wundern. Für gewöhnlich war Primula um diese Tageszeit immer zu Hause - und immer hatte sie einen Kessel für Tee über dem Feuer hängen. "Ich möchte nie unvorbereitet sein", pflegte sie zu sagen.

Menegilda war ihrer Schwägerin schon immer nahe gestanden, besonders als sie Primula aufgrund ihrer Arbeit als Hebamme während der schweren Zeit ihrer Fehlgeburten unterstützt hatte. Das arme Ding wünschte sich so sehnsüchtig ein Kind, doch ihr Körper schien nicht gewillt, neues Leben gedeihen zu lassen.

"Gilda", rief Primula plötzlich von der Küchentür aus. "Was machst du hier?" Sie trocknete die Hände an ihrer Schürze und eilte herbei, um ihrer Schwägerin mit einer warmen Umarmung zu begrüßen. "Ich dachte du wärest den ganzen Rethe über im Brandyschloss, um alles für Saras Geburtstag vorzubereiten. Wie geht es dem Jungen?"

"Oh, ihm geht es gut und sein Kopf ist voller Dummheiten, wie immer", antwortete Gilda lachend, wobei sie Primula vom Kopf bis zu den Zehen betrachtete. "Du siehst gut aus."

Primula errötete und winkte ab, ehe sie ihre Freundin in die Küche führte. "Was bringt dich her?", wollte sie wissen, während sie ihren Teekessel vom Feuer nahm und ihrer Schwägerin eine Tasse Pfefferminztee reichte. Sie bot ihr nicht an, sich zu setzen, sondern nahm einen Apfel aus dem Korb auf dem Tisch und ging geradewegs zur Hintertür. Einmal im Freien setzte sich Primula auf eine Bank, warf Drogos Hemden in den Waschzuber und begann zu schrubben.

"Nun", Gilda räusperte sich und während sie sich setzte, beobachteten ihre Augen Primula genau. "Der Grund für mein Kommen ist der, dass mir Gerüchte zu Ohren gekommen sind."

Primula erstarrte. Ohne ihre Freundin anzusehen, fragte sie zweifelnd: "Welche Art von Gerüchten?" Als Gilda nicht sofort antwortete, hob Primula langsam den Kopf, um ihrer Freundin in die Augen zu sehen. "Wer hat mit dir über mich gesprochen?" Ihre Stimme war nicht nur zweifelnd, sondern auch von Furcht überschattet und ihre Augen suchten verzweifelt nach der Wahrheit im Blick ihrer Freundin.

Gilda grinste von einem Ohr zum anderen, antwortete jedoch nicht. Stattdessen nahm sie einen Schluck Tee, lehnte sich zurück und streckte ihre Beine. "Gilda", drängte Primula, ihre Stimme beinahe verärgert. Eine heimliche Bitte schwang darin mit.

Menegilda setzte sich auf, legte einen Arm um Primulas Schultern und küsste ihre Wange. "Kein Grund zur Sorge, meine Liebe", sagte sie beruhigend, wobei sie Primula liebevoll ansah. "In Wahrheit war es nur dein sehr besorgter Gatte, der mit mir gesprochen und mich gebeten hat, nach dir zu sehen." Sie spürte, wie Primula sich unter ihrer Berührung verkrampfte und schüttelte sie sanft. . "Du solltest etwas wie das nicht verbergen", sagte sie leise, ihre Augen voller Liebe und Verständnis.

Primula spürte einen Kloß in ihrem Hals und versuchte, ihn zu schlucken - ohne Erfolg. Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen. Sie konnte Menegildas Blick nicht länger standhalten und musste sich abwenden. Der Apfel, den sie hatte essen wollen, lag vergessen neben ihr. Ihre Hand griff nach ihrer Schürze, hielt sie krampfhaft fest. Ihr Körper zitterte und eine einzelne Träne rann ihr über die Wange. "Ich konnte es nicht sagen", flüsterte sie beinahe tonlos mit erstickter Stimme. "Ich konnte es niemandem sagen, dir am allerwenigsten."

Gilda legte die Stirn in Falten, als sie ihre Freundin zu sich zog und über deren Rücken strich, wie sie es bei ihren Söhnen zu tun pflegte, als diese noch jünger waren. "Weshalb nicht, Liebe? Du weißt, dass du immer mit mir sprechen kannst, nicht wahr?" Sie fühlte Primulas Nicken, doch sie antwortete nicht. "Was hat dich daran gehindert?"

Primula schluckte schwer, als sie sich aus der Umarmung löste, die sie nicht halb so viel tröstete, wie sie es hätte tun sollen, und schlug die Augen nieder. Ihre Fäuste öffneten und schlossen sich immer wieder, während sie mit ihrer Schürze spielte. "Ich fürchtete, was du mir womöglich gesagt hättest", antwortete sie in einem elenden Flüstern. "Ich hätte es nicht ertragen, wenn du mir noch einmal gesagt hättest, dass ich womöglich ein weiteres Kind verliere. Ich habe nicht die Kraft dazu, dich das sagen zu hören - nicht schon wieder."

Gilda biss sich auf die Lippen und zog Primula noch einmal zu sich, bemüht, sie zu beruhigen. Sie hätte es wissen müssen. Sie mochte es selbst nicht, wenn sie diese Art von Nachricht überbringen musste und für Primula, die bereits drei Fehlgeburten hinter sich hatte, wären diese Worte wie Salz auf eine frisch geöffnete Wunde. Heiße Tränen tropften auf ihren Kragen, während sie ihre Freundin sanft hin und her wiegte. Sie wusste, welchen Schaden die Angst vor einer Fehlgeburt anrichten konnte, hatte es zu oft erleben müssen. Und eigentlich war das der Grund für ihren Besuch. Primula musste sich von diesen Ängsten lösen. Sie würden nicht nur ihr, sondern auch dem ungeborenen Kind schaden. Sobald Drogo ihr von der Schwangerschaft seiner Frau erzählt hatte, war das Wohlergehen von Mutter und Kind alles gewesen, woran Menegilda hatte denken können.

Primula, deren Finger Gildas Kleid fest umklammerten, weinte noch immer, doch ihre Schluchzer wurden weniger und bald hatte sie die Kontrolle über sich wiedererlangt. Von ihrer Freundin ablassend, wischte sie sich mit ihrer Schürze über die Augen und flüsterte: "Es tut mir Leid. Es ist nur…"

"Still", sagte Gilda tröstlich und legte einen Finger auf Primulas Lippen. "Weshalb sorgst du dich jetzt schon, meine Liebe? Ich habe dich noch nicht einmal untersucht und du solltest keine Antwort fürchten, die du womöglich nie erhältst. Komm, lass uns hinein gehen."

Primula nickte langsam und erlaubte Menegilda schließlich, sie zurück in die Höhle und in ihr Schlafzimmer zu führen. Während sie sich auszog, ging Menegilda noch einmal in die Küche, um sich die Hände zu waschen.

Primula setzte sich auf das Bett und blickte gedankenverloren auf ihren Bauch. Er sah aus wie immer. Sie seufzte schwer. Wenn ihr Wunsch sich nur erfüllen würde. Erschrocken blickte sie auf, als Menegilda mit einem breiten Lächeln zurückkehrte. Primula runzelte die Stirn, machte es sich jedoch auf dem Bett gemütlich, wobei sie ihre Hände, einem Impuls folgend, auf ihren Bauch legte.

Gilda lächelte über diese instinktive Geste und nahm Primulas Hände sanft in ihre eigenen. Sie waren kalt und zitterten. "Mach dir keine Sorgen, Liebe", sagte sie ruhig. "Ich bin sicher, dass alles in Ordnung ist."

Primula zwang sich zu lächeln, doch ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Wenn sie ihre Ängste nur vergessen könnte! Als sie neue Tränen in sich aufsteigen spürte, schloss sie ihre Augen und wartete. Bald spürte sie Menegildas warme Hand auf ihrem Bauch, doch ihre Freundin tat nichts, sprach lediglich mit ihr, bat sie, sich zu entspannen und war am Ende sogar erfolgreich darin, sie von ihren Sorgen abzulenken. Dennoch hafteten Primulas Augen auf Gildas Gesicht, beobachteten jeden ihrer Züge. Doch das Gesicht ihrer Freundin ließ sich nicht lesen - eine Gabe, die Gilda in ihren frühen Jahren als Hebamme gelernt hatte - und so blieb Primula nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen, während Gildas sanfte Hände über das weiche Fleisch ihres Bauches strichen und pressten.

Ihre Gedanken wanderten zu dem Kind und wie groß es zu diesem Zeitpunkt schon sein musste. Ob sie es wohl bald spüren würde? Sie wusste es nicht, denn obwohl sie schon früher eine Veränderung in ihrem Körper hatte spüren können, war es ihr nie vergönnt gewesen, zu fühlen, wie ihr Kind sich in ihr bewegte.

"Wie steht es mit dir? Fühlst du dich gut oder gibt es etwas, das dir Sorgen bereitet? Primie?" Gildas Frage weckte sie aus ihrem Tagtraum. Menegilda betrachtete sie mit abwartendem Blick. Primula blinzelte und zog eine Augenbraue hoch.

Ein Lächeln schlich über Gildas Züge, als sie ihre Frage wiederholte. Immerhin hatte sie Primula dabei helfen können, sich zu entspannen und die Beschwerden von denen ihre Freundin sprach - Übelkeit, Schwindel - waren nicht unnatürlich. Alles in allem war Gilda zufrieden. Primula schlüpfte wieder in ihr Kleid, ihre Augen bittend auf ihrer Freundin. Gilda konnte eine bleibende Angst in ihrem Blick erkennen. "Mach dir keine Sorgen, meine Liebe", versicherte sie mit einem Lächeln. "Alles ist in Ordnung, sofern ich das beurteilen kann. Es gibt nichts, worum du dich sorgen müsstest."

Primulas Augen weiteten sich. "Wirklich?", fragte sie stimmlos und bemerkte, dass ihr Mund ganz trocken war. Ein Nicken von Gilda genügte, um sie erneut in Tränen ausbrechen zu lassen. Natürlich waren es dieses Mal Tränen der Freude. Vielleicht sorgte sie sich tatsächlich unnötig?

"Beruhige dich, meine Liebe", sagte Gilda sanft, wobei sie einen Arm um ihre Schultern legte und sich mit ihr auf die Bettkante setzte. "Das ist nicht die Zeit für Tränen. Deine Sorgen bekümmern auch das Kind, das du in dir trägst, und du willst doch nicht, dass das Kleine noch vor seiner Geburt völlig außer sich gerät, nicht wahr?"

Inmitten ihrer Tränen begann Primula zu lachen und blickte Gilda aus strahlenden Augen an. "Natürlich nicht", antwortete sie und nahm einen tiefen Atemzug um sich zu beruhigen. Ihre Hände zitterten noch mehr als zuvor. "Du meinst wirklich, dass ich es dieses Mal schaffen könnte?" Sie konnte kaum glauben, was Gilda ihr soeben erzählt hatte.

Zu ihrer Enttäuschung zuckte Gilda mit den Schultern "Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, doch die Dinge stehen gut."

Mehr Tränen strömten über Primulas geröteten Wangen, doch diese aus Glück, denn all ihre Ängste hatten sie verlassen. In diesem Moment fühlte sie sich so froh, sie fürchtete, sie könne vor Freude zerspringen. Sie war schwanger und ihrem Kind ging es gut.

Mit einem schweren Seufzen legte sie ihren Kopf auf Gildas Schultern und schloss die Augen, während ihre Schwägerin durch ihre Haare strich, wie sie es bei einem Kind tun würde. Primulas Händen ruhten auf ihrem Bauch. Ihrem Kind ging es gut und sie würde alles tun, damit das auch so blieb.

22. Astron 1368


Liebes Tagebuch,

mein Geheimnis ist nicht mehr so sicher. Gilda hat mir versprochen, niemandem davon zu erzählen, nicht einmal meinem Bruder, und an diesem Versprechen hielt sie fest. Allerdings bin jetzt ich es, die das Geheimnis nicht länger für sich behalten kann. Man kann es sehen - oder geht meine Einbildung mit mir durch?

Gestern Abend verbrachte ich eine halbe Stunde vor dem Spiegel und betrachtete meinen Bauch von allen Seiten. Dabei bemerkte ich nicht, dass Drogo minutenlang hinter mir stand und jede meiner Bewegungen beobachtete. Erst als er mich von hinten umarmte, fiel er mir auf. Er meinte, ich sähe wunderschön aus, und dass er es kaum erwarten kann, dass mein Bauch sich wölbt. Er sieht es also auch. Dann kann es nicht mehr lange dauern, bis auch andere es bemerken werden.

