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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 73: Bittere Unterhaltungen




Ein Feuer prasselte im Kamin. Sein warmer Schein tauchte den gemütlichen Raum in ein angenehmes Licht. Frodo saß mit überkreuzten Beinen auf seinem Bett, den Blick leer und ausdruckslos. In den Händen hielt er das Bild seiner Eltern, doch seine Augen sahen durch die Zeichnung hindurch. Tief in Gedanken summte er eine leise Melodie, die seine Mutter häufig gesungen hatte. Sein Herz pochte aufgeregt in seiner Brust, während er gegen die aufkommende Unruhe ankämpfte und wünschte, die Einsamkeit würde nicht länger andauern. Es war nicht so, dass er die Stille, die ihn umgab, fürchtete, doch der Sturm, den sie ankündigte, behagte ihm nicht.
Wie Saradoc es verlangt hatte, war er in sein Zimmer gegangen, um zu warten. Seine Furcht war bald verflogen und als Merry zu ihm gekommen war und er seinem Vetter erzählen konnte, was er zuvor dem Herrn mitgeteilt hatte, hatte er sich beinahe beruhigt gefühlt, auch wenn Merry mit demselben Unverständnis reagiert hatte, wie auch sein Vater. Frodo hatte die Reaktion seines Vetters wortlos hingenommen, wohl wissend, dass er Merry nicht hätte von seiner Sicht der Dinge überzeugen können. Für seinen Vetter war Saradoc die Lösung aller Probleme. Für ihn gab es nichts, das sein Vater nicht hätte in Ordnung bringen, oder verhindern können. Dennoch hatte Merry mehr Mitgefühl gezeigt, als es Saradoc getan hatte und ihn nach einem langen Augenblick des Schweigens in die Arme geschlossen, ehe er schließlich seinen Kopf auf Frodos Schoß gelegt hatte, als wäre er es, der getröstet werden musste.
So zog der Nachmittag dahin und als Saradoc noch immer nicht aufgetaucht war, gingen die Vettern dazu über, Karten zu spielen, bis Esmeralda sie unterbrach. Mit einem Tablett in den Händen, auf dem eine großzügige Portion des Abendessens angerichtet war, war sie in das Zimmer getreten und hatte Merry zum Essen gerufen. Frodo musste alleine bleiben. Dies hatte selbst Merry beunruhigt und während er das Zimmer verließ, hatte er seine Mutter mit Fragen gelöchert. Fragen, deren Antworten Frodo nicht mehr hatte hören können. Schweigend und mit knurrendem Magen hatte er sich an den Schreibtisch gesetzt. Sein Appetit hatte unter der Aufregung nicht gelitten und so hatte er den Eintopf und die zwei Scheiben Brot gierig verspeist. Gerne hätte er nach einer zweiten Portion verlangt, doch hatte er nicht gewagt, gegen Saradocs Wunsch zu handeln.

Ein Scheit knackte, ließ Frodo aus seinen Gedanken erwachen. Sein Blick glitt erst zur Tür, dann zurück zu seinem Bild. Ein schwerer Seufzer entwich ihm. Zärtlich strichen seine Finger über den Holzrahmen, als wollten sie sich an das Gefühl der Nähe jener beiden Lieben erinnern. Doch sie blieben fern, eingesperrt hinter Glas und Holz; Kohlestriche auf weißem Pergament, die trotz allem soviel mehr waren, als nur ein Bildnis.
Betrübt schloss Frodo die Augen, versuchte, sich an die gemütlichen Abende im Zimmer seiner Eltern zu erinnern. Das leise Knistern des Feuers, die erzählende Stimme seines Vaters, das Gefühl der Geborgenheit in der schützenden Umarmung seiner Mutter. Ein Zittern durchlief ihn und sein Herz weinte, ob dem unerwarteten Verlust der flüchtigen Bilder. Er vermisste sie, vermisste sie noch immer und glaubte nicht mehr daran, dass die Zeit seine Wunden würde heilen können, wo sie doch in Augenblicken wie diesem so frisch schienen wie am ersten Tag.
Liebevoll hielt er das Bild an seine Brust, ehe er es auf den Nachttisch stellte. Bekümmert schlang er die Arme um seine Beine, ließ das Kinn auf seinen Knien ruhen, während seine Gedanken zum vergangenen Nachmittag wanderten. Der lodernde Zorn in Saradocs Augen, der Hass in Marrocs Stimme, seine eigene furchtsame Wiedergabe der Ereignisse und das Gefühl der Zerrissenheit über die Richtigkeit, die Falschheit seines Tuns. Und er dachte an Merimas. Seinem Vetter zufolge ging es dem Jungen gut, doch Frodo war sich dessen nicht sicher.

"Ich weiß auch, dass es für solche Dinge immer zwei braucht: einen wie dich und einer, der dumm genug ist, auf dich zu hören."

