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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Author notes:
Es ist an der Zeit einer lieben Freundin von mir einen Dank auszusprechen. Habe ich die ersten 50 Kapitel ohne irgendwelche Verbesserungsvorschläge unters Volk gebracht, hilft Ivy mir nun seit über 10 Kapiteln auch die heimlichsten Fehler aufzudecken. Sie macht das mit einer Sorgfalt, die mich zutiefst ehrt.
Danke dir,Ivy, du bist mir eine große Unterstützung und ohne lange Kapiteldiskussionen würde ich wohl nicht halb so viele ungeahnte Hintergründe aufdecken.



~*~*~



Kapitel 61: Bittere Entscheidung



Das Wetter blieb unbeständig und Frodo hatte bald mit den Anfängen einer Erkältung zu kämpfen. Da er jedoch keinerlei Schmerzen verspürte und nur ein gelegentliches Niesen darauf hinwies, dass auch ihm der harte Winter zu schaffen machte, nahm er die aufkommende Krankheit kaum wahr. Er verbrachte die folgenden Tage mit Nelke, die ihn dazu überredete, mit ihr, Marmadoc und Viola, den wenigen Gesundgebliebenen, Karten zu spielen. Frodo war anfangs etwas unsicher, fühlte sich beizeiten unbehaglich, beinahe fehl am Platze, doch mit jeder Runde, die er grübelnd an einem der Wohnzimmertische saß und über seinem Blatt brütete, in der Hoffnung, mit einer ausgeklügelten Taktik auftrumpfen zu können, fühlte er sich wohler. Zwar vermisste er Merry, doch seine Laune besserte sich zusehends und immer häufiger hellte ein Lächeln seine sonst so betrübte Miene auf, ein Lächeln, auf das Nelke meist mit einem ebensolchen antwortete, ganz gleich, ob sie ihn beim Spiel aufzog, oder schweigend ihr eigenes Blatt studierte.

Merry war bereits sechs Tage krank, als Saradoc schließlich das Besuchsverbot aufhob und Frodo ließ es sich nicht nehmen, seinem Vetter als Erster einen Besuch abzustatten. Gleich nach dem Mittagessen war er durch die Gänge des Brandyschlosses zum Zimmer des Jüngeren geeilt, wo er vor der Tür stehen blieb und lauschte. Er erkannte Esmeraldas Stimme, die leise mit ihrem Sohn sprach, als plötzlich ein Besteckstück klimpernd zu Boden fiel. Frodo holte tief Luft und klopfte an der Tür, ehe er vorsichtig den Knauf drehte und zögernd in das Zimmer spähte. Abgestandene Luft schlug ihm entgegen, ein starker Gegensatz zum warmen Licht des Feuers, das im Kamin an der gegenüberliegenden Seite des Raumes brannte, und ihn sanft willkommen hieß. Merry saß hustend und mit einem angeekelten Gesichtsausdruck auf seinem Bett und hielt eine Teetasse von sich, als wäre deren Inhalt vergiftet. Esmeralda, die auf einem Stuhl neben dem Bett saß, hielt ihm bereits eine andere Tasse hin, die Merry gehorsam trank, um sich dann mit einem Stöhnen, das sowohl erschöpft als auch erleichtert klang, zurückzulehnen und erneut zu husten.

Frodo war versucht, die Türe offen zu lassen, in der Hoffnung, frischere Luft würde ihren Weg in das stickige Zimmer finden, zwang sich aber dazu, sie zu schließen. Esmeralda hatte bestimmt ihre Gründe, die Türe geschlossen zu halten. Frodo ließ seinen Blick auf Merry ruhen, der müde gegen ein aufgeplustertes Kissen lehnte und die Augen geschlossen hielt. Er war blass, die Haare hingen ihm strähnig in die Stirn und das für gewöhnlich gesunde und beinahe pausbäckige Gesicht wirkte mager und eingefallen.
Frodo spürte einen Kloß in seinem Hals und ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Bauch breit. Merry sah nicht halb so gesund aus, wie er gehofft hatte. Im Gegenteil. Er wirkte noch kränklicher als an jenem Abend, an dem Saradoc das Besuchsverbot verhängt hatte und Frodo weggeschickt wurde, gerade in dem Augenblick, als Merry sich zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit erbrochen hatte. Auf Frodo machte sein Vetter im Augenblick keinen merklich besseren Eindruck und er begann sich zu fragen, ob Saradoc sich nicht geirrt hatte, als er ihm erlaubt hatte, Merry zu sehen. Er spielte bereits mit dem Gedanken, das Zimmer wieder zu verlassen, ehe sein Vetter oder Esmeralda seine Anwesenheit bemerkten, doch er entschied sich dagegen. All die Tage hatte er darauf gewartet, dass es Merry besser ging und er seine Zeit wieder mit ihm verbringen konnte, denn auch wenn er das Zusammensein mit Nelke und den anderen schätzte, war ihm Merrys Gesellschaft dennoch um einiges lieber, und nun wollte er nicht gehen, nur weil sein Vetter auf ihn weniger gesund wirkte, als Saradoc glauben mochte.