Nie zuvor habe ich den Punkt erreicht, an dem ein andere die Segnung meines Körpers erkennen konnte. Ist die größte Gefahr, das Kind zu verlieren, also vorbei? Ich weiß, ich sollte nicht darüber nachdenken - Gilda sagte das und ich weiß, dass sie Recht hat - doch ich bekomme den Gedanken nicht aus meinem Kopf. Von Zeit zu Zeit überfällt er mich unerwartet und die Furcht lässt mich jedes Mal in Tränen ausbrechen. Wir sind so weit gekommen. Wir können nicht wieder getrennt werden. Drogo teilt meinen Schmerz, doch ich glaube nicht, dass er all meine Gefühle verstehen kann.

Mutter sprach immer von einem Band zwischen einer Mutter und ihrem Kind und ich glaubte ihr nie. Es war nicht so, dass ich ihr Wissen in Frage stellte, doch ich konnte nicht verstehen. Sie versicherte mir stets, ich würde wissen, wovon sie sprach, wenn ich selbst einmal Mutter bin. Mein Kind ist noch nicht geboren und trotzdem beginne ich zu begreifen. Das Band besteht bereits, obwohl es noch nicht so stark ist, wie es womöglich sein wird, wenn ich mein Kind erst spüre, oder das Kleine in meinen Armen halte. Oh Mutter, ich wünschte, du könntest jetzt bei mir sein, dein Wissen mit mir teilen und mir sagen, was ich tun soll. Ich könnte mir keinen besseren Freund und keine bessere Geburtshelferin als Gilda wünschen, doch ich wollte, ich könnte auch deinen Rat hören. Manchmal vermisse ich dich so sehr, Mutter.

Vielleicht hat Drogo Recht. Von Zeit zu Zeit bin ich launisch. In einem Moment ist mir nach Lachen zumute und im nächsten Augenblick könnte ich weinen. In letzter Zeit denke ich zuviel nach. Es gibt so vieles in meinem Kopf und doch fühle ich mich leer und kann mich auf nichts konzentrieren. Das sind die Zeiten, wenn ich noch mehr Nähe brauche als gewöhnlich, und zu meinem Glück ist Drogo immer für mich da. Er ist ein Schatz. Mein armes Baby muss sehr anschmiegsam werden mit Eltern wie Drogo und mir.

Das wäre etwas, das mir gefallen würde. Viele warme Umarmungen und Kuschelmomente mit meinem Kind sind schließlich eine große Versuchung. Hörst du das, mein Kleines? Du kannst so verschmust werden, wie du nur willst. Dein Vater und ich werden dir all die Wärme und Pflege geben, die du brauchst.

8. Thrimidge 1368


Liebes Tagebuch,

Ich kann mein Glück kaum fassen. Mir stehen die Tränen in den Augen und drohen überzulaufen. Drogo wird bestimmt denken, ich hätte schon wieder so lange über meinen Ängsten gebrütet, dass sie mich zum Weinen bringen, aber so ist es nicht.

Ich habe das größte Geschenk erhalten, das eine Mutter, deren Kind noch nicht geboren ist, erhalten kann. Ich konnte mein Baby spüren. Ich habe mein Kind schon zuvor wahrgenommen und begriffen, dass mein Körper sich verändert, weil ich schwanger bin, weil neues Leben in mir heranwächst - doch dieses Mal war es wirklich. Ich konnte fühlen, wie die kleine Hand oder der kleine Fuß gegen meinen Leib trat. Nie habe ich etwas Großartigeres gefühlt, nie mehr Glückseligkeit empfunden, als an diesem Nachmittag. Mein Kind lebt und ist noch dazu voller Energie.

Mein Kleines, wir haben eine sehr wichtige Hürde genommen. Nie habe ich das Leben in mir so deutlich gefühlt, wie du es mir an diesem Nachmittag gezeigt hast. Du weißt, wie froh ich bin, nicht wahr? Du hältst meine Tränen nicht für ein Zeichen der Traurigkeit, sondern weißt, dass sie aus Freude geboren sind.

Deine Bewegungen haben nachgelassen, mein Liebes. Schläfst du schon wieder, oder ruhst du dich nur aus? Fühlst du meine Hand, wenn sie auf meinem Bauch ruht ebenso, wie ich dich fühle?

Ich kann es kaum erwarten, Drogo davon zu erzählen. Er wird vor Freude kaum an sich halten können. Selbst jetzt kann er schon Stunden damit verbringen, seine Hand oder seinen Kopf auf meinem Bauch zu legen, und ich frage mich, was geschehen wird, wenn ich ihm erst erzähle, dass unser Kind ein kleiner Schläger ist. Ich vermute, er wird nicht mehr von meiner Seite weichen, bis er den kleinen Fuß oder die kleine Hand selbst gefühlt hat. Ich kann es ihm nicht verübeln, schließlich bin ich nicht weniger aufgeregt. Ich könnte den ganzen Nachmittag hier sitzen und darauf warten, dass mein Kind ein wenig zappelt. Aber ich habe Hausarbeiten zu verrichten.

Gilda wird morgen kommen um uns zu untersuchen, und sie wird meinen Bruder mitbringen. Ich frage mich, wie viel Rory bereits weiß, wie viel Gilda weitererzählt hat. Teilt er meine Ängste? Selbst wenn er das tut würde er es nicht zeigen und weiterhin der liebenswürdige und besorgte Bruder sein, der er immer gewesen ist. Und doch werden meine Neuigkeiten sein Herz berühren. Er wird dadurch erfahren, dass es nun mehr Hoffnung auf einen neuen Erben gibt als jemals zuvor. Ein neuer kleiner Brandybock - oder wohl eher ein Beutlin, gemischt mit einer ordentlichen Menge Brandybock-Blut. Mein kleiner Beutlin. Ich kann es kaum erwarten, sein Gesicht zu sehen, wenn er davon erfährt.

24. Vorlithe 1368


Das Licht der Sterne schimmert in den dunkeln Wassern des Brandywein. Ich sitze gerne hier, obwohl ich in letzter Zeit selten dazu gekommen bin. In den vergangenen Wochen war ich so aufgeregt und habe lange Spaziergänge nach Bockenburg und zum Brandyschloss auf mich genommen, nur um meinen Bauch zu zeigen. Die Leute können es nun sehen - in der Tat, sie wären blind, täten sie es nicht - und sie geben mir ständig gute Ratschläge oder fragen mich, wann es denn nun soweit wäre. Manche haben sogar gefragt, ob ich zum Brandyschloss zurückkehre, wenn das Kleine erst einmal geboren ist. Dazu wird es nicht kommen, obwohl ich mein altes Heim sehr liebe. Mein Platz ist jetzt hier, in der Nähe von Bockenburg, mit Drogo und meinem Kind. Ich bin mir sicher, mein Kleines wird froh sein, ein wenig Ruhe und Frieden zu haben, ganz ohne Hunderte von starrenden Verwanden. Und ich auch.

Ich habe Angst vor dem, was noch vor mir liegt. So viele Dinge müssen noch getan werden. Du liebe Güte, ich habe noch nicht einmal über einen Namen nachgedacht. Drogo versichert mir zwar ständig, dass wir noch genug Zeit haben, alles zu erledigen, ehe unser Kind geboren wird, doch manchmal ist er ebenso ruhelos wie ich, obwohl er es zu verbergen versucht.

Ich vermute, dass er auch heute ruhelos war, sonst hätte er mich nicht fort geschickt. Er und mein Bruder Saradas sind schwer damit beschäftigt, das Lernzimmer auszuräumen. Sobald das Baby alt genug ist, soll es sein Zimmer sein. Ich vermute, sie wollten nicht, dass ich mich einmische, ihnen im Weg bin oder ihren Plänen widerspreche, also hat Drogo mir etwas zu Essen eingepackt und mir gesagt, ich solle mich irgendwo entspannen. Sein Paket hätte zwei ausgewachsenen Hobbits ein vernünftiges Mahl verschafft, aber die meisten der Kekse, Pflaumen, Trauben und belegten Brötchen habe ich schon gegessen.

Und so kam es, dass ich hier, am Ufer des Brandywein, gelandet bin, wo ich dem stillen Gurgeln des Wassers und dem Wind lausche, der mit den Blättern der Bäume spielt. Ich bin einige Zeit vor dem Abendessen hier angekommen und jetzt ist es bereits dunkel. Die ersten Sterne erleuchten das Himmelszelt und ich sitze noch immer auf dem großen Felsen, der aus dem flachen Wasser ragt, und bade meine Füße in dem kühlen Strom, wie ich es häufig getan habe. Die Luft ist immer noch warm, aufgeheizt vom Sonnenlicht, das in den Steinen gespeichert ist. Es riecht nach beinahe verblühtem Flieder. Ich schließe meine Augen und nehme einen tiefen Zug. Dabei fällt mir auf, dass noch andere Gerüche in der Luft sind: Erde, Holz und Ringelblumen.

"Dein Vater hatte Recht, mein Kleines, ich brauchte etwas Zeit, mich zu entspannen. Manchmal glaube ich, er weiß besser, was ich brauche, als ich selbst. Er ist so fürsorglich, und obwohl er auch recht stur sein kann, liebe ich ihn so sehr, dass ich manchmal fürchte, mein Herz müsse zerspringen." Ich lächle bei dem Gedanken an Drogo und seinen störrischen Charakter. Für einen Moment ist mir ein flüchtiger Blick auf ein sehr junges Gesicht erlaubt, das mir mit derselben Entschlossenheit entgegenblickt, wie er es tut - ein Bild, das mich kichernd und kopfschüttelnd zurücklässt. "Wage es ja nicht, so stur wie dein Vater zu werden, mein kleiner Beutlin. Du musst den Namen nicht auf diese Weise ehren."

"Du hast das gehört, nicht wahr? Du weißt immer, wenn ich von dir spreche und es gefällt dir, mich das fühlen zu lassen." Mit einem Lächeln lege ich meine Hand unter meinen Bauchnabel. Ich fühle, wie sich mein Kind bewegt - eine Empfindung, die noch immer freudige Schauer durch meinen Körper jagt. "Ich fühle, wie du strampelst", flüstere ich und bewege meine Hand sanft über meinen Bauch in der Hoffnung mein Kleines möge es fühlen. Wie sehr wünschte ich, ich könnte mein Kind halten und es betrachten.

Ich lehne mich zurück und stütze meinen Körper mit dem linken Arm ab. Fern über meinem Kopf schimmert ein heller Stern - der Abendstern. Sein Licht wärmt mein Herz und für einen Moment schließe ich die Augen. Die sanften Finger des Windes streichen durch mein Haar und meine Gedanken lassen sich treiben. Ich muss an Bilbo denken. Er erzählte mir einst von Elbereth. Er sagte, sie hätte die Sterne geschaffen, die ein Licht für die Elben sein sollten, als die Welt noch dunkel war. Selbst jetzt, da die Dunkelheit längst vorüber ist, wacht sie noch über sie. "Wacht sie auch über dich, mein Kleines? Ganz gleich, ob sie das tut oder nicht, ich werde dich lehren, die Sterne zu ehren und zu ihnen aufzusehen, genau, wie meine Eltern mich das einst gelehrt haben."

Als hätten meine Worte Erinnerungen einer längst vergessenen Zeit zurückgebracht, beginne ich leise ein Schlaflied zu singen, das meine Mutter auch für mich gesungen hat.


Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.
Stehst hoch über aller Welt,
ein Diamant am Himmelszelt.
Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.


Ein Lächeln spielt um meine Lippen, als ich fühle, wie sich mein Kind beruhigt. Singen wirkt Wunder. Ich hoffe nur, dass das auch so bleiben wird, nachdem mein Liebstes geboren ist. Gilda meinte, dass es so sein sollte und es beruhigend zu wissen, dass meine Singstimme dabei helfen wird, die Sorgen und Beschwerden meines Kindes zu lindern.

Gerade als ich die zweite Strophe anstimmen will, höre ich ein leises Platschen hinter mir. Als ich meinen Kopf umwende, sehe ich Drogo im Wasser stehen und zurücklächeln. Er legt die Arme um mich und küsst meinen Nacken; wohlige Schauer laufen über meinen Rücken. "Ich höre dich gerne singen", flüstert er mir ins Ohr und kitzelt so die empfindliche Haut meines Halses.

Ich lächle, lehne mich zurück und lege den Kopf auf die Brust meines Liebsten. "Dann solltest du mich nicht ablenken." Ich nehme eine von Drogos Händen, als ich eine Bewegung in mir spüre, und lege sie auf meinen Bauch. Gerade dann entschließt sich unser Kind dazu, mein Schweigen zu kommentieren.

Drogo schmunzelt: "Wie es scheint, bin ich nicht der Einzige, der Gefallen an deinem Gesang findet."

"Nein, bist du nicht." Das Lächeln auf meinem Gesicht wird noch breiter, als Drogo sich hinter mich setzt und ich mich in seine Umarmung lehnen kann. "Muss eine Schwäche der Beutlins sein."