Saradocs Worte hallten in Frodos Ohren wider und er ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte der Herr so etwas sagen, wo er doch wusste, was auf dem Spiel stand. Es schmerzte ihn, dass Saradoc so über ihn dachte und er fragte sich unwillkürlich, ob sein Vater auch so gedacht hätte. Hätte Drogo Beutlin ihn als dumm bezeichnet oder hätte er ihn verstanden? Eines stand fest: sein Vater hätte ihn nicht so lange im Ungewissen warten lassen. Sein Vater wäre niemals so wütend geworden, dass Frodo ihn hätte fürchten müssen. Sein Vater hätte niemals zugelassen, dass Marrocs grausames Spiel überhaupt einen Anfang fand. Marroc hätte nicht einmal gewagt, ihm zu drohen, wenn sein Vater noch leben würde.
Frodos Traurigkeit schürte den Groll, den er in sich trug. Seine Wut richtete sich auf Saradoc. Saradoc, der Merry bevorzugte. Saradoc, der nie die Zeit fand, auch ihn zu loben. Saradoc, den er vergebens zu erfreuen gehofft hatte. Saradoc hatte nicht das Recht, so mit ihm zu sprechen, denn Saradoc war nicht sein Vater.

Die Tür protestierte ächzend, als Saradoc den Knauf drehte und in das Zimmer der Kinder trat. Frodo erblickte ihn, drehte ihm jedoch sofort den Rücken zu. Genervt verdrehte der Herr die Augen. Eines Tages würde ihn der Sturkopf dieses Jungen in den Wahnsinn treiben. Er wusste, er würde gegen eine Wand sprechen, wenn er sofort sagte, was er zu sagen hatte. Wenn er sich jedoch lange genug geduldete, würde sich Frodo geschlagen geben und von alleine zu sprechen beginnen, auf dass, auf die eine oder andere Weise, ein Gespräch beginnen konnte. Es verärgerte ihn, doch Saradoc hatte an diesem Nachmittag bereits so viel Zeit ungenutzt verstreichen lassen, dass es auf eine weitere kleine Ewigkeit in ausgedehntem Schweigen nicht ankam. Wortlos schloss er die Tür und setzte sich neben Frodo auf dessen Bett.
Der Zorn des Nachmittages hatte sich beinahe verflüchtigt, seit er vor dem großen Fenster gestanden war und die dunkler werdende Nacht betrachtet hatte. All die Diskussionen, die Lügen und den aufgestauten Hass, der ihm in Marroc begegnet war, hatten ihn ermüdet. Dass dessen Eltern seine Taten zwar bedauerten, sie jedoch hinnahmen und nicht in der Lage schienen, den Tween zu rügen, hatte Saradoc zusätzlich erzürnt und an seinen Kräften gezehrt. Schließlich hatte er ein Machtwort gesprochen und veranlasst, dass Marroc den angerichteten Schaden in Münzen auszubezahlen hatte, ganz gleich, wie lange es dauerte, bis seine Schulden abgearbeitet waren. Es war nicht seine liebste Lösung gewesen, denn während er vor Marroc auf und ab gegangen war, hatte er sich daran erinnert, wie er drei Jahre zuvor exakt dasselbe getan hatte. Er hatte an Esmeraldas Worte denken müssen und dieses Mal wäre er bereit gewesen, ihrem Wunsch nachzukommen und Marroc fortzuschicken. Doch auf Bitten der Eltern hatte er dem Tween eine letzte Möglichkeit gewährt, sich zu bessern, hatte jedoch Merimac und Marmadas aufgetragen, ihren Lehrling bis an seine Grenzen zu treiben. Er selbst war ebenfalls fest entschlossen, den Jungen im Auge zu behalten, bereit seine Drohung jederzeit in die Tat umzusetzen, wenn dieser Frodo oder Merimas auch nur schief ansah. Bree schien ihm ein ausgezeichneter Ort für Marroc.

"Du hältst mich also für dumm."
Saradoc wurde nicht enttäuscht, obschon ihn die Art, wie Frodo seine Bemerkung präsentierte, ein wenig irritierte. Er schüttelte den Kopf.
"Was bleibt mir denn anderes übrig, wenn du so lange über solche Dinge schweigst?"
Frodo fuhr herum. Seine Augen funkelten vor Zorn. "Was hätte ich denn tun sollen?", tobte er, "Was soll ich jetzt tun? Er wird ihm etwas antun! Er wird…" Aufgebracht keuchend drehte sich der Junge von ihm weg. "Ich hätte nie mit dir sprechen dürfen."
Saradoc hatte geglaubt, sich wieder unter Kontrolle zu haben, doch Frodos Worte ließen den Zorn von neuem in ihm auflodern. Wie konnte der Junge nur so denken? Ohne nachzudenken, packte er ihn an den Oberarmen, zwang ihn gewaltsam, ihm in die Augen zu sehen. Furcht und Bitterkeit gleichermaßen starrten ihm aus den tiefen Abgründen von Frodos Augen entgegen. Vergeblich versuchte sich das Kind aus seinem starken Griff zu winden und zürnte, während Saradoc die Dummheit aus ihm herauszuschütteln suchte.
"Denkst du denn, ich halte meine Versprechen nicht?", fragte er aufbrausend. Die Hitze seiner eigenen Wut brannte durch seinen Körper und loderte in seinen Augen, als er Frodos Blick schließlich festhielt, ohne von seinen Arme abzulassen.