Merry hustete und verzog dabei schmerzvoll das Gesicht.
"Ein Schal würde bestimmt helfen", meinte Esmeralda, die einen Suppenteller, zwei Tassen und eine Teekanne, ebenso wie zwei Teelöffel und einen Suppenlöffel auf ein Tablett auf dem Nachttisch lud, unwissend, dass Frodo an der Tür stand und sie beobachtete.
Merry stöhnte auf, ohne seine Augen zu öffnen und ließ sich ein wenig tiefer unter seine Decke gleiten.
"Ich trage in der Höhle keinen Schal", ließ er sie sturköpfig, aber mit heiserer Stimme wissen, ehe er zu husten begann.
"Wenn das so ist, ist dir nicht zu helfen", seufzte Esmeralda kopfschüttelnd und küsste ihn auf die Stirn. "Ich hielte es dennoch für besser, würdest du einen anziehen."

Frodo beobachtete sie schweigend, verlagerte dabei aber sein Gewicht unruhig von einem Bein auf das andere. Er fühlte sich unwohl, kam sich vor, als würde er Merry und dessen Mutter heimlich belauschen und einen vertraulichen Augenblick mit seiner Anwesenheit stören. Ein schmerzhafter Stich brachte sein Herz zum Weinen, denn für einen Moment sah er sich selbst auf dem Bett sitzen. Primula war über ihn gebeugt, plusterte das Kissen auf und strich eine verirrte Haarsträhne aus seiner Stirn. Frodo biss sich schmerzhaft auf die Lippen und verdrängte die Erinnerung an die stille Vertrautheit seiner Mutter, die er einst genossen hatte.
Mutter und Sohn hatten noch immer keine Notiz von ihm genommen, als er sich schließlich räusperte, um dezent auf sich aufmerksam zu machen.
Merry blinzelte und sein Gesicht hellte sich mit einem Mal auf, als er den heimlichen Besucher entdeckte. Frodo glaubte, ein wenig Farbe in den blassen Wangen zu erkennen.
"Frodo!" rief er erfreut aus und winkte ihn eifrig zu sich, auch wenn auf den freudigen Ausruf erneutes Husten folgte.
Frodo zögerte einen Augenblick, doch dann glitt ein Lächeln über seine Lippen und jegliches Unbehagen fiel von ihm ab. Als hätte Merrys Ausruf all seine Sorgen vertrieben, huschte er schließlich an das Bett heran, wo ihn Esmeralda lächelnd begrüßte, sich dann aber verabschiedete, das Tablett vom Nachttisch nahm und raschen Schrittes aus dem Zimmer eilte. Überrascht über den plötzlichen Aufbruch sah Frodo ihr stirnrunzelnd hinterher.
"Was machst du hier?", fragte Merry aufgeregt, setzte sich in seinem Bett auf und lehnte sich ein wenig bequemer an dessen Kopfende. "Kann ich dich nicht anstecken?" Die Verwunderung in Merrys Augen machte plötzlich einem wissenden Leuchten Platz und er senkte geheimnisvoll die Stimme. "Oder kommst du her, um dich krank machen zu lassen?" Als wolle er seinen Worten Ausdruck verleihen, hustete er.
Frodo entfernte sich kopfschüttelnd vom Bett, ging zum Schreibtisch und nahm den grünen Wollschal, der dort auf einem Stuhl lag, an sich.
"Ich müsste wahrlich sehr verzweifelt sein, wenn ich mich von dir anstecken lassen wollte", ließ er seinen Vetter wissen. "Saradoc hat das Besuchsverbot aufgehoben", er runzelte die Stirn. "Ich dachte, du wüsstest das."
Merry schüttelte den Kopf, während er widerwillig zuließ, dass Frodos Finger seinen Hals sorgfältig mit dem grünen Wollschal einwickelten.
"Ich hoffe nicht, dass noch eine Ansteckungsgefahr besteht, denn, bei aller Liebe, Merry, ich möchte nicht so aussehen, wie du es gerade tust", fuhr Frodo fort, wobei ein freches Grinsen sein Gesicht zierte.
"Glaub nur nicht, du würdest besser aussehen, nachdem du sechs Tage lang im Bett gelegen hast, nur mit einem feuchten Tuch gewaschen wurdest und dich ständig übergeben musstest", entgegnete der Jüngere mürrisch, konnte sich jedoch ein Lächeln nicht verkneifen.
Während Merry missmutig an seinem Schal zupfte und ihn fragend und mit hochgezogenen Brauen ansah, musste Frodo feststellen, dass die Finger seines Vetters zitterten. Tiefes Mitgefühl erfüllte sein Herz, mischte sich mit der Besorgnis, die er trotz seiner unbekümmerten Worte um seinen Vetter empfand. Sehnlichst wünschte er sich, dass Merry bald ganz gesund war und nahm sich fest vor, seinen Vetter jeden Tag zu besuchen und sich um ihn zu kümmern.
"Deine Mama hat Recht", ließ er den jungen Hobbit schließlich altklug wissen, wodurch er einen vielsagenden Blick erntete, den er mit einem Grinsen zu kontern wusste, "der Schal wird helfen."