Er lächelt und streicht mir mit der Hand, die nicht auf meinem Bauch ruht, über die Wange. Es gibt nichts außer uns beiden, dem Geräusch des murmelnden Wassers und dem Rauschen der Blätter, und den Abendstern. Nichts, außer dem Kind in meinem Leib, das uns voller Eifer wissen lässt, dass wir nicht alleine sind und auch nie wieder sein werden - ein Opfer, das ich sehr gerne zu bringen bereit bin.

Ich schließe meine Augen und beginne zu summen, falle jedoch schnell in den leisen Gesang zurück.


Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.
Stehst hoch über aller Welt,
ein Diamant am Himmelszelt.
Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.

20. Nachlithe 1368


"Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?"
"Natürlich ist es das! Und nun komm rein! Du willst doch nicht, dass unser Kind glaubt, sein Vater wäre ein Feigling."
Mit einem bedeutungsvollen Blick in meine Richtung, wagt Drogo es schließlich einige Schritte weiter in den Fluss zu gehen, bis ihm das Wasser beinahe bis zur Brust reicht. Er holt tief Luft und sieht mich mit bittenden Augen an. "Primula, ich denke wirklich, dass du das nicht tun solltest. Ich meine…"
Ich beende sein zweckloses Gestammel, indem ich seinen süßen Mund in einem innigen Kuss gefangen nehme und meine Hand um seinen Nacken lege. Es ist ein Kuss, der aus dem Herzen kommt, voller Liebe und Verlangen, wie wir ihn schon seit Tagen nicht getauscht haben.
Warmer Wind kitzelt über meine nasse Haut und lässt eine Gänsehaut auf meinen Armen entstehen. Endlich gebe ich seine Lippen frei. "Vertraust du mir?", frage ich im Flüsterton und fröstle, als der Wind etwas stärker weht.
Goldene Strahlen des schwindenden Sonnenlichts schimmern durch die Kronen der Bäume und tanzen auf seinem wunderschönen Gesicht. "Ja." Seine Stimme ist heiser und gerade als ich zu lächeln beginne, fügt er hinzu, "Aber…"
Ich erlaube ihm nicht, seinen Satz zu Ende zu bringen und lege einen Finger auf seinen Lippen. "Wage es nicht, Drogo Beutlin", schimpfe ich. "Entweder vertraust du mir, oder du tust es nicht. Heute Abend gibt es kein ‚aber'."

Drogo holt tief Luft, als wolle er etwas erwidern, doch er schweigt. Seine Hand, die zuvor auf meiner Hüfte ruhte, lässt von mir ab. Ich lächle und trete einen Schritt zurück, um mich in das vom Sommer erwärmte Wasser zu legen. Nahe dem Ufer ist es nicht sehr tief und reicht mir nur bis zum Hals. Als ich jung war, kam ich mit meinen Schwestern und Brüdern oft hierher und wir konnten Stunden damit verbringen, in den flacheren Bereichen zu schwimmen. Saradas wagte sich einmal, trotz meiner Warnung und der meiner Geschwister, an die tieferen Stellen. Mutter wies ihn lange zurecht, als er wieder am Ufer war und Vater verpasste ihm Zuhause eine ordentliche Tracht Prügel.
"Du wirst nie solch leichtsinnige Dinge tun, nicht wahr? Du wirst dich von solchem Unfug fernhalten und immer tun, was deine Mutter sagt."
"Mit wem sprichst du?" Ich blicke auf, als ich die Stimme meines Liebsten vernehme und taste mit den Füßen nach dem Grund. "Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken", sagt er sanft und legt seine Hände erneut um meine Hüften.
"Du hast mich nicht erschreckt." Feuchte Locken kleben an meinem Nacken und Rücken und ich fühle wie einzelne Tropfen über mein Rückgrat rinnen. "Ich habe nur wieder einmal mit unserem Kleinen gesprochen."
In scheinbarer Erheiterung zieht er eine Augenbraue hoch, lächelt jedoch gleichzeitig. Es ist so viel Liebe und Freude in seinen Augen, dass ich nicht anders kann, als ihn erneut zu umarmen und zu küssen. "Weißt du, in letzter Zeit mache ich das oft. Ich verbringe ganze Nachmittage damit mit unserem Kind zu sprechen, während ich die Kleider wasche, im Garten arbeite oder das Abendessen zubereite."
"Du solltest nicht zu viel arbeiten, Liebste", schimpft Drogo, wobei Sorge seine sonst so ruhige Stimme überschattet. Er greift nach meinem Arm, und seine Berührung ist zwar sanft, aber auch unabstreitbar entschlossen, als er mich sicher aus dem Wasser führt. "Du solltest dich nicht überanstrengen."

Er greift nach einem Handtuch und legte es mir um die Schultern. Ich weiß, dass er besorgt ist, und nicht nur wegen dem Tonfall seiner Stimme. Drogo ist tagsüber oft unterwegs und regelt die Arbeit auf den Feldern gemeinsam mit meinem Bruder Rory. Trotzdem lässt er mich, wenn er abends nach Hause kommt, nicht einmal den Tisch abräumen, obwohl er sehr viel erschöpfter ist, als ich. Von Zeit zu Zeit ist er übermäßig beschützend und manchmal frage ich mich, was ihn mehr beunruhigt: die Tatsache, dass mir etwas geschehen könnte, oder dass unser Kind durch etwas belastet wird, was ich tue.

"Ich fühle mich gut, Drogo", versichere ich ihm, während ich mich in mein Handtuch kuschele und mich in das weiche Gras setze. "Es gibt nichts, worum du dich sorgen müsstest. Und wenn du wegen heute Abend beunruhigt bist: Gilda sagte mir, ich könne zum Fluss gehen, wenn ich mich danach fühle. Sie meinte, es würde mir helfen, mich zu entspannen, und ich muss sagen, sie hatte Recht."
Er seufzt schwer als er sich mit einem Handtuch um die Schultern neben mich setzt und zum Fluss hinunter blickt, wo kleine Lichtschimmer im Wasser glitzern. Etwas liegt ihm auf dem Herzen, eine Sorge die meine Worte nicht lindern können. Die Blätter rascheln, als ein sanfter Wind sie berührt.
Ich trage ein Kleid derselben Machart wie jene, die ich früher zum Schwimmen trug. Im sanften Wind, der über den Fluss streicht, bietet das dünne, nasse Gewand jedoch keine Wärme für meinen feuchten Körper und ich fröstle. Drogo legt geistesabwesend einen Arm um meine Schultern und zieht mich näher zu sich. Er fröstelt ebenfalls, doch ob vor Kälte oder wegen der Gedanken, die ihn beschäftigen, kann ich nicht sagen. "Was ist los, Drogo?"

Er antwortet nicht sofort, doch sein Griff um meinen Arm wird fester, und eine stumme Angst kriecht in meine Gedanken. Sie umfasst meinen Körper wie eine kalte Hand, die Herz und Seele zwischen ihren Fingern zu erdrücken droht. Als ich mich zu ihm umwende, erkenne ich, dass Drogos Gesicht grimmig ist. Dunkle Schatten liegen darauf wie eine Wolke. Das Herz schlägt mir bis zum Hals und instinktiv lege ich eine Hand auf meinen wohlgeformten Bauch, während ich versuche, den Kloß in meinem Hals zu schlucken. In den vergangenen Wochen hat ihn etwas mehr beschäftigt, als er zugibt und ich fürchte, was der Ursprung seiner Sorgen sein könnte. Es verletzt mich, ihn so zu sehen, und es erfüllt mein Herz mit Angst. Der Wind pfeift in den Baumkronen. Das Geräusch wirkt unheimlich in meinen Ohren. Mit einer sanften Berührung seiner Wange zwinge ich meinen Gatten, mich anzusehen, und obwohl er den Blick gesenkt hält, suche ich in seinen Augen nach einer Antwort und bin verwundert, ungeweinte Tränen darin funkeln zu sehen. Dass er so bekümmert ist, trifft mich unvorbereitet, und ich spüre augenblicklich Tränen in mir aufsteigen. Die Schlinge der Angst zieht sich zu. Ich möchte etwas sagen, ihn trösten, doch ich finde keine Worte, als er mich plötzlich in eine feste Umarmung zieht und offen zu weinen beginnt. Für einen Moment bin ich vollkommen bestürzt und nicht in der Lage mich zu bewegen, ihn zu trösten oder auch nur zu atmen. Wann habe ich ihn zum letzten Mal weinen gesehen? War das überhaupt je der Fall? Mehr Tränen steigen in mir auf während ich vorsichtig meine Arme um ihn schlinge und versuche, ihn zu beruhigen. Was ist geschehen? Was hat ihn zerbrochen, wenn ich ihn doch stark und ganz an meiner Seite brauche?

"Es tut mir Leid", schluchzt er und entlässt mich aus der Umarmung, wobei er es vermeidet, mir in die Augen zu sehen. "Ich wollte dich nicht beunruhigen."
Er sieht mitgenommen aus und der traurige, verstörte Ausdruck auf seinem Gesicht bricht mir beinahe das Herz. Erst jetzt begreife ich, dass auch meine Hände zittern.
"Aber das hast du getan", antworte ich mit tränenerstickter Stimme. "Was ist los, Drogo? Was ist geschehen?" Ich weiß, dass er in meinen besorgten Augen wie in einem offenen Buch lesen kann. "Bitte, sag es mir", flehe ich ihn an, als er langsam den Kopf hebt.
Er seufzt schwer und blickt erneut zum funkelnden Wasser. Die Sonne geht langsam unter und der östliche Horizont nimmt einen blassen Rotton an. Die Spuren von Tränen glitzern auf seinen Wangen und ich wische sie zärtlich mit dem Handrücken fort. Der enge Knoten der Furcht in meinem Bauch bleibt bestehen und ich kann nur hoffen, dass Drogo mir sagen wird, was ihm das Herz schwer macht. Ich weiß nicht, was ich noch tun könnte, um ihn zu trösten.

"Ich bin besorgt", gibt er schließlich zu und blickt mir in die Augen, die Stirn in Falten gelegt, "besorgt um dich und", er schluckt schwer und wirft einen kurzen Blick auf meinen Bauch, "unser Kind."
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu erwidern, um zu versichern, dass es keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen, aber ich muss feststellen, dass ich meine Stimme verloren habe.
"Ich könnte es nicht ertragen, wenn du eine weitere Fehlgeburt hättest."

Meine Augen weiten sich. Ich habe lange nicht daran gedacht, dass ich mein Kind verlieren könnte, und wenn doch war es immer Drogo, der mir sagte, dass ich mir keine Sorgen machen solle und dass alles gut gehen würde. Er war stark wenn ich zu schwach und verzweifelt war, um meine anhaltenden Ängste zu bekämpfen. Doch nun ist er es, der das Schlimmste annimmt. Ich habe nie gedacht, dass er sich darüber ebenso den Kopf zerbricht wie ich, mir nie vorgestellt, wie tief seine Sorgen gingen. Ohne nachzudenken nehme ich sein Gesicht in meine Hände und küsse ihn. Er schließt seine Augen und lässt zu, dass eine weitere Träne über seine Wange rinnt.

"Ich werde unser Kind nicht verlieren, Drogo, nicht dieses Mal", flüstere ich als ich nach einem scheinbar endlosen Moment von seinen Lippen ablasse.
Er schluckt schwer und legt seinen Kopf auf meine Brust wo ich ihn festhalte und sanft sein Gesicht liebkose. Mein liebster Drogo versuchte immer, für mich stark zu sein. Ich frage mich, wie lange er diese Gedanken verheimlicht hat. Sanft streicht seine Hand über meinen Bauch, doch unser Baby antwortet nicht.
"Wir wollten so lange ein Kind und es hat mir das Herz gebrochen, dich all die Jahre leiden zu sehen. Aber nun", er bricht ab und nimmt einen tiefen Atemzug. "Ich meine, ich habe mein Kind nie zuvor gefühlt, oder die Veränderung so deutlich an dir gesehen. Ich kann nicht aufhören an unser Kind zu denken und ich kann es nicht erwarten, das Kleine in meinen Armen zu halten, und", er macht eine weitere, verstörte Pause und ich kann ihn unter meiner Berührung zittern fühlen. "Ich könnte es nicht ertragen, wenn all unsere Hoffnungen noch einmal zerschlagen werden."