Das Feuer knirschte, ließ seine flüchtigen Schatten über ihre grimmigen Gesichter tanzen. Für einen kurzen Moment senkte sich eine vor Spannung knisternde Stille über sie. Saradoc hatte ihn so plötzlich herumgerissen, dass Frodo Mühe hatte, nicht von der Bettkante zu rutschen, doch er rührte sich nicht, hielt dem durchdringenden Blick des Herrn wortlos stand. Furcht und Unmut ließen sein Herz schneller schlagen und ihn noch stärker an seinen Vater denken. Wäre er so mit ihm umgegangen? Hätte Saradoc Merry so grob gepackt?
"Ich habe dir einmal gesagt, Marroc würde dir nichts mehr antun", fuhr Saradoc schließlich ein wenig ruhiger fort, "doch wie soll ich daran festhalten, wenn du nicht darüber sprichst?"
Ungläubig sah Frodo den Herrn an. Er verstand nicht. Er glaubte noch immer, reden würde alles besser machen, ohne zu begreifen, dass sich dadurch nichts änderte. Missverstanden wandte er den Blick ab. Wut, Schmerz und Traurigkeit ließen ihn zittern, doch hütete er sich, jene innere Unruhe vor Saradoc zu zeigen.
"Gegen Marroc kannst du nichts ausrichten", brummte er giftig, entschied sich dann doch dazu, Saradoc erbost anzusehen. "Das konntest du nie!"

"Und du kannst es?!" zischte Saradoc aufgebracht und sein Griff verstärkte sich abermals. Er verspürte den Wunsch, Frodo ebenfalls zu ohrfeigen, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen und benötigte all seine Willenskraft, dem nicht nachzugeben. Was war nur in den Jungen gefahren, dass er so eisern darauf beharrte, mit seinem Problem alleine fertig werden zu wollen? War er nicht dazu da, ihm beizustehen, wenn er in Situationen wie diese geriet? Weshalb lehnte Frodo seine Hilfe so widerspenstig ab? Was ließ ihn so hart und verbittert sein?
Auf Frodos starren, entschlossenen Blick hin, der nicht an seiner Überzeugung zweifeln ließ, verzogen sich Saradocs Lippen zu einem humorlosen, traurigen Grinsen. "Nein, Frodo, wenn du weiterhin so mit dir umgehen lässt, kannst du gar nichts tun."
Saradoc hatte gehofft, eine weitere Diskussion vermeiden zu können, doch die gereizte Stimmung des Kindes schien eine zu erfordern. Die Erschöpfung des Nachmittags nagte an seinen Gliedern und er seufzte schwer, ließ schließlich von den Armen des Kindes ab und griff sich mit den Fingern seiner linken Hand zwischen die Augen. Wie sollte er Frodo noch klar machen, dass er mit ihm reden musste, wenn er sich nicht in Intrigen dieser Art verstricken wollte? Nachdenklich sah er den Jungen an. Frodo war zum Kopfende des Bettes hinauf geflüchtet, hatte die Arme um seine Beine geschlungen und ließ das Kinn auf seinen Knien ruhen. Die Finger hatte er krampfhaft ineinander geschlungen. Sein Brustkorb hob und senkte sich in raschen Atemzügen und Saradoc wusste, dass die Spannungen noch nicht ausgestanden waren. Frodo würde erneut zürnen, wenn er seine Worte nicht geschickt wählte. Er besaß einen hartnäckigen Sturkopf, den Saradoc nur durchdringen konnte, wenn er Geduld aufbrachte. Geduld und Ruhe, an der es ihm im Augenblick mangelte. Er seufzte schwer.
"Durch dein Handeln bringst du Merimas und dich selbst in Gefahr, Frodo. Weiß ich, was vor sich geht, kann ich dafür sorgen, dass…"
"… dass was?!" keifte Frodo, schlug mit beiden Händen auf die Matratze und starrte ihn aus funkelnden Augen an. "Du kannst weder mich, noch Merimas, noch Marroc vierundzwanzig Stunden am Tag beobachten. Das ist schließlich der Grund, weshalb ich Marroc immer wieder in die Hände falle. Glaubst du etwa, ich mache das mit Absicht? Glaubst du, es gefällt mir, wie er mit mir umgeht?"
Frodo zitterte vor Erbitterung, doch die Mauer der Verärgerung, die er um sich errichtet hatte, drohte einzustürzen. Keuchend und mit zusammengebissenen Zähnen starrte er Saradoc an, wobei sich Tränen in seinen Augen sammelten. Saradoc begegnete diesem Blick betrübt, sagte jedoch nichts, bis Frodo das Gesicht schließlich in seinen Händen vergrub und hilflos zu schluchzen begann. "Wenn er Merimas etwas antut, könnte ich mir das nie verzeihen."

Saradoc tat es im Herzen weh, den Jungen weinen zu sehen. Marrocs Taten waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Der Bluterguss an Frodos Schulter war nur eine äußerliche Wunde, doch der Tween hatte auch andere Waffen angewandt. Mit Grauen dachte der Herr an die Worte, die am Nachmittag gefallen waren.

"Was ist er denn schon wert? Ohne seine Eltern noch weniger als zuvor. Er hätte uns einen Gefallen getan, wäre er mit ihnen umgekommen!"

Marrocs Zunge war gefährlicher als jeder Fausthieb. Schon einmal war Frodo den Einschüchterungen des Tweens erlegen, da Marroc darum wusste, seine Worte geschickt zu verpacken. Selbst er, der Herr von Bockland, war damals von Marroc getäuscht worden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dieses Mal war es nicht anders, obschon der Tween seine Intrigen heimlich gesponnen hatte. Frodo sollte gebrochen werden, doch nicht durch den Unwillen der anderen, sondern durch sein eigenes Gewissen. Merimas war ein gutes Druckmittel gewesen, doch vermutete Saradoc, dass die Verletzung des Kindes nicht Marrocs einzige Drohung gewesen war.