Frodo ließ seinen Blick durch das Zimmer gleiten und entdeckte eine Tasse mit Wasser, die auf dem Kamin stand und wohl dazu dienen sollte, die Luft im Raum frischer zu halten, als sie es im Augenblick war. Auf dem langen Bücherregal, in dem sich sowohl Spielzeug, gesammelte Schätze, wie besonders schöne Steine, als auch das eine oder andere Buch wieder fanden, waren drei große Kerzen gestellt worden, die für zusätzliches Licht sorgten. Auf dem Nachttisch stand neben einer leeren Teetasse und einer Kanne, aus deren Nase Dampf aufstieg, eine Schüssel, die in den vergangenen Tagen wohl als Brechschüssel gedient haben musste. Angewidert verzog Frodo das Gesicht und rümpfte die Nase.

"Setz dich zu mir, Frodo, und erzähl mir, was ich in den vergangenen Tagen verpasst habe."
Frodo wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Vetter zu, der einladend mit der Hand auf sein Bett klopfte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Merry etwas weiter an die Wand gerutscht war, sodass Frodo sich bequem neben ihn setzen konnte. Eine Einladung, der er gerne nachkam.
"Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich gelangweilt habe", ließ Merry ihn seufzend wissen, während Frodo in das Bett kletterte und es sich neben ihm gemütlich machte. Dabei lehnte er sich so an das Kopfende, dass Merry den Kopf bequem auf seiner Schulter ruhen lassen konnte, eine Gelegenheit, die sich dieser nicht entgehen ließ.
Frodo wollte zu einem kurzen Bericht ansetzen, zögerte dann aber und schielte zur Brechschüssel. Ihm wurde plötzlich klar, dass der Suppenteller, den Esmeralda hinausgetragen hatte, einmal Brühe beinhaltet hatte. Sorgenvoll zog er die Stirn in Falten.
"Du wirst dich aber nicht übergeben?", fragte er unsicher.
"Natürlich nicht", ließ Merry ihn kopfschüttelnd wissen, "denke ich zumindest."
Frodo langte schon nach der Schüssel, als Merry ihm eine zittrige Hand auf den linken Arm legte.
"Lass sie stehen, Frodo. Ich werde mich nicht übergeben", versicherte er und fügte dann etwas leiser hinzu, "hoffe ich."
Frodo, der seine Hand bereits wieder zurückgezogen hatte, warf Merry einen strafenden Blick zu. "Könntest du dann bitte aufhören, deinen Sätzen Dinge wie, ‚hoffe ich' und ‚denke ich' hinterher zu stellen?"
Merry kicherte, eine Tat, für die er mit einem weiteren Hustenanfall bezahlte.
"Keine Sorge, Frodo, mir geht es gut, wenn man von diesem hartnäckigen Husten und dem Tee, den mir Mama gibt, absieht. Angeblich soll er gegen Übelkeit helfen, bei mir bewirkt er allerdings das Gegenteil." Merry verzog angeekelt das Gesicht.
Frodo lächelte mitfühlend. "Eines ist jedenfalls sicher: wenn du weiterhin soviel Gewicht verlierst, wirst du bald ein Geist sein."