Ich kenne seine Sorgen, kenne sie nur zu gut, aber ich weiß auch, wie man sie ersticken kann. Ich nehme einen tiefen, erleichterten Atemzug und sehe ihn ernst an. Ich weiß, dass er einen Teil der Hoffnung, die ich in meinen Augen halte, sehen muss. "Sie werden nicht zerschlagen, Drogo. Ich fühle, dass das nicht der Fall sein wird. Du wirst es vielleicht nicht verstehen, aber ich weiß, dass es unserem Kind gut geht. Dieses Mal wird nichts geschehen. Ich habe mich nie so gefühlt wie jetzt und ich kann dir versichern, ich werde nichts tun, wozu ich mich nicht in der Lage fühle. Ich war ebenfalls besorgt um unser Kind, doch ich bin es nicht länger, weil ich weiß, dass alles gut ist. Ich kann ihn, oder sie verstehen, Drogo. Unser Kind lässt mich wissen, wenn etwas nicht in Ordnung ist und bisher verläuft alles so, wie es soll. Gilda ist auch voller Erwartung. Sie sagt, unser Kind wird in spätestens zwei Monaten geboren sein und ich denke nicht, dass bis dahin etwas schief gehen wird. Nicht wenn ich mich so fühle, wie im Augenblick."
"Bist du sicher?" Seine Stimme ist noch immer schwach und zweifelnd. Wenn er mir nur glauben würde. Wenn er nur fühlen könnte, was ich fühle.
Wieder nehme ich sein Gesicht in meine Hände und lehne meine Stirn gegen seine, um tief in seine grünen Augen zu blicken. "Ja", flüstere ich und küsse ihn sanft auf die Lippen, "dieses Mal bin ich mir sicher."
Ein Zittern geht durch seinen Körper, als der Wind die letzten Wassertropfen auf seiner entblößten Brust trocknet. Er hält seine Augen geschlossen und für einen langen Augenblick gibt es nichts außer dem Flüstern des Windes und dem stillen Gurgeln des Wassers.

Als er seine Augen wieder öffnet, erhellt ein unerwartetes Lächeln seine Züge. Mehr brauche ich nicht, um den Knoten der Angst und alle Sorgen zu vergessen. Er glaubt mir.
"Also, Gattin", lässt er mich verschmitzt wissen. "wenn du so viel weißt, dann kannst du mir bestimmt auch sagen, ob wir einen kleinen Jungen oder ein Mädchen erwarten?"
"Einen Jungen", antwort ich nüchtern, obwohl ich nicht die leiseste Ahnung habe. Es tut gut ihn Lächeln zu sehen. Der verwirrte Blick, den er mir jetzt schenkt, lässt mich schmunzeln. "Oder womöglich wird es ein Mädchen. Woher soll ich das wissen, du dummer Hobbit?"

Ohne weitere Erklärung winde ich mich etwas unbeholfen aus seiner Umarmung und eile zurück zum Fluss. Kleine Wassertropfen funkeln in vielen verschiedenen Farben und spritzen in alle Richtungen. Ich halte inne und blicke erwartungsvoll zu meinem Gatten. Drogo sitzt noch immer im Gras, obwohl er seinen Körper nun auf seine Ellbogen stützt.
"Drogo Beutlin, wirst du wohl deine Sorgen beiseite schieben und ins Wasser kommen!"
Er grinst verschmitzt und streicht demonstrativ einige Wassertropfen von seiner Hose. Kopfschüttelnd spritze ich eine handvoll Wasser in seine Richtung. "Faulpelz!"

12. Wedmath 1368



Liebes Tagebuch,

es kann doch nicht so schwer sein, einen Namen zu finden! Ich meine, immerhin ist es nur ein Name. Trotzdem haben Drogo und ich uns heute Nachmittag beinahe gestritten, weil wir uns nicht einigen konnten. Ich meine, Fosco - Drogos Vater in allen Ehren - ist kein Name für meinen Sohn.

Und warum nicht Päonie? Ich mag den Namen. Weil Päonie Beutlin, Tochter von Posco und Nelke im vergangenen März achtzehn wurde. Warum kann es nicht zwei Päonies geben? Immerhin wäre diese Päonie meine Päonie und Drogos, und nicht irgendeine Tochter von Posco und Nelke.

Wir sprechen jetzt schon seit zwei Wochen über Namen und haben immer noch keine Lösung gefunden. Heute Nachmittag versuchte Drogo ein Bett für unser Kleines aufzubauen, während ich eine Decke und einen Vorhang bestickte. Und auch da diskutierten wir wieder hitzig.

Drogo schlug sogar Folco vor, was genau so schlimm ist, wie Fosco. Ich schlug dann etwas scharfzüngig vor, wir könnten auch Bungo in die engere Auswahl nehmen. Er weiß, dass ich diesen Namen nicht ausstehen kann, und trotzdem antwortete er: "Warum nicht?" Würde ich mich nicht so träge fühlen, hätte ich ihn geohrfeigt!

Ich will doch nur einen schönen Namen für mein Kind und Fosco und Folco sind nun mal alles andere als schön - zumindest nicht schön genug. Trotzdem bin ich, zumindest wenn es um Jungennamen geht, ziemlich ratlos. Ich will keinen typischen Brandybock-Namen wie Marmadoc, denn immerhin wird mein Kind kein Brandybock sein. Und trotzdem finde ich nichts anderes, das mir gefallen könnte. Minto, vielleicht, aber… oh, diese Jungennamen machen mich noch verrückt!

Für ein Mädchen würde ich gerne Päonie nehmen, aber Drogo lässt das niemals zu. Es soll keine zwei Päonies in derselben Familie und derselben Generation geben. Er würde unser Kind lieber Margerite oder Viola nennen.

Ich denke, es ist an der Zeit für eine Entscheidung. Da die Mädchennamen, die er aussucht, nicht allzu schlecht sind, soll Drogo sich für einen entscheiden. Ich nehme mir dafür das Recht einen Jungen zu benennen. Wenn ich doch nur einen passenden Namen finden könnte.

9. Halimath 1368


Liebes Tagebuch,

Gilda besucht mich jetzt fast jeden Tag und darüber bin ich froh. Vor zwei Tagen hatte ich leichte Wehen und für eine Weile fürchtete ich, ich würde mein Kind ohne meine Geburtshelferin zur Welt bringe müssen. Aber es ist noch nicht an der Zeit. Gilda meint, es dauert noch mindestens bis zur nächsten Woche.

Sie hatte versprochen, dass sie mich an dem Tag besuchen kommen wird, also brachte mich Drogo ins Bett und wir warteten gemeinsam auf sie. Meine Schmerzen hatten kurz vor dem Mittagessen begonnen, wurden aber nicht stärker bis zur Teestunde, als Gilda kam. Nachdem sie mich untersuchte, versicherte sie mir rasch, dass alles in Ordnung wäre und dass mein Kind sich nur auf die Geburt vorbereitet.

Der Gedanke trifft mich. Mein Kleines macht sich bereit einen Blick auf diese Welt zu werfen und ich kann nichts tun, außer hier zu liegen, weil Gilda verlangt hat, dass ich im Bett bleibe. Es ist wenig übrig, das ich noch tun könnte. Wir haben alles vorbereitet. Das Zimmer ist fertig, das Bett steht bereit und ich habe Windeln, Kleider und alles was mein Kind sonst noch braucht. Ich kann wirklich nichts mehr tun außer zu warten.

Trotzdem, hier zu sitzen und zu warten, macht mich wahnsinnig. Drogo achtet darauf, dass ich das Bett nicht verlasse und war sogar dagegen, dass ich mich hinsetze um zu schreiben. Immerhin konnte ich ihn überzeugen, dass ich etwas tun musste. Er war nicht sehr glücklich darüber und kommt alle paar Minuten um nach mir zu sehen, fast so, als wäre ich todkrank. Ich kann ihm seine Nervosität nicht vorhalten, schließlich bin ich selbst etwas kribbelig.

Bin ich bereit für ein Baby? Alles wird sich ändern, wenn das Kleine erst da ist. Ich werde eine Mutter sein, und nicht nur jemand, der sich vorstellt, wie es sein könnte. Kann ich das bewältigen? Werde ich in der Lage sein, meinem Kind zu geben was ein Baby braucht? Ich habe nie auf Babys Acht gegeben, außer auf Saradoc und Merimac und einige andere Kinder im Brandyschloss. Aber das ist lange her und ich hatte immer die Möglichkeit, die Kinder ihren Müttern zurückzugeben, wenn ich mit einer Situation nicht zurecht kam. In wenigen Tagen werde ich die Mutter sein und ich werde diejenige sein, die jede Situation meistern muss.

Ich bin aufgeregt, mein Kleines, aber ich werde mein Bestes versuchen. Sei nicht zu streng mit deiner Mutter.

Die Zeit wird knapp und ich habe noch immer keinen passenden Namen. Drogo hat sich endlich für Margerite entschieden und ist jetzt sehr begierig zu hören, welchen Namen ich für einen Jungen ausgesucht habe. Etwas, das ich längst hätte tun sollen, aber ich habe immer noch keinen gefunden. Mein Kind wird etwas Besonderes sein und verdient einen besonderen Namen, nicht einen so gewöhnlichen wie Minto.

So wenige Tage sind übrig. Ich hoffe, alles wird gut gehen.

20. Halimath 1368


Liebes Tagebuch,

bevor Gilda mir erlaubt hat, wieder aufzustehen habe ich Schals für die ganze Familie gestrickt, eine Weste für Drogo, eine wollene Mütze für mein Kleines und einen Umhang, den ich mir in den kälteren Monaten um die Schultern werfen kann. Ich glaube, wenn ich noch ein weiteres Wollknäuel sehe, dann schreie ich.

Wo bleibst du, Kleines? Gilda sagt, du solltest inzwischen hier sein. Sie haben mich aufstehen lassen, um die Wehen einzuleiten, aber wie es scheint, bist du nicht gewillt meinen gemütlichen Leib zu verlassen. Und doch glaube ich, dass es dort drin nicht mehr allzu gemütlich sein kann, nicht wahr? Inzwischen wirst du es recht eng haben, mein Liebes. Du bist ordentlich gewachsen in den vergangenen Wochen -mein Bauch ist riesig und schwer, und der Rücken tut mir weh.

Bilbo kam vor drei Tagen an, begierig mein Kind zu sehen. Er ist noch ungeduldiger als Drogo und ich. Als Gilda ankam, hat sie ihm gesagt, er soll im Brandyschloss bleiben, bis das Kind geboren ist und ich bin froh darum. Seine Aufgeregtheit machte mich noch nervöser, als ich es sowieso schon bin.

Trotzdem freut es mich, dass Bilbo nach Bockland gekommen ist, um einen Blick auf den neuen Beutlin zu werfen. Und das nur zwei Tage vor seinem Geburtstag - eine Tatsache über die er ständig scherzt. Er meint, mein Kind wartet bestimmt bis zu diesem Tag, um geboren zu werden. Ich frage mich, ob er Recht hat. Immerhin ist es ziemlich ironisch, dass mein Kind, nachdem es es letzten Monat so eilig hatte, jetzt, da es an der Zeit wäre, plötzlich nicht mehr kommen will. Bilbo mag zwar sein Vetter sein, doch er benimmt sich mehr wie ein Onkel und spricht von Geschichten, die er meinem Kind erzählen will und von Abenteuern, auf die er mit ihm gehen will. Abenteuer! Nicht mit meinem Kind, mein lieber Bilbo! Zumindest nicht, bis mein Baby um einiges älter ist.

Im Augenblick führt Gilda den Haushalt mit ein wenig Hilfe von mir. Sie kam gestern Morgen hier an und nachdem sie Bilbo und Drogo fort geschickt hatte, begann sie aufzuräumen. Dadurch, dass ich bis letzte Woche das Bett hüten musste, gibt es einiges zu tun. Nicht, dass Drogo nicht in der Lage wäre, für sich selbst zu sorgen, aber er saß lieber an meiner Seite, anstatt sich um die Wäsche oder die Küche zu kümmern. Letztere ist in einem ziemlich schlechten Zustand, kann ich nur sagen. Ich bin nicht glücklich über die Unordnung, die ich Gilda nun überlassen muss, aber sie meint, es macht ihr nicht aus, auch wenn ich ihr das nicht so recht glauben will. Trotzdem bin ich froh, dass sie bei mir ist. Sie hat einen beruhigenden Einfluss auf mich und ich bin sehr viel ruhiger, seit sie hier ist. Sie wird bleiben, bis mein Kind geboren ist, und sich um alles kümmern. Außerdem hält sie mich davon ab, vor Langeweile völlig tobsüchtig zu werden.

Alles ist bereit, mein Kind. Du kannst kommen, wann immer du willst.

22. Halimath 1368


"Auf Primula und deinen Sohn!" rief Saradas Brandybock und hob seinen Krug. Drogo und andere Hobbits im Springenden Hecht folgten seinem Beispiel.

Drogo leerte seinen Krug mit einem Zug. Er strahlte vor Stolz und Freude. Primula hatte ihn mitten in der Nacht geweckt, weil ihre Wehen eingesetzt hatten. Er war sofort auf den Beinen und wich ihr nicht von der Seite, bis sein Kind eine Stunde vor dem Mittag geboren war. Er war so krank vor Sorge gewesen, dass Menegilda scherzhaft feststellte, er sähe schlimmer aus als Primula. Sie würde sich fragen ob er das Kind zur Welt bringt und nicht seine geliebte Gattin. Zu dem Zeitpunkt hatte er darüber nicht lachen können, Primula jedoch schon, und darüber war er froh gewesen.