"Du kannst weder mich, noch Merimas, noch Marroc vierundzwanzig Stunden am Tag beobachten. Gegen Marroc kannst du nichts ausrichten."

Frodos Worte hallten in seinen Ohren wider und für einen kurzen Augenblick glaubte Saradoc, an sich selbst zweifeln zu müssen. Er war in der Tat nicht in der Lage, Frodo den ganzen Tag zu beobachten. Aber er war da! Der Junge konnte immer zu ihm kommen, selbst wenn er nur vermutete, dass Marroc eine neue Grausamkeit plante. Er würde ihm jederzeit Gehör und Hilfe schenken, wenn er ihm nur sagte, was vor sich ging.
Betrübt streckte der Herr seine Hand aus, um das Kind in eine tröstende Umarmung zu ziehen und seine Tränen zu trocknen, doch Frodo schlug die Finger weg, noch ehe sie seine Schulter hatten berühren können. Saradoc seufzte leise und schloss die Augen, als seine Gedanken erneut zum vergangenen Nachmittag wanderten.

Aufgebracht war er vor dem Jungen auf und ab gewandert, während er versucht hatte, Ordnung in die Worte zu bringen, die Marroc so hasserfüllt ausgespieen hatte. Schließlich war er vor dem Tween stehen geblieben, hatte tief in die dunklen Augen geblickt und in ihnen zu lesen versucht. "Du verstehst dich nicht besonders gut mit deinen Eltern, nicht wahr? Du bist eifersüchtig auf ihn, weil Frodo jemanden hat, an den er sich wenden, dem er vertrauen kann."
Marroc hatte spöttisch aufgelacht und Saradocs Wut zum Lodern gebracht, bis seine Finger sich zitternd um die Armlehne von Marrocs Stuhl gelegt hatten.
"Wie sehr er dir vertraut haben wir ja gesehen. Er arbeitet bereits seit beinahe acht Monaten für mich, ohne dass du auch nur davon geahnt hast."

"Warum sprichst du nicht mit mir, Frodo?", fragte der Herr bekümmert und sah den Jungen hilflos an. "Ist dein Vertrauen zu mir so gering?"
Verwundert hob Frodo den Kopf, zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Dennoch sah er Saradoc nur kurz an, ehe er das Gesicht erneut hinter seinen Händen versteckte. Der Schmerz und der Kummer, die in den Augen des Herrn lagen, machten ihn elend. So wütend er auf Saradoc war, wollte er ihn doch nicht verletzen. Der Herr mochte nicht sein Vater sein, doch Frodo liebte ihn und war weiterhin darauf erpicht, ihn stolz zu machen, selbst wenn er sein Lob nicht erhielt.
Dennoch wusste er die Frage nicht zu beantworten und so schwieg er, lauschte lange dem leisen Knistern des Feuers. Die Ruhe breitete sich aus und beinahe hätte er annehmen können, alleine im Zimmer zu sein, doch als er die Hände vom Gesicht nahm, saß Saradoc noch immer vor ihm und sah ihn mit demselben fragenden Blick an.
Frodo schluckte schwer. Was der Herr zu lösen versuchte, war keine Frage des Vertrauens, sondern eine des mangelnden Unterschiedes. Er zögerte und seine Finger klammerten sich in den Bezug seines Kopfkissens, als könne er so die Kraft finden, dieses Gespräch fortzuführen.
"Ich mag Marroc nicht daran hindern können, mir wehzutun, doch ich vermag Merimas zu schützen."
Saradocs Augen weiteten sich ungläubig. "Der Preis, den du dafür zahlst, ist zu hoch."
"Das ist mir gleich", entgegnete Frodo achselzuckend und wäre beinahe erschrocken zurückgewichen, als Saradoc einen Augenblick darauf beide Hände sanft auf seine Schultern legte. Inständig sah der Herr ihm in die Augen, sagte jedoch nichts, denn es bedurfte keiner Worte, um Frodo klar zu machen, was er ausdrücken wollte. Wieder stockte Frodo, wich schließlich dem Blick aus. Er überlegte lange, ob und was er auf die unausgesprochene Bitte antworten sollte, doch am Ende hob er den Kopf und erklärte beinahe zaghaft, dass er an dem Tag mit Saradoc reden würde, an dem dieser ihm versichern konnte, dass Marroc weder Merimas, noch ihm etwas zuleide tun konnte.
Der Herr entgegnete nichts darauf, doch schien er mit dieser Antwort einverstanden, denn er nickte, ehe er von seinen Schultern abließ. Frodo atmete erleichtert auf, froh das Ende dieser Unterhaltung erreicht zu haben, doch legte er argwöhnisch die Stirn in Falten, als der Herr sich nicht erhob, sondern gedankenverloren zum Kamin blickte.
"Weshalb bleibst du noch hier", wagte er zu fragen.