Jetzt war er allerdings in der Lage, die Komik der Situation zu erkennen. Primula hatte ihm einen gesunden und kräftigen Sohn geschenkt und das war alles, was zählte. Seine Sorgen und Mühen waren vergessen, sein Herz unbeschwert. Drogos ganze Aufmerksamkeit gehörte dem kleinen Baby, das aus Leibeskräften protestiert hatte, als Gilda es sanft in eine Decke gewickelt und es in die wartenden Arme seiner Mutter gelegt hatte. Oh, die Tränen der Freude, die er vergossen hatte, als er das kleine Bündel das erste Mal betrachtet hatte. Dunkles Haar klebte an der unzufriedenen, gerunzelten Stirn des Babys und ein zahnloser Mund öffnete sich, eifrig die Einwände des Kleinen kundzutun. Sobald das Kind aber in den Armen seiner Mutter lag, beruhigte er sich und war still. Drogo fragte sich, ob er vielleicht eingeschlafen wäre, hätte Gilda es erlaubt. Die Geburtshelferin hatte den Kleinen jedoch mitgenommen, um ihn zu waschen und ihn zu untersuchen. Primula war nicht allzu froh darüber gewesen, aber sie wusste, dass die Hebamme sich gut um ihren Sohn kümmern würde und wartete geduldig.

Drogo hatte seine Frau geküsst und war mit Menegilda gegangen, um das Baby zu waschen. Diese Arbeit würde später seine Aufgabe sein, wenn es denn Arbeit genannt werden konnte, und so hatte er mit begeisterter Aufmerksamkeit zugesehen. Danach ging er zu seiner Liebsten zurück, die inzwischen sehr müde aussah. Er blieb bei ihr und gemeinsam bewunderten sie ihr Kind, bis sie sich endlich der Erschöpfung überließ und ihre Atmung langsam und ebenmäßig wurde. Er küsste sie noch einmal, seine liebe, tapfere Primula, ehe er lange auf seinen zufrieden schlafenden Sohn blickte, der in einem Kinderwagen lag, den Menegilda neben das Bett gestellt hatte. Sein kleines Gesicht war so süß und unschuldig, und seine kleinen Fäuste so zerbrechlich und doch stark. Es schien so unwirklich endlich Vater zu sein, aber Drogo wusste ohne jeden Zweifel, dass er der Vater dieses wunderschönen Kindes war und sein Herz zersprang fast vor Liebe für seinen neugeborenen Sohn und die Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte.

Es war schwer sie aus den Augen zu lassen, aber beide brauchten ihre Ruhe und so war er nach Bockenburg gegangen, um jedem von seinem unglaublichen Glück zu erzählen. Im Springenden Hecht hatte er genügend Zuhörer gefunden, um die gute Nachricht im ganzen Bockland, und womöglich im ganzen Auenland, zu verbreiten. Das Gasthaus roch nach Bier, Met und Pfeifenkraut, Gerüche die vom Duft von frischem Speck und gerösteten Kartoffeln noch beinahe übertroffen wurden. Schummerige Lampen tauchten den Schankraum in ein schwaches, einladendes Licht. Nachdem sie ihm gratuliert hatten, waren die anderen Gäste an ihre Tische zurückgekehrt, um ihr Mahl zu beenden und jegliche Unterhaltung, in die sie vor Drogos Ankunft vertieft gewesen waren, fortzuführen.

Saradas klopfte ihm auf die Schulter. "Also, wann werde ich meinen Neffen sehen, Beutlin?"
"Nicht vor morgen", antwortete Drogo mit einem Lächeln. "Primula braucht etwas Ruhe, genau wie mein Sohn."
"Ich hoffe, du passt gut auf meine Schwester auf", sagte Saradas ernst, wobei er den Rest seines Kruges leerte und sich neben Drogo an den Tisch setzte.
"Glaub mir, das werde ich", lachte Drogo und zog seine Pfeife aus seiner Brusttasche. Er hatte es eindeutig verdient, jetzt zu rauchen. Saradas folgte seinem Beispiel und Drogo reichte ihm sein Pfeifenkraut, um es mit seinem Schwager zu teilen. "Nach dem heutigen Tag liebe ich sie noch mehr als zuvor, wenn das überhaupt möglich ist."
Saradas lachte. "Was sollten wir sonst tun, außer sie zu lieben? Wir haben keine andere Wahl."

Seine Augen leuchteten vor Freude als Drogo an seiner Pfeife paffte. Die Stärke, die seine liebste Frau den ganzen Morgen über gezeigt hatte verwunderte ihn. Er hatte versucht, sie, so gut es ging, zu unterstützen, hatte ihre Hand gehalten, ihre Stirn gewischt und ihr allen Unsinn erzählt, der ihm eingefallen war, um sie zu beruhigen. Er konnte allerdings nicht sagen, wen er mit seinen geflüsterten Worten mehr hatte beruhigen wollen - sich selbst oder Primula - denn er hatte bald feststellen müssen, dass es keine leichte Aufgabe war, ein Kind zur Welt zu bringen. Dass sie für ihre Liebe solche Strapazen auf sich nahm, sorgte dafür, dass er sich demütig und geschmeichelt zugleich fühlte.

Plötzlich sah Drogo das Gesicht seines Sohnes. Erstaunlich blaue Augen blickten ihn fragend durch lange, dunkle Wimpern an. Er war sich nicht sicher, ob die Augen seines Sohnes so blau bleiben würden oder ob sich ihre Farbe noch änderte, aber er hatte nie so außergewöhnliche Augen gesehen und das freute ihm. Sie machten seinen Sohn selbst im Aussehen einzigartig. Frodo wollte Primula ihn nennen und das gefiel Drogo ebenfalls. Er hatte in den vergangenen Monaten über viele Namen nachgedacht, und selbst nachdem Primula festgelegt hatte, dass er sich nur über Mädchennamen Gedanken machen sollte, hatte er sich auch einige Jungennamen ausgedacht. Er war recht neugierig gewesen, welchen Namen seine Gattin ausgesucht hatte, aber sie wollte es ihm nicht sagen. Erst als sie ihren Sohn zum ersten Mal in den Armen hielt, hatte sie ihn genannt. Drogos Herz hatte vor Freude geschmerzt. Frodo. Es war perfekt. Er wusste keinen Namen, der besser zu seinem Sohn passen würde.

Drogo lächelte im schwachen Licht des Gasthauses. Frodo Beutlin. Der Name würde im Gedächtnis bleiben.


23. Halimath 1368



Es scheint als hätte ich mein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet und jetzt habe ich dich. Eingewickelt in eine Decke liegst du schlafend in meinen Armen. Kleine Flecken Sonnenlicht tanzen über deine rosigen Wangen, aber wenn sich das Licht dieses schönen Morgen nicht in deinem Gesicht gespiegelt hätte, hätte ich ihn nicht bemerkt. Dein süßes Gesicht. Winzig kleine Nase, Pausbäckchen und rosige Lippen verzaubern mich, aber deine Augen, versteckt hinter langen, dunklen Wimpern, sind erstaunlich. Ich frage mich, ob sie so bleiben werden und vom wem du sie hast. Meine Mutter hatte ein wenig Blau in ihren Augen, aber sie waren weit von dem schimmernden Farbton, der mich anlächelt, wenn du wach bist. Ein Blau wie der Himmel am ersten klaren Frühlingsmorgen nach einem langen, grauen Winter.

Ich kann nicht aufhören, deine kleine Hand mit ihren kleinen, aber starken Fingern zu streicheln oder mit den kleinen, nackten Füßen und den kitzligen Zehen zu spielen. Selbst während du schläfst, streichen meine Finger sanft über die weiche Haut deiner Wange.

Deine Atmung ist sanft und ich bin schon in das bloße Geräusch verliebt. Mein kleiner Sohn, wie sehr liebe ich dich! Ich könnte den Rest meines Lebens damit verbringen, dich anzusehen, dich festzuhalten, ohne es jemals leid zu werden.

Mein kleines Kind - mein Frodo - wie habe ich diesen Moment herbeigesehnt! Ich kann immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Bist es wirklich du, den ich für neun Monate in mir getragen habe? Bist du es, den ich strampeln und treten gefühlt habe? Gehörst du mir, oder ist das alles nur ein Traum und ich werde wieder alleine sein, wenn ich aufwache?

"Primula, Liebste, bist du in Ordnung?" Gildas Stimme ist leise, doch sie erschreckt mich trotzdem. Du reagierst sofort, runzelst die Stirn und öffnest deinen Mund um zu protestieren, aber die Decke aus Schlaf hüllt dich ein bevor du die nötige Stimme findest, um zu weinen.

"Ja", flüstere ich, ohne die Augen von meinem Kind zu nehmen. Ich nehme einen tiefen Atemzug und lasse die wortlose Unterhaltung mit meinem Baby hinter mir, um mich Gilda und der Welt um mich herum zuzuwenden. "Ich war nur in Gedanken."

"Beschwerliche Gedanken, fürchte ich", sagt sie besorgt, als sie sich neben mir auf das Bett setzt und eine Träne von meiner Wange wischt.

Ich schüttle meinen Kopf und lächle. "Nein, meine Freundin. Das sind Tränen der Freude, denn ich kann noch immer nicht glauben, dass dieser Segen mir gehört." Sie erwidert das Lächeln, während ich weiter spreche. "Ich habe mit ihm geredet, aber nur in meinen Gedanken, aus Angst, ich könnte seinen wertvollen Schlaf stören."

"Ich bezweifle, dass sein Schlaf leicht gestört wird", versichert Gilda mir, während sie meinen Kleinen anschaut. "Hast du Drogo schon gesagt, dass du den Namen für Frodo erst hattest, als du ihn gesehen hast?"

"Er wäre entsetzt", lasse ich sie schmunzelnd wissen. "Er hat sich so viele Gedanken um einen Mädchennamen gemacht, er wäre völlig neben sich, wenn ich zugeben würde, dass ‚Frodo' ganz einfach das Erste war, das mir einfiel, als ich mein Baby sah."

Sie lacht. "Vielleicht wäre es besser, wenn du noch etwas wartest, ehe du es ihm erzählst."

Jemand klopft an der Eingangstür und Gilda hebt überrascht den Kopf. "Ich hoffe ihr beide seit bereit für eure ersten Gäste", sagt sie.

"Ich denke, wir sind soweit", nicke ich lächelnd, als sie aufsteht, um unsere Gäste zu empfangen. Ich streiche durch die dünnen, seidigen Locken meines Sohnes. Sie haben dieselbe Farbe wie die von Drogo. "Mach dir keine Sorgen, Frodo, mein Lieber. Selbst wenn du dieses Familientreffen verschläfst, wirst du genug Zeit haben, sie wieder zu sehen. Du musst wissen, dass dein Onkel Bilbo schon mehrmals nach dir gefragt hat. Er freut sich mehr als alle anderen darauf, dich zu sehen. Dein Onkel ist ein seltsamer Kerl, Kleiner. Er steckt voller Geschichten und Unsinnigkeiten. Ich glaube, du wirst ihn mögen. Wenn du allerdings wie deine Mutter bist, wirst du bald genug von neugierigen Verwandten haben. Aber wenn das deine schlimmsten Sorgen sind, dann wird dein Leben außergewöhnlich glücklich verlaufen. Schlaf du nur weiter, mein Lieber, deine Mama wird sich um den Rest kümmern."

10. Winterfilth 1368



Liebes Tagebuch,

eine Mutter zu sein ist nicht so leicht, wie ich dachte. In den vergangenen Wochen habe ich nie länger als vier Stunden am Stück geschlafen, und ich bin erschöpfter als jemals zuvor. Trotzdem könnte ich nicht glücklicher sein.

Mein kleiner Frodo ist ein Schatz, obwohl sein Leben mehr aus Schlafen besteht als aus irgendetwas anderem. Aber selbst wenn er schläft, ist er hübscher als alles das ich je gesehen habe. Jedem Nickerchen geht ein riesiges Gähnen voraus, und selbst diese einfache Geste verzaubert mich. Sein kleiner, rosa Mund öffnet sich ganz weit, seine Augen schließen sich und dann schmatzen seine Lippen - perfekte, kleine Blütenblätter - ganz leise, während seine Atmung sanfter wird und er einschläft. Er ist absolut reizend wenn er sich so wohl fühlt.

Aber wehe dem, der ihn stört! Mindestens einmal am Tag - vor allem während seinem Bad oder dem Anziehen - schreit er aus Leibeskräften und wehrt sich mit aller Kraft. Und Kraft hat er! Mehr, als ich es einem so empfindlichen Wesen zugetraut hätte. Er ist noch immer so klein, aber mein Frodo ist ein kleiner Kämpfer und selbst nach der kurzen Zeit in der ich ihn kenne, kann ich einen Teil der Sturheit seines Vaters in ihm erkennen.

Am Tag seiner Geburt konnte ich nicht glauben, dass er neun Monate in meinem Leib war. Jetzt fällt mir dieser Gedanke noch schwerer, obwohl ich inzwischen erkannt habe, dass er wirklich zu mir und Drogo gehört und nicht verschwinden wird, wenn wir ihm den Rücken zudrehen. Natürlich hält mich das nicht davon ab, mir Sorgen zu machen, sobald ich ihn einmal aus den Augen lasse. Er ist schließlich mein Liebling und ich möchte ihn beschützen, ganz egal wie klein seine Sorgen sein mögen. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen, weiß nicht einmal mehr, wie es war, bevor er geboren wurde. Nie war mein Leben so erfüllt wie jetzt. Worin könnte ich meine ganze Kraft legen, wenn nicht in mein liebstes Kind?

Gilda blieb die ersten Tage bei mir und zeigte mir, wie ich ihn waschen, wickeln und stillen muss. Als sie sicher war, dass ich alleine zurecht kommen würde, ging sie zum Brandyschloss zurück. Sie hat mir jedoch versichert, dass sie immer erreichbar ist, wenn es Probleme gibt. Am Anfang war ich sehr aufgeregt, aber bis jetzt habe ich jede Situation bewältigen können. Frodo geht es außerordentlich gut. Er ist ein wenig gewachsen und so gesund, wie ich es mir nur wünschen kann.

Drogo hat sich schnell an seine neue Rolle als Vater gewöhnt. Ich bin froh, dass er nicht mehr auf den Feldern sein muss und in der Lage ist, mir zur Hand zu gehen. Er ist sehr stolz auf seinen Sohn, und strahlt vor Freude, wann immer er ihn ansieht. Sein Grinsen, das mich sehr an den jungen Mann erinnert, den ich einmal geheiratet habe, wird sogar noch breiter, wenn Leute nach dem kleinen Frodo fragen.

Bilbo besucht uns fast jeden Tag, obwohl er im Brandyschloss untergebracht ist. Er ist verrückt nach unserem lieben Frodo. Er macht Scherze darüber, dass er das Bockland nicht verlassen wird, bis wir drei versprechen, mit ihm nach Beutelsend zu kommen, um dort zu leben. Ihn mit Frodo im Arm zu sehen, bringt Tränen in meine Augen. Ich glaube, er begreift jetzt, was ihm in seinem Leben fehlte. Er ist so behutsam mit meinem liebsten Baby und erzählt ihm schon jetzt Geschichten von weit entfernten Orten. Wenn Bilbo so weitermacht, wird Frodo Geschichten genauso lieben und genauso eifrig sein, welche zu hören, wie Drogo, als er noch ein Kind war. Ich kann sehen, dass Frodo Bilbo ebenfalls liebt. Er beschwert sich selten, wenn der alte Hobbit ihn in seine Arme nimmt und hört den sanften Worten seines Onkels aufmerksam zu. Für gewöhnlich schaut Frodo mit leuchtenden Augen zu ihm auf, und der flüchtige Schatten eines Lächelns liegt auf seinem Gesicht. Ein Lächeln, das Bilbos Herz genauso zum Schmelzen bringt, wie es sich in meines gebrannt hat. Wenn ich die beiden zusammen sehe, kann ich mir nicht erklären, weshalb Bilbo nie eine eigene Familie gegründet hat. Er wäre ein wundervoller Vater.

Oh, mein liebes Kind! Dieses Lächeln ist das größte Geschenk, das du mir machen kannst. Es berührt mein Herz und füllt es mit der Wärme von Liebe und Licht.

19. Blothmath 1368


Ich kann nicht aufhören, sie zornig anzustarren. Drogo hat mich schon warnend angesehen, aber ich kann nicht aufhören. Er weiß, dass ich sie nicht ausstehen kann. Obwohl sie so behutsam mit Frodo umgeht, wie ich es mir nur wünschen kann, ist sie schon zu weit gegangen. Ich glaube, sie kann nicht anders.

Ich habe mich wirklich darauf gefreut, Drogos Bruder wieder zu treffen. Ich mag Dudo und Laura und ihre zwei Kinder, aber Dora, seine Schwester, ist mir ein Dorn im Auge. Sie ist aus Überzeugung unverheiratet, und ein zänkisches altes Weib noch dazu. Sie ist gegen mich seit dem Tag an dem Drogo und ich uns begegnet sind. Ich weiß nicht, was der Grund für ihre Abneigung gegen die Brandybocks ist, aber das ist alles, was sie in mir sieht: diese Brandybock, das Mädchen von der falschen Seite des Flusses.

Selbst heute konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie hatte Frodo im Arm, und obwohl er unruhig war, hat er nicht geweint. Sie sagte, er wäre hübsch, aber gerade als ich mich für das Kompliment bedanken wollte, lehnte sie sich zu Dudo und flüsterte in einem Ton, gerade laut genug, dass ich sie hören konnte: "Ein Wunder, wenn man bedenkt, wer seine Mutter ist."

Dudo und Drogo haben sie beide wütend angesehen, aber sie hat sie nicht beachtet. Wenn Drogo nicht wäre, hätte ich sie aus der Smial geworfen. Ich will wieder etwas Frieden, etwas Erholung. Ich habe in den vergangenen Wochen genug neugierige Verwandten ausgehalten, um nicht auch noch sie ertragen zu müssen.

"Tante Primie, kann er irgendwas?" Die Frage der zehnjährigen Asphodele weckt mich aus meinen Gedanken. Ich runzele die Stirn, nicht ganz begreifend.

"Dummkopf", stellte Klein-Maie, Asphodeles ältere Schwester fest. "Er ist ein Baby. Was denkst du, soll er tun?"
Das Mädchen zuckt mit den Schultern und sieht zu meinem Kind, das in Lauras Armen liegt. Seine großen, blauen Augen folgen jeder ihrer Bewegungen.

"Er ist hinreißend", bemerkt Dudos Frau und sieht mit einem Lächeln im Gesicht zu mir auf. Ihr Finger berührt sanft Frodos Nasenspitze. Frodos Augen wandern von den jungen Mädchen zu dem Finger. Er runzelt die Stirn, angestrengt darum bemüht, seine Nase zu sehen. Frustriert windet er sich und öffnet seinen Mund, um seinem Unmut Luft zu machen, aber Laura lacht und lässt von seiner Nase ab, um stattdessen beruhigend über seine Wange zu streicheln.

Laura sitzt in einem Schaukelstuhl am Feuer, während Drogo seine Geschwister am Esstisch unterhält. Er hält eine meiner Hände, versucht wahrscheinlich, mich zu beruhigen, denn ich sehe immer noch wütend zu Dora, die meinen Blick nicht minder unfreundlich erwidert. Aber als ich mein Kind weinen höre, vergesse ich Dora. All meine Aufmerksamkeit gehört Frodo. Ich lasse Drogos Hand los und gehe zu ihm. Über Lauras Schulter blicke ich auf mein kostbares Baby. "Aber, aber, mein Liebling. Es gibt keinen Grund zu weinen", murmle ich und Frodo wird fast augenblicklich still, während er mein Gesicht aus tränenverschleierten Augen ansieht.

Ich lächle ihn beruhigend an, aber er lächelt nicht wie sonst zurück. Stattdessen fängt er wieder an zu weinen. Ich bitte Laura, ihn mir zu geben und wiege ihn in meinen Armen, versuche, ihn einzulullen, doch es hat keinen Sinn.

"Vielleicht ist er hungrig", sage ich zu Laura und wickle seine Decke um ihn. Es ist noch nicht an der Zeit ihn zu füttern, aber mit so vielen Besuchern ist es selbst für meinen Sohn schwer, sich an einen Plan zu halten.

Laura legt einen Arm um ihre jüngere Tochter, die den Kopf an ihre Schulter lehnt, und lächelte mich an. "Mach dir um uns keine Sorgen."

Ich nicke ihr dankbar zu, ehe ich mich rasch in das Zimmer zurückziehe, das ich mir mit Drogo teile. Mit einem Seufzen schließe ich die Tür und lehne mich für einen Moment dagegen, um den willkommenen Duft meines Schlafzimmers tief in mich aufzunehmen. Ein Platz der Erholung und des Friedens. Das Feuer im Kamin ist heruntergebrannt, aber es ist angenehm warm und ich begrüße das gedämpfte Licht. Erleichtert gehe ich zum Bett und versuche, mein aufgebrachtes Kind zu beruhigen.

Ich fühle mich erschöpft bis zu den Knochen. Ich sehne mich nach einer Nacht mit vernünftigem Schlaf, doch noch mehr wünsche ich mir etwas Frieden. Im vergangenen Monat hatte ich nicht einen Tag für mich. Fast jeden Tag kam irgendein Verwandter, um einen Blick auf mein kostbares Baby zu werfen. Entweder das, oder wir gingen zum Brandyschloss. Ich will ein wenig Zeit für mich - für mich, Drogo und Frodo. Ich begrüße Frodos Weinen sogar, denn es gibt mir eine Entschuldigung, mich für einige Zeit aus der Geschäftigkeit zurückzuziehen.

"Still, mein Lieber", flüstere ich beruhigend. "Was hat dich so aufgeregt?" Ich halte ihn etwas fester und streiche mit der anderen Hand über seine feuchte Wange. "Du hast auch genug von deinen Verwandten, nicht wahr?"

Selbst in der Vertrautheit dieses Raumes will Frodo nicht aufhören zu weinen. Seine pausbäckigen Wangen sind gerötet, die kleinen Händchen zu Fäusten geballt. Ich denke, dass er vielleicht doch hungrig ist. Schnell knöpfe ich meine Bluse auf und biete ihm eine schwere Brust. Frodo zeigt jedoch kein Interesse und strampelt und jammert immer mehr.

Ich seufze, als plötzlich Tränen in mir aufsteigen. Der Drang zu weinen ist stetig gewachsen und obwohl ich versuche, meine Tränen zu schlucken, gelingt es mir nicht. Sie füllen mir die Augen und verschleiern meinen Blick. Seine Schreie lassen mich noch betrübter werden und ein Gefühl der völligen Hilf- und Aussichtslosigkeit legt sich um mich.
"Nicht, Frodo", flüstere ich, während ich ihn erneut wiege. "Mach deiner Mama keine Sorgen."

Oh, diese Dora! Warum konnten sie und Dudo nicht zu einer anderen Zeit kommen und mir und meiner Familie eine Ruhepause gönnen? Zitternd vor Anstrengung weitere Tränen zurückzuhalten, rutsche ich auf dem Bett zurück und lehne mich gegen das Kopfende. Ruhe, das ist es, was wir beide brauchen, Frodo und ich, denn er ist hungrig. Jetzt kann ich es in seiner Stimme hören.

Mit einem tiefen Atemzug versuche ich, mich zu beruhigen, ehe ich dasselbe bei meinem Kleinen versuche. Leise beginne ich zu singen.


Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.
Stehst hoch über aller Welt,
ein Diamant am Himmelszelt.
Funkle, funkle kleiner Stern,
was du bist, das wüsst ich gern.


Ich singe alle Strophen des Liedes, die ich kenne und bin verwundert, wie sehr es nicht nur mich sondern auch Frodo beruhigt. Er sieht mich an, seine leuchtenden, blauen Augen erforschen mein Gesicht. Ich lächle und glätte seine gerunzelte Stirn zärtlich mit einem Finger. Er ist nicht allzu glücklich darüber und quengelt. Ich lege einen Finger auf seine Lippen, die sich bereits für einen weiteren Widerspruch öffnen. Er saugt sofort daran.

"Kein Grund mir das zweimal zu sagen, mein lieber, kleiner Stern", flüstere ich und schiebe vorsichtig meine Bluse zur Seite. Dieses Mal ist er mehr als willig, sich stillen zu lassen. Ich hole erleichtert Luft, als ich höre, wie er zufrieden schmatzt.

4. Nachjul 1369


Liebes Tagebuch,

entzücktes Quietschen und fröhliches Lachen klingen mir in den Ohren, während ich diese Seiten schreibe. Drogo genießt diesen grauen Winterabend mit Frodo vor dem Kamin. Ich könnte meinen beiden Liebsten stundenlang zusehen. Ich habe Drogo noch nie so glücklich gesehen wie jetzt. Selbst nach drei Monaten strahlt er unseren Kleinen noch so an, wie er es getan hat, als er ihn zum ersten Mal sah.