Saradoc schüttelte den Kopf, als er sich erhob und seinen Rücken streckte. Er wollte sich nicht in eine weitere Diskussion verstricken lassen, denn dazu fühlte er sich bereits zu ausgelaugt. Dennoch wandte er sich dem Jungen noch einmal zu.
"Ich frage mich, wann du einsehen wirst, dass dieser Tag bereits gekommen ist. Allerdings hängt es nicht nur von mir ab, ob ich mein Versprechen halten kann. Wenn du von Anfang an gesprochen hättest, Frodo, hättest du uns allen eine Menge Leid erspart. Solange du mit mir redest, kann ich dir helfen, denn, wie du selbst festgestellt hast, kann ich weder dich, noch Marroc, noch einen Anderen ständig im Auge behalten. Doch ich kann dir zuhören und dir helfen, wenn du es nur zulassen würdest."
Ohne eine Antwort abzuwarten, verabschiedete sich Saradoc mit einem Kopfnicken und wandte sich zur Tür.

Frodo spürte den Zorn von neuem in sich aufwallen. Seine Hände krallten sich in den Kissenbezug und ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen. Ein Zittern ging durch seinen Körper.
Der Herr hatte noch immer nicht begriffen, dass er auf Marroc keinen Einfluss hatte. Marroc bekam, was er wollte, ganz gleich, ob der Herr von Bockland über sein Tun Bescheid wusste, oder nicht. Er sollte mit ihm reden? Was glaubte Saradoc, würde das nützen? Wenn Frodo ihm erzählte, dass Marroc ihn verprügelt hatte, war er bereits grün und blau geschlagen. Welches Leid glaubte der Herr, hätte er ihnen durch reden ersparen können? Keines! Saradoc wollte ihm helfen? Er hatte ihm erzählt, dass Marroc sich würde rächen wollen, weil er geredet hatte, doch der Herr hatte dennoch vor, ihn in seinem Zimmer allein zu lassen, auf dass Marroc zuschlagen konnte, sobald Saradoc hinter der nächsten Ecke verschwunden war.
Die Röte stieg ihm ins Gesicht. Unentschlossen, ob er seine Gedanken laut aussprechen sollte, grub Frodo seine Finger so fest in das Kissen, bis seine Knöchel weiß hervortraten und biss die Zähne zusammen. Wie konnte der Herr ihn als dumm bezeichnen, wo er es doch war, der nicht verstehen wollte?
Die Tür fiel ins Schloss und Frodo sprang von seinem Bett, war einen Augenblick versucht, Saradoc hinterher zu eilen und ihm zu sagen, was er von seinen Worten hielt, doch die Erinnerung an den Schrecken, den Saradocs Zorn bei ihm ausgelöst hatte, ließ ihn sich zurückhalten. Keuchend starrte er auf die Tür. Ein rotgoldener Lichtschein lag auf seiner Gestalt, als er plötzlich das Kissen packte und es mit einem Schmerzensschrei gegen die Tür schleuderte, ehe er selbst auf die Knie sank. Tränen traten in seine Augen, die Frodo erfolglos wegzublinzeln suchte.
Weshalb verstand er ihn nicht? Weshalb konnte Saradoc ihn nicht einmal verstehen, wie sein Vater ihn verstanden hatte?


~*~*~


Es hatte nicht lange gedauert, bis Frodo sich wieder beruhigt und seine Tränen getrocknet hatte. Als Merry nach einiger Zeit noch immer nicht zurückgekehrt war, war er schließlich in sein Nachthemd geschlüpft und hatte sich abermals an das Kopfende seines Bettes gesetzt. Den Kopf an die Wand gelehnt, betrachtete er das Bild seiner Eltern, das er in den Händen hielt.
War dies das bittere Ende, das er gefürchtet hatte? Ein Ende der Verbitterung, des Zornes und der Furcht? Ein Ende des Schmerzes, des Kummers und der Enttäuschung? Marroc hatte ihm in den vergangenen Monaten häufig genug gezeigt, dass er zu heftigen Emotionsausbrüchen fähig war, doch Frodo hätte nie gedacht, dass er seinen Zorn so gezielt auf Saradoc richten würde. Er wusste, er hätte noch weitaus mehr gesagt, als er es getan hatte, hätte seine Wut sich nicht in einem ständigen Tauziehen mit seiner Furcht befunden. Furcht vor Marroc und Saradoc gleichermaßen hatte zu seinen heftigen Aussagen geführt und der Schmerz, den er in den Augen des Herrn hatte sehen können, verletzte auch ihn. Die Pein war allgegenwärtig, und er zerrissen gewesen. Selbst jetzt wusste er nicht, ob er sich richtig entschieden hatte. Er hatte sich gewünscht, nicht mehr stehlen zu müssen, doch machte das nicht alles nur noch schlimmer? Die Angst, falsch gehandelt zu haben, ließ ihn nicht los, schnürte ihm die Luft ab. Jeder Schritt, den er vernahm, ließ ihn die Muskeln anspannen, aus Furcht, Marroc würde kommen und sich rächen. Und doch hoffte er beinahe, der Tween würde zu ihm kommen und ihn verprügeln, denn dann wäre zumindest Merimas außer Gefahr.
Der Gedanke an Merimas ließ ihn verzweifeln und brachte den ganzen Zorn, den er am Nachmittag empfunden hatte, wieder zum Kochen. Zorn auf Saradocs mangelndes Verständnis, Zorn gegen sich selbst, denn er hätte es nie soweit kommen lassen dürfen. Zorn auf Marroc, der durch seine Worte das alte Leid erweckt hatte.
Sanft strichen seine Finger über den Rahmen, als sich eine Träne aus seinen Augenwinkeln löste, auf das Bild tropfte und das lächelnde Gesicht des kleinen Jungen bedeckte. Seine bekümmerte. Seele blutete unter der Last erstarkter Trauer und Verzagtheit, sehnte sich nach der Liebe jener Verlorenen und verurteilte die Welt und alles Leben in ihr, da sie ihr nicht geben konnte, was sie so verzweifelt suchte.