Er hält daran fest, dass ich genauso entzückt bin und mit noch mehr Stolz strahle als er, und das würde mich kaum verwundern. Mir wurden fast zwei Monate Ruhe geschenkt. Es kamen weniger Verwandte zu Besuch und ich konnte wieder mehr schlafen, denn Frodo schläft seit zwei Wochen nachts durch. Ich bin froh um jedes bisschen Ruhe, das mir gegeben wird, aber genauso genieße ich jede Minute, die ich mit meinem liebsten Kind verbringen kann.

Und ich bin so stolz auf ihn! Wir haben Jul im Brandyschloss verbracht und meinem süßen, kleinen Stern gehörte die ganze Aufmerksamkeit. Jeder einzelne seiner Tanten, Onkel, Vettern und Cousinen wollte einen Blick auf ihn werfen, ihn in den Armen halten oder wiegen. Frodo war voller Ehrfurcht vor so vielen Gesichtern und hat sie mit großen Augen und offenem Mund betrachtet. Aber nicht nur seinen Verwanden gehörte seine Aufmerksamkeit, sondern auch den vielen Kerzen und Lichtern im Brandyschloss, und den zusammen gebundenen Mistelzweigen. Wann immer er eines der olivgrünen, mit Bändern geschmückten Bündel entdeckte, quiekte er voller Freude und Vergnügen, was seine Verwandten sehr erfreute.

Ich denke, es gibt niemanden in der Familie, der sich nicht in meinen kleinen Jungen verliebt hat. Es gab wenige, die in den vier Tagen, die wir im Brandyschloss verbracht haben, nicht mindestens mit einem Lächeln von ihm belohnt wurden. Oh, dieses Lächeln! Man ist machtlos dagegen. Was ich nach einem Monat für ein perfektes Lächeln hielt, ist nichts im Vergleich zu dem Segen, den er mir nun schenkt. Sein ganzes Gesicht leuchtet auf wenn er lächelt, und der Anblick seiner Fröhlichkeit ist atemberaubend. Es füllt mein Herz mit so tiefer Freude, dass es sich anfühlt, als müsse es zerspringen. Und weil Frodo mein Kind ist, mein eigenes, kostbares Baby, bin ich es, die öfter mit diesem Lächeln beschenkt wird als jeder andere. Um nichts in der Welt würde ich mich je wieder von ihm trennen.

Als stolze Mutter ließ ich es mir natürlich nicht entgehen, mit der neusten Errungenschaft meines kleinen Lieblings anzugeben. Frodo sitzt jetzt, nicht lange natürlich und nur mit Unterstützung, aber er sitzt. Meine Brüder und Schwestern waren beeindruckt. Auch Gilda, obwohl sie uns vor Jul besucht hat, war hingerissen. "Er ist ein Schatz", sagte sie mir, ohne die Augen von ihm zu nehmen. "Und er ist ein ganzes Stück gewachsen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Oh, Primie, du hast keinen Grund dich zu sorgen. Ich wusste von Anfang an, dass mit ihm alles in Ordnung sein würde."

Ihre Bemerkung ließ mich vor Stolz und Verlegenheit erröten. Ja, ich habe mir während meiner Schwangerschaft Sorgen gemacht, aber ich konnte nicht wissen, welches Glück mir geschenkt werden würde.

Trotzdem, vier Tage voller Feiern, Unterhaltung, unbekannten Orten und Gesichtern waren selbst für Frodo zuviel. Am Abend des dritten Tages war er quengelig und der vierte Tag war für uns beide eine Qual. Es gab kein schillerndes Lächeln mehr und er weinte, sobald er aufwachte. An diesem Nachmittag habe ich mich in das Zimmer des Herrn zurückgezogen, um Frodo etwas Ruhe zu gönnen. Die Feierlichkeiten haben auch mich erschöpft und ich war erleichtert, als wir am Abend nach Hause gingen, wo unser Leben wieder seinen gewohnten Weg nehmen konnte.

9. Solmath 1369


Liebes Tagebuch,

der Nachjul war ein geschäftiger und erschöpfender Monat. Frodo war krank. Wenige Tage nachdem wir von den Feierlichkeiten im Brandyschloss zurückkehrten, bekam er Fieber. Drogo und ich waren verzweifelt, denn seine klagenden Schreie brachen uns das Herz. Nie zuvor hat er so geweint, nicht einmal während seiner schlimmsten Kolik. Frodo wollte nicht trinken und weigerte sich zu lachen. Wenn er nicht weinte, sah er mich aus diesen mitleiderregenden Augen an, die mich anflehten, ihm zu helfen. Mein Herz verkrampfte sich vor Sehnsucht, ihn zu trösten, aber ich wusste nicht, was nicht stimmte und er konnte es mir nicht sagen. Trotzdem zogen seine Hände immer wieder an seinen Ohren. Ich vermutete, dass sie ihm wehtaten, aber ich wusste nicht, wie ich seinen Schmerz lindern konnte. Ich war so furchtbar hilflos.

Gilda kam um einen Blick auf meinen armen Liebling zu werfen, aber sie konnte auch nicht viel mehr tun, als ich bereits getan hatte. Sie gab ihm Kamillentee, um das Fieber zu senken und sagte mir, dass Frodo eine Mütze tragen muss, ganz gleich, wie wenig ihm das gefiel. Sie riet mir auch einige geschnittene Zwiebeln in ein Taschentuch zu geben und das, unter einem Sack mit warmem Sand, auf die Ohren meines Lieblings zu legen. Die Wärme des Sandes würde die heilenden Dämpfe der Zwiebeln noch verstärken, oder so sagte sie zumindest. Anfangs war ich skeptisch, aber ich versuchte es trotzdem. Die Behandlung half ein wenig, aber Frodo war noch immer ziemlich elend - was bedeutete, dass uns ebenfalls weiterhin ziemlich elend zumute war.

Es dauerte eine ganze Woche, bis Frodos Schmerzen nachließen. Sein jämmerliches Geschrei hatte an meinen Nerven gezerrt und mich erschöpft, und ich kann nicht sagen, wie froh ich war, ihn wieder zu seiner fröhlichen Natur zurückkehren zu sehen. Ich hoffe, er muss nie wieder so etwas durchmachen. Ich hoffe, ich muss das genauso wenig. Ich will mich nie wieder so hilflos fühlen.

Neuerdings hat Frodo angefangen zu brabbeln. Er ist sehr erpicht an Unterhaltungen teilzunehmen, die ich mit Drogo oder mit meinen Geschwistern, Vettern und Cousinen führe, die zu Besuch kommen. Sein süßer Mund macht nicht genau das, was er will, und doch könnte ich seinen ersten Sprechversuchen stundenlang zuhören.

Glücklicherweise findet er großen Gefallen an seinem eigenen Geplapper und der Aufmerksamkeit, die er erhält, wenn er durch Zufall auf ein wortähnliches Geräusch stößt. Ich denke, er wird eines Tages ziemlich gesprächig sein. Ich frage mich, wie lange er brauchen wird, um das Wort "Mama" zu sagen. Nur der Gedanke, dass er mich so nennt, erfüllt mich mit unbeschreiblicher Freude.

Primula Beutlin, "Mama"…

14. Rethe 1369


Liebes Tagebuch,

ich liebe die späten Abendstunden und den Frieden, den sie bringen. Wenn mein lieber, kleiner Stern schläft und die Arbeit des Tages getan ist, habe ich endlich etwas Zeit für mich. Und doch verbringe ich am Ende für gewöhnlich selbst diese seltenen Minuten mit meinen Liebsten.

Heute Nacht schaukelte Drogo unseren Kleinen in den Schlaf. Er saß auf unserem Bett und sprach so lange mit Frodo, bis der Schlaf seine strahlenden, blauen Augen sanft schloss, ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, sie offen zu lassen. Drogo scheint trotzdem unwillig, ihn in sein Bett zu legen, denn er flüstert noch immer und durchkämmt mit den Fingern die dunklen Locken unseres Sohnes. Das freudige Lächeln im Gesicht meines Mannes und der friedliche Ausdruck im Gesicht meines Sohnes sind alles, was sich eine Frau wünschen kann. Im flackernden Licht des Feuers sind sie der schönste Anblick, den ich jemals erleben durfte. Frodo sieht aus wie sein Vater - ein Beutlin durch und durch.

Manchmal frage ich mich, wie Frodo aussehen wird, wenn er erwachsen ist. Werde ich dann immer noch Drogo in ihm sehen, oder werde ich auch mich selbst erkennen? Ich habe bisher nicht viele meiner Züge an ihm gesehen, obwohl Drogo mir versichert, dass es der starke Wille und die Anmut der Brandybocks sind, die ihn so durchsetzungsfähig machen und nicht etwa die Sturheit der Beutlins.

Wo ich gerade von Beutlins spreche: manchmal kann ich ob ihrem Verhalten nur den Kopf schütteln. Drogo hat es endlich geschafft, sich von seinem Sohn zu trennen. Frodo liegt jetzt in seiner Wiege, aber Drogo lehnt über seinem schlafenden Körper, als können seine Augen nicht genug von dem Anblick bekommen. Ich kann es ihm nicht verübeln. Pausbäckige Wangen, zufrieden saugende Lippen und weiche, dunkle Locken auf heller, glatter Haut und kleine, zu Fäusten geballte, Hände sind zu viel für ein elterliches Herz.

Ich frage mich dennoch, ob Drogo danach zu mir kommen wird? Wird er mich liebevoll küssen während seine Hände zärtlich meinen müden Körper liebkosen? Wird er Worte der Leidenschaft flüstern und so meinem Schreiben ein Ende setzen? Ich spähe über meine Schulter und sehe, dass er mich beobachtet, ein verführerisches Lächeln auf seinen Zügen. Oh, diese Beutlins und ihr Lächeln! Ich kann ihm einfach nicht widerstehen.

24. Astron 1369


Liebes Tagebuch,

ich bin jetzt seit sieben Monaten Mutter und endlich weiß ich, was es bedeutet, eine zu sein. Ich musste viele Dinge aufgeben, Einsamkeit und Zeit mit Drogo mit eingenommen. Ich muss immer zuerst den Bedürfnissen meines Kindes nachkommen, ihn trösten, wenn er unglücklich ist, ihn warm halten, wenn ihm kalt ist, mit ihm spielen, wenn er sich gelangweilt fühlt und ihn lieben, weil er es braucht und verdient, geliebt zu werden.

Das sind kleine Opfer, wenn ich bedenke, was ich dafür bekomme. Frodo erfüllt mich. Durch ihn bin ich in der Lage die Welt jeden Tag aufs Neue zu entdecken und Dinge zu sehen, die ich ohne ihn nie bemerken würde. Er erfüllt mich mit Freude und Liebe und gibt meinem Leben so viel Bedeutung. Und Drogos ebenfalls. Unsere Beziehung ist noch enger, nun, da wir uns um Frodo kümmern müssen. Es gibt nichts, was mich glücklicher machen würde, als morgens in Drogos Armen aufzuwachen, seinen Atem an meinem Hals zu spüren und Frodo zu sehen, der zufrieden neben mir in unserem Bett schläft.

Ich habe einmal über das Band zwischen einer Mutter und ihrem Kind geschrieben, aber jetzt verstehe ich endlich, was es bedeutet. Meine Mutter hat versucht, es mir zu erklären, aber Worte werden nie genügen, um zu beschreiben, was dieses Band wirklich ist und was es bedeutet. Es bedeutet sein Kind zu versehen, zu fühlen, dass du immer auf ihn Acht geben wirst und zu wissen, dass er weiß, dass du immer für ihn da sein wirst. Das ist es, was das Band zwischen Mutter und Kind ist, und trotzdem ist es noch soviel mehr. Während meiner Schwangerschaft habe ich geglaubt, ich würde es nicht ertragen, mein Kind zu verlieren. Jetzt weiß ich, dass es mich umbringen würde, würde man mir Frodo nehmen. Nicht für alle Schätze auf dieser Welt würde ich mich von meinem geliebten Kind trennen, ganz gleich welche Sorgen und Freuden er mich kostet. Drogo ist meine Seele, aber Frodo ist mein Herz. Er ist es, der mich und meine kleine Familie vollständig macht.

22. Nachlithe 1369


Liebes Tagebuch,

Zeit wird sehr kostbar. Frodo nimmt die meiste von meiner in Anspruch, ganz gleich wie viel Drogo und Gilda mir helfen. Meine Schwägerin kommt mindestens zweimal die Woche vorbei, während Drogo auf den südlichen Feldern arbeitet. Was an Zeit noch übrig blieb, habe ich in den vergangenen Monaten im Garten verbracht, wo ich Kräuter und Blumen gepflanzt habe. Jetzt genieße ich die blühenden Blumenbeete, wenn ich mit Frodo draußen bin.

Dieser freche, kleine Junge hat vor kurzem zu krabbeln begonnen. Gestern Nacht, während Drogo und ich uns einen Moment für einen Kuss genommen haben, nutzte unser Liebster die Ablenkung zu seinem Vorteil, krabbelte zu dem Korb mit Feuerholz und begann damit, die Stücke zu verstreuen. Bis Drogo und ich das verzückte Quieken und Kichern hörten, hatte unser Sohn das meiste Kleinholz auf dem Boden verteilt.

Unser Frodo ist immer zu Dummheiten bereit. Letzte Woche, während ich mit Gilda im Garten arbeitete, entdeckte er eine Spinne. Viele Minuten beobachtete er sie genau, ohne sie zu berühren, aber wie das mit Kindern so ist, landete sie am Ende doch in seinen Händen und ich konnte ihn gerade noch rechtzeitig davon abhalten, sie in den Mund zu nehmen.

Alles endet in seinem Mund, außer dem, womit ich ihn füttern will. Ich stille immer noch, aber ich habe damit angefangen, ihm zusätzlich einige zerquetschte Karotten und Kartoffeln zu geben - sehr zu seinem Verdruss. Frodo mag Kartoffeln, aber die Karotten spuckt er immer aus. Er verzieht voller Ekel das Gesicht, als hätte er das entsetzlichste Ding der Welt probiert, kneift die Augen zusammen und schnalzt mit der Zunge, um den Geschmack loszuwerden.

Aber trotz all dem Unfug den Frodo treibt, gibt es Zeiten, da will ich nichts, außer ihn zu knuddeln und zu kuscheln und meine Nase in seinen weichen Bauch drücken. Dann quiekt er und kichert voller Vergnügen, und schaut mich aus diesen leuchtenden, blauen Augen an. Oh, diese Augen! Wenn er mich ansieht und lächelt, leuchten sie voller Freude und Unschuld. Wie kann ich ihm jemals böse sein? Wie kann irgendjemand ihm jemals widerstehen?

22. Halimath 1369



Ich kann mich kaum davon abhalten, in Gelächter auszubrechen.
Das ist ein Anblick, den man nicht jeden Tag hat. Ich wusste, dass mein Frodo gerne brabbelt, aber es kam mir nie in den Sinn, dass es Bilbo genauso geht. Beide, der alte Beutlin und der junge, das Oberhaupt der Familie und dessen jüngstes Mitglied plappern ihre "lalas" und "neineis" daher, ohne das jemand, außer ihnen selbst versteht, worüber sie sich unterhalten.

Hätte mir jemand vor zwei Tagen gesagt, dass ihr gemeinsamer Geburtstag ein solcher Erfolg für die Vettern wird, hätte ich es nicht geglaubt. Vor drei Tagen wich Frodo vor Bilbo zurück. Er hat sich natürlich nicht an ihn erinnert, und im Augenblick fürchtet er jeden, außer Drogo, Gilda und mich.

Bilbo hat nichts gesagt, aber ich konnte sehen, wie sehr es ihn enttäuschte, das der Junge, den er in den Tagen nach seiner Geburt so lieb gewonnen hatte, ihn plötzlich fürchtete und ihm aus dem Weg ging. Er hat die Distanz, die Frodo brauchte, jedoch akzeptiert. Anstatt ein Zimmer im Brandyschloss zu nehmen, blieb Drogos Vetter bei uns und ich denke, das machte die Sache um einiges leichter. Frodos Neugier hat bald über seine Unruhe gesiegt und er begann, Bilbo zu vertrauen. Aufmerksam lauschte er der unbekannten Stimme, die so viele Geschichten zu erzählen hatte. Wann immer das freundliche, faltige Gesicht ihm abgewandt war, untersuchte er es aufmerksam, und nach weniger als einem Tag wurde Bilbo mit einem Lächeln begrüßt, wann immer er Frodos Blick einfing. Seit der Ankunft seines Vetters war er ungewöhnlich still, aber sobald Frodo überzeugt war, dass Bilbo niemand war, vor dem er Angst haben musste, redete er umso mehr. Spielsachen mussten unserem Gast vorgestellt und Unterhaltungen geführt werden - Unterhaltungen wie die, die sich gerade vor dem Kamin abspielt.

Lächelnd lehne ich mich in Drogos Arme zurück, als er sich neben mich setzt. Bilbo und mein Liebster haben für den Abend meine Pflichten übernommen, damit ich mich etwas ausruhen kann. Während der eine meinen Sohn unterhält, hat der andere sich um den Abwasch gekümmert. Es war ein anstrengender Tag, denn die Geburtstagsfeier war eine Qual für meinen Sohn und mich. Für Frodo gab es zu viele selten gesehen Gesichter und für mich zu viele Tränen zu trocknen. Frodo war nicht glücklich darüber, so viele Verwandten zu sehen, während gleichzeitig so viel geschah - vor allem nach seinem Nickerchen, während er noch etwas angeschlagen war. Lachende Onkel und schreiende Vettern waren kein Aufwachen, auf das er vorbereitet war. Ohne die Unterstützung von Drogo und Bilbo wäre das Fest vermutlich zu einem Desaster geworden, denn ich musste alle Zeit dafür aufwenden, Frodo zu trösten. Die Verpackung der Mathoms und die Geburtstagskerzen lenkten Frodo aber bald von seiner Unruhe ab. Er war so aufgeweckt und redselig wie immer und ich denke, er hat es beinahe genossen, im Mittelpunkt zu stehen. Vettern, Cousinen, Onkel und Tanten waren alle verzückt. Die erste Geburtstagsfeier meines Jungen war ein Erfolg.

"Neinneinneinnein!" lässt Frodo seinen Vetter auf sehr entschlossene Art und Weise wissen und wieder erwische ich mich dabei, wie ich hinter vorgehaltener Hand kichere. Mein Junge sitzt auf dem Boden und schüttelt seinen Kopf so energisch, dass Bilbo schon eine unterschützende Hand ausstreckt, die jedoch nicht gebraucht wird. Er lacht und seine Augen antworteten anders auf Bilbos Frage als sein Mund. Im Augenblick ist alles "nein" selbst wenn Frodo es nicht so meint. "Nein" ist seine neuste sprachliche Errungenschaft. Der Schritt zu "Mama" kann nicht mehr so weit sein, aber bisher hat Frodo das Wort noch nicht genannt.

"Nein?", fragt Bilbo und sieht enttäuscht aus. "Du willst wirklich nichts über das Abenteuer von deinem Onkel wissen, mit den Zwergen und dem Drachen? Das ist aber schade."

"Wenn du auf ein ‚ja' wartest, wartest du umsonst", schmunzle ich. "Abgesehen von der Tatsache, dass er zu jung für deine Geschichte ist. Ich würde nicht wollen, dass sein Kopf voller Drachen und anderem Unsinn ist, bevor er die Worte überhaupt aussprechen kann."

"Unsinn?" Bilbo blickt mich an. "Sie sind alles andere als das, Primula, Liebes. Frodo muss wissen, was ihn außerhalb des Auenlandes erwartet, damit er umso länger in deiner Pflege bleibt und sich nicht ohne seinen Onkel in ein Abenteuer wagt."

"Ich bezweifle, dass es ihm gut tun wird, selbst wenn du dabei bist."
Drogo lacht leise. "Und ich bezweifle, dass es ihm gut tun wird, wenn er von seiner Mutter zu sehr verwöhnt wird."

"Ich verwöhne ihn nicht", lasse ich meinen Mann verschmitzt wissen und lehne mich für einen verspielten Kuss zurück.

"Nein!" ruft Frodo und verlangt nach Aufmerksamkeit. Er ist zu seinem Onkel gekrabbelt und klopft mit seiner kleinen Hand auf Bilbos Knie.

"Seht ihr", sage ich mit einem selbstzufriedenen Lächeln und schaue meinen Sohn liebevoll an, "Frodo ist derselben Meinung."

Drogo hebt eine kritische Augenbraue und nickt, während Bilbo seine Arme um meinen Jungen schlingt und ihn in eine Umarmung zieht. Dann bedeckt er sein Gesicht, seine Hände und seinen Bauch mit Küssen und erntet freudiges Quieken und Kichern. Es besteht keinen Zweifel, dass sie sich gegenseitig das Herz gestohlen haben. Bilbo wird jetzt vielleicht öfter zu Besuch kommen wollen.

10. Winterfilth 1380


Liebe Mutter,

du hast mir immer gesagt, dass ein Tagebuch etwas sehr persönliches ist, und dass ich nie ohne Erlaubnis im Tagebuch eines anderen lesen soll. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass ich deines gelesen habe. Ich habe es unter deinen Sachen gefunden, als sie unsere Höhle ausräumten, und es mitgenommen, denn ich glaube nicht, dass sie mir erlaubt hätten, es zu behalten. Du musst wissen, ich lebe jetzt im Brandyschloss. Onkel Rory sagt, meine Tanten, Onkel und Vettern werden auf mich aufpassen. Ich kann nicht sagen, dass sie ihre Arbeit schlecht machen, aber ich vermisse dich, Mutter.

Ich habe dein Tagebuch gelesen, weil ich dich so sehr vermisse. Ich dachte, da es doch so persönlich ist, dass ich vielleicht etwas von dir in den Seiten finde. Und das habe ich. Deine Einträge erinnern mich sehr an dich. Es ist fast so, als würdest du sie mir vorlesen, Mutter. Ich konnte deine Stimme hören, hörte dich reden, lachen und singen. Es ist so lange her, seit du dieses Sternen-Lied für mich gesungen hast, aber ich erinnere mich daran, Mutter. Ich erinnere mich sehr gut und werde das auch immer tun.

Du hast einmal geschrieben, dass du deine Mutter vermisst, und dass du wünschst, sie könnte bei dir sein. Du musst damals achtundvierzig gewesen sein. Womöglich verstehst du mich jetzt. Womöglich verstehst du, wie sehr ich dich und Vater vermisse. Wie hast du es ertragen, Mutter?

Es ist furchtbar. Jeden Morgen wache ich auf und hoffe, dass alles nur ein Albtraum war und ich in meinem eigenen Bett bin oder neben dir und Vater. Aber jeden Morgen begrüßt mich das Dunkel des Zimmers, das ich mit meinem Vettern teile und ich weiß, du bist nicht da.

Es tut so weh, Mutter. Ich glaube nicht, dass ich es aushalten kann. Ich weine jeden Morgen und auch in manchen Nächten. Tante Gilda hält mich manchmal fest, und obwohl es den Schmerz nicht lindert, bietet es ein wenig Trost. Zu wissen, dass sie für dich da war, gibt mir die Sicherheit. dass sie auch weiter für mich da sein wird. Glaubst du, es ist so? Glaubst du, sie wird mir soviel helfen, wie sie dir geholfen hat?

In deinem Tagebuch hast du von einem Band zwischen einer Mutter und ihrem Kind geschrieben. Ich frage mich, ob es wirklich das ist, was du gesagt hast, oder ob sogar das gestorben ist, an dem Tag, an dem du mich verlassen hast. Denn ich bin allein. Niemand passt so auf mich auf, wie du das getan hast. Tante Gilda war deine Freundin und sie ist auch meine, aber sie ist nicht wie du. Sie weiß nicht, was ich brauche, wenn ich sie nicht danach frage, und die Wärme ihre Arme ist anders als der Trost, der deine Umarmung für mich war.

Du sagtest, du würdest sterben, wenn du mich verlierst, obwohl ich nur ein ganz kleines Kind war. Werde ich sterben, weil ich dich und Vater verloren habe? Oder wird es eines Tages aufhören wehzutun? Mutter, ich wünsche mir nichts mehr, als dich und Vater zurückzuhaben. Es tut mir Leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe und dich so beschäftigt habe, dass du nicht einmal mehr Zeit für dein Tagebuch fandest. Es tut mir Leid, dass ich gejammert habe und das ich zornig mit dir war. Ich verspreche, wenn du zu mir zurückkommst, werde ich immer tun was du sagst. Tante Gilda sagt, dass du nicht zurückkommen kannst und obwohl es mich erschreckt, das zu hören, fange ich an, ihr zu glauben. Ich muss alleine weitergehen, nicht wahr? Ich muss diesen Schmerz ertragen oder daran sterben. Ich will nicht sterben.

Ich werde versuchen, es zu bekämpfen, Mutter. Du hast mich nicht aufgegeben, du hast während deiner Schwangerschaft und danach an mich geglaubt, also werde ich jetzt auch nicht aufgeben. Das verspreche ich dir. Ich werde versuchen, weiter zu gehen, wenn auch nur für dich und Vater. Womöglich werden die Dinge eines Tages ein gutes Ende finden.

Ich werde dein Tagebuch behalten und deine Einträge lesen, damit ich dich nicht vergesse. Eines Tages, wenn ich selbst ein Vater bin, werde ich meinen Kindern von dir erzählen und ein eigenes Tagebuch führen, das von ihnen handelt.

Ich hab dich lieb, Mutter.

Auf immer dein,

Frodo





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