Eiligst wischte er sich die Tränen aus den Augen, als es an der Tür klopfte und Hanna eintrat. Der Ausdruck in ihrem Gesicht löste ein ungutes Gefühl in ihm aus und er schluckte schwer, während er sein Bild vorsichtig auf dem Nachttisch platzierte.

Es war das erste Mal, dass sie sich unwohl fühlte, wenn sie Frodo aufsuchte. Unzählige Nächte hatte sie damit verbracht, über den Grund seiner Distanzierung nachzudenken und jetzt, da sie ihn kannte, scheute Hanna sich davor, Frodo zur Rede zu stellen, denn sie wusste nicht, welche Worte ihren Mund verlassen würden, hatte sie ihn einmal geöffnet. Als Marmadas ihr nach dem Abendessen berichtete, was Saradoc ihm zuvor mitgeteilt hatte, hatte sie ihren Ohren erst nicht glauben wollen. Doch dann begann alles Sinn zu ergeben.
Wie sie es gefürchtet hatte, hatte sich Frodo gleich nach seinem Umzug ein wenig zurückgezogen. In ihr Zimmer war er nie wieder gekommen, doch hatten sie ab und an abends am Kamin einige Worte wechseln können. Anfangs war er ihr recht fröhlich erschienen und nur manchmal hatten Sorgen seine Augen verdunkelt. Im Herbst war jedoch derselbe undurchdringbare Schatten zurückgekehrt, den sie schon ein knappes Jahr zuvor zu lichten versucht hatte. Zuerst hatte sie geglaubt, es läge an der Jahreszeit, denn am Jahrestag des Todes seiner Eltern und manchmal auch in den Tagen davor und danach, war Frodo noch schweigsamer, als es selbst für ihn üblich war und zog die Einsamkeit jeglicher Gesellschaft vor. Doch seine Distanzierung hatte angehalten und wann immer sie ihn hatte ansprechen wollen, war er noch weiter zurückgewichen, bis sie am Ende Esmeralda damit beauftragt hatte, die Nähe des Kindes zu suchen, da sie nicht mehr in der Lage war, zu ihm durchzudringen.
Jetzt verstand sie. Es war alles nur wegen Merimas und Marroc gewesen. Sie hatte den Tween schon verabscheut, als sie damals erfahren hatte, dass er den Rahmen von Frodos Bild vernichtet hatte, doch war dies nichts im Vergleich zum Groll, den sie nun gegen ihn hegte. Insgeheim war sie froh, dass Marmadas es ihr überlassen hatte, mit Frodo zu sprechen, während er Marroc zur Rede stellen wollte.

Frodo betrachtete sie mit einem unsicheren Ausdruck und Hanna holte tief Luft, ehe sie sich auf das Bett zu bewegte. Selbst im schwachen Licht des Feuers konnte sie sehen, dass das Kind geweint hatte. Seine Augen waren geschwollen und seine Wangen trugen den Glanz frisch getrockneter Tränen. Sie konnte sich vorstellen, dass es auch für ihn nicht leicht war und doch konnte sie sein Handeln nicht verstehen. Mitleidig sah sie ihn an, wusste nicht, ob sie ihn trösten oder zurechtweisen sollte.
"Bitte sag mir nicht, dass du bereits seit acht Monaten darüber schweigst", bat sie schließlich und unterdrückte Tränen ließen ihre Stimme zittern. "Du setzt Merimas nicht bereits seit acht Monaten einer solchen Gefahr aus."

Frodo schloss gequält die Augen. "Fang du nicht auch noch damit an, bitte."
Die Worte hatten seine Lippen verlassen, ehe er gewusst hatte, was er antworten würde. Er hatte genug, genug davon, ein und dieselbe Frage immer wieder gestellt zu bekommen, obschon keiner seine Erklärung hören wollte. Gerne hätte er Hanna eine Antwort gegeben, die sie zufrieden gestimmt und den Kummer aus ihrer Stimme gelöscht hätte, doch war dies der Tag der Wahrheit und er wollte sein Gewissen nicht mit einer neuerlichen Lüge beflecken, ehe es völlig rein gewaschen war.
Unruhig rutschte er auf dem Kissen hin und her, den Herzschlag stechend im Hals spürend. Er wusste, dass er Hanna verletzt und ihr Vertrauen missbraucht hatte, und hatte schreckliche Angst davor, sie zu verlieren. Er selbst hatte die Bande zerschnitten, indem er sich von ihr und ihrer Familie zurückgezogen hatte und wusste nun, dass es ein Fehler gewesen war. Er wagte vielleicht nicht daran zu glauben, dass sie ihn liebte, wie Bilbo ihn einst zu lieben vorgab, doch ihre Nähe war ihm immer lieb gewesen und in den vergangenen Monaten hatte sie ihm gefehlt. Hanna durfte nicht auch noch ihre Seite der Bindung zerreißen.

Kraftlos ließ sich Hanna auf das Bett sinken. "Warum, Frodo? Warum schweigst du?", begehrte sie zu wissen. "Du tust damit nicht nur dir selbst weh, sondern auch anderen."
Frodo zuckte unter ihren Worten merklich zusammen, sah sie jedoch nicht an. Stattdessen drehte er sich noch weiter von ihr weg, bis sein Blick auf die Wand gerichtet war, und ließ seine Füße unter seinem Nachthemd verschwinden. Hanna glaubte nicht daran, dass Marroc seine Drohung tatsächlich umgesetzt hätte, nicht zuletzt, weil sie der Ansicht war, dass sich dem Tween keine Möglichkeit geboten hätte, doch Frodo war davon überzeugt gewesen und hatte zugelassen, dass Marroc ihn für seine Zwecke benutzte. Ihre Worte mochten ihn schmerzen, doch Hanna hatte nicht vor, ihn zu verletzen. Sie wollte ihm helfen zu verstehen, weshalb es so wichtig war, dass er ihr und seinen Pflegeeltern vertraute.
"Rede, Kind! Behalte solche Dinge nicht für dich!" bat sie verzweifelt. "Siehst du denn nicht, wozu das führt? Indem du schweigst, gibst du Marroc Macht. Macht, die er nicht über dich haben sollte."

"Du verstehst nicht, dass mir keiner helfen kann, nicht wahr? Weder du noch Saradoc!"
Frodo verabscheute die Verbitterung in seiner Stimme, doch vermochte er diese nicht zu kontrollieren. Sein Körper verkrampfte sich unter verborgenem Zorn. Angespannt presste er die Lippen zusammen. Seine Hände umklammerten den Leinenstoff seines Nachtgewands bis seine Finger zitterten.
"Es spielt keine Rolle, ob ich rede oder schweige", ließ er Hanna schließlich wissen und drehte den Kopf, sein Ausdruck ein Bildnis der Verzweiflung. Ingrimm lag in seinen Augen. "Denkst du, ich hätte jetzt Ruhe vor ihm?", er schüttelte den Kopf. "Für einen Monat mag das vielleicht zutreffen, doch dann wird es von vorne beginnen. Er wird fester zuschlagen als zuvor und dieses Mal wird er mich vielleicht nicht rechtzeitig an die Oberfläche reißen, sollte er sich wieder dazu entschließen, mich im Brandywein ertränken zu wollen."

Frodos Stimme hatte mit jedem Wort verzagter geklungen und am Ende lagen Tränen in seinen Augen, die er zu verbergen suchte, indem er das Gesicht erneut der Wand zuwandte. Hanna starrte ihn entsetzt an, unwillig, ihren Ohren zu trauen.
"Er hat…", keuchte sie stockend, verstummte dann jedoch, unfähig zu wiederholen, was sie gehört hatte. Die Tränen, mit denen sie schon seit ihrem Eintreten zu kämpfen hatte, drohten sie zu übermannen. Ohne einen weiteren Augenblick zu zögern, rutschte sie an den Jungen heran und streckte ihre Hände aus, um ihn in eine schützende Umarmung zu ziehen. Wie konnte Marroc nur so etwas tun? Wie hatte sie nur einen Moment glauben können, Frodo zurechtweisen zu müssen, wo er doch Trost soviel nötiger hatte?

Einen Augenblick glaubte Frodo, sich der Berührung erwehren zu müssen, doch sein Körper ließ sie willenlos geschehen und seine Seele stürzte sich gierig auf die dargebotene Zuneigung. Hanna stieß ihn nicht von sich, trotz allem, was er getan hatte. Ein Schluchzen der Erleichterung entrang sich seiner Kehle und mit einem Mal erlag er der Hilflosigkeit, gegen die er sich in den vergangenen Monaten so tapfer gewehrt hatte. Bittere Tränen brannten in seinen Augen, flossen über seine geröteten und erhitzten Wangen. Seine Finger krallten sich am Stoff ihrer Bluse fest, als könne er so verhindern, dass sie ihn jemals wieder gehen ließ.
"Hilf mir, Hanna!" schluchzte er elend und vergrub den Kopf an ihrer Schulter. "Ich will keine Angst mehr haben, weder vor Marroc, noch um Merimas."

Hanna spürte seine Tränen an ihrem Hals, fühlte das Beben seiner Schultern. Beschützend drückte sie ihn fester an sich, kämmte durch sein Haar und strich zärtlich über seinen Rücken.
"Ich bin hier", beruhigte sie, "ich passe auf dich auf."
Ihr Herz blutete, als sie seiner Verzweiflung gewahr wurde und sie schalt sich selbst, dass sie nicht schon früher bemerkt hatte, was vor sich ging. Schon als Frodo sich von ihr abgewendet hatte, hätte sie hartnäckiger nachfragen müssen. Womöglich wäre es ihr dann gelungen, Frodo unnötiges Leid zu ersparen und ihren Sohn einer unabsehbaren Gefahr zu entziehen. Ihre eigenen Tränen tropften auf Frodos dunklen Lockenkopf, während sie ihn in ihren Armen wiegte, in der Hoffnung, so seinen Kummer zu lindern.

Das Gefühl der Geborgenheit regte sich in ihm, die schwache Erinnerung an seine Mutter. Frodo wehrte sich dagegen, wissend, dass er Hannas Trost nicht verdient hatte, nicht nach allem, was er ihr angetan hatte. Er wollte sich aus der Umarmung lösen, doch die Stimme seines Herzens zwang ihn, sie nicht gehen zu lassen und so wurde er von Schuld übermannt, denn er stillte seine Sehnsucht, anstatt auf die Rücksicht zu nehmen, die er so gedankenlos belogen und verletzt hatte. In diesem Augenblick verwunderte es ihn nicht, dass Bilbo sich von ihm abgewandt hatte. Wie hätte Bilbo jemanden wie ihn lieben können? Jemand, der sich so selbstsüchtig nahm, was ihm nicht gebührte. Immer mehr Tränen tränkten Hannas Bluse und wieder versuchte er, sich von ihr wegzubewegen, doch hielt sie ihn fest an sich gedrückt und auch seine Finger waren nicht gewillt, ihre verzweifelte Umklammerung zu lösen.
"Vergib mir", wisperte er tränenerstickt, "dass ich Merimas mit hineingezogen habe. Du hast jedes Recht, von mir enttäuscht zu sein."

Ein schmerzliches Wimmern entwich ihm, als Hanna ihre Hände auf seine Schultern legte und ihn in eine aufrechte Position brachte. Verunsichert sah sie ihn an, woraufhin Frodo mit einem gequälten Lächeln ihre Hand von seiner linken Schulter schob. Er zitterte, nicht wissend, ob er um die verlorene Wärme trauern sollte oder ob er froh war, sich nicht länger wie ein gemeiner Dieb fühlen zu müssen.
Hannas Augen weiteten sich voller Entsetzen, als sich der Stoff von Frodos Nachthemd für einen Moment bewegte und den Blick auf einen dunkelroten Bluterguss freigab, der sich über die gesamte Schulter zu ziehen schien. Sie benötigte keine Erklärungen, um zu wissen, dass Marroc jene Verletzung verursacht hatte und wieder fragte sie sich, wie der Tween zu solchen Taten fähig sein konnte. Rasch biss sie sich auf die Lippen, als sie Zorn in sich aufwallen spürte. Der Schmerz half ihr, sich zu besinnen und so legte sie schließlich ihre Hände auf Frodos Oberarme und hielt seinen Blick fest.
"Ich bin nicht enttäuscht", versicherte sie ihm ehrlich. "Du bist jung und machst Fehler. Dein ganzes Leben wirst du Fehler machen, Frodo. Du solltest nur in der Lage sein, aus ihnen zu lernen." Tränen lagen in ihren Augen, die sie vergeblich wegzublinzeln suchte. "Sprich das nächste Mal mit uns, selbst wenn du glaubst, dass keiner dir helfen kann."
Wortlos sah Frodo sie an und das blasse Licht des Feuers verhüllte sein Gesicht hinter unwirklich erscheinenden Schatten. Er schluckte schwer, schlug dann die Augen nieder und wollte sich von ihr abwenden, doch Hanna hielt ihn fest. Sie wusste, dass er ihre Nähe brauchte, denn wie schon einmal, hatte sie seine Sehnsucht spüren können und war nun nicht gewillt, diese ungestillt zu lassen. Wortlos legte sie ihre Hände auf seine tränenfeuchten Wangen und zwang ihn mit sanftem Druck, seinen Kopf auf ihren Schoß zu legen. Das Kind erzitterte, als sie ihre Hand auf die Seinen legte und mit der anderen über seine Schläfen strich. Bekümmert schloss sie die Augen, als neuerliches Weinen an ihr Ohr drang und sie leise murmelnd versuchte, den Schmerz des Jungen zu lindern.

Unendliche Dankbarkeit erfüllte ihn, als Hanna ihn neuerlich in ihre Arme schloss und jene Wärme zurückbrachte. Frodo hatte sie nicht verdient, doch Hanna gewährte ihm ihre Nähe trotzdem. Sie hatte ihm verziehen. Er musste an Bilbo denken und der Gedanke ließ neue Tränen in ihm erwachen. Wie oft war er so in Bilbos Schoß gelegen und hatte ein noch stärkeres Gefühl des Geborgenseins empfunden. Dies war nur eine schwache Erinnerung daran, denn bei Bilbo war er Zuhause gewesen, bis sein Onkel beschlossen hatte, ihn zu verstoßen. Er war alleine. Eine einsame Seele in einem überfüllten Heim, das nicht das Seine war.
Hanna.
Liebte sie ihn, wie er sich wünschte, geliebt zu werden? Frodo wagte nicht, daran zu glauben, denn schon einmal hatte jener Gedanke ihn verraten. Einen weiteren Verlust würde er nicht ertragen und so ließ er sich lieber von der tröstlichen Wärme des Augenblicks umgeben, als von falschen Hoffnungen enttäuscht zu werden. Jetzt war Hanna für ihn da und mehr brauchte er nicht zu wissen.

Als Esmeralda kurze Zeit später mit Merry in das Zimmer zurückkehrte, war Frodo in Hannas Armen eingeschlafen. Hanna war kaum gewillt, ihn wieder alleine zu lassen, doch schließlich bettete sie ihn vorsichtig zur Ruhe. Frodos Schlummer war so tief, dass er nur einmal blinzelte, ohne der Störung wirklich gewahr zu werden und sich sofort zusammenrollte, als Hanna ihn zudeckte und zärtlich über seine Wange strich.





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