Er lehnte den Kopf an Merrys und auch wenn ihm der Geruch, der vom fettigen Haar seines Vetters ausging, nicht zusagte und ihn die Nase rümpfen ließ, drückte er seinen Vetter sanft an sich. Ihm wurde klar, wie sehr er ihn vermisst hatte und genoss es, Merry wieder bei sich zu haben, während eine tiefe, innere Ruhe von ihm Besitz ergriff, ohne dass er es bemerkte.
"Du hast nicht viel verpasst", erklärte er dann. "Madoc, Minto und Rubinie sind ebenfalls krank und nur noch Marmadoc, Viola, Nelke und ich sind übrig."
"Warum bist du immer dann gesund, wenn alle anderen krank sind?", seufzte Merry.
Frodo lächelte und zuckte mit den Schultern. "Warum müssen alle immer dann gesund bleiben, wenn ich krank werde?"
"Du Ärmster", bemitleidete ihn Merry kichernd. "Ich würde mich sofort von dir anstecken lassen", tat er kund, runzelte dann aber die Stirn, "zumindest, wenn das Wetter schlecht ist und ich nicht Gefahr laufe, etwas Interessantes zu verpassen."
"Herzlichen Dank", entgegnete Frodo spitz, hatte aber Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. "Das ist ausgesprochen großzügig von dir."

Schweigend blickte Frodo in die Flammen der Kerzen auf dem Regal, lauschte dem beruhigenden Knistern des Kaminfeuers und den heiseren Atemgeräuschen seines Vetters. Bei Merry zu sitzen mochte zwar nicht so spannend sein wie ein Kartenspiel, doch er fühlte sich so zufrieden, wie schon lange nicht mehr. Sein Vetter brauchte ihn und es machte ihn glücklich, für ihn da sein zu können.
Merry seufzte leise, lehnte seinen Kopf gemütlicher an Frodos Schulter und rutschte etwas tiefer unter seine Decke. Die Augen waren ihm zugefallen und er schien nicht einmal mehr die Kraft zu finden, die Decke etwas weiter zu seiner Brust zu ziehen, denn schon als seine Finger nach den weichen Daunen griffen, gaben sie den Kampf auf und versuchten gar nicht erst, die ursprüngliche Absicht weiterzuverfolgen.
"Wenn du schlafen willst, kann ich gehen", ließ Frodo ihn leise wissen, übernahm dabei die Aufgabe, zu der Merrys Finger bereits zu müde waren und packte seinen Vetter in die Decke ein.
Merry schüttelte den Kopf. "Nein, bitte bleib."
Frodo lächelte, froh um Merrys Antwort. In Wahrheit wollte er das Zimmer nur ungern wieder verlassen, hatte es seinem Vetter nur aus Höflichkeit angeboten. Vorsichtig nahm er ein Ende des Schals, das Merry nach vorne gerutscht war, in die Hand und legte es seinem Vetter noch einmal um den Hals. Das Feuer im Kamin knisterte, während Frodo fürsorglich über Merrys Wange strich und dessen Kopf immer schwerer auf seinen Schultern ruhte. Frodo war sicher, dass sein Vetter bereits eingeschlafen war, als dieser plötzlich mit heiserer, müder Stimme flüsterte: "Du könntest mir eine Geschichte erzählen."
Ein Lächeln huschte über Frodos Gesicht. Damit hätte er rechnen müssen. Er erinnerte sich daran, wie Pippin dieselbe Bitte geäußert hatte, als er an dessen Krankenbett gesessen war. Wenn es um Geschichten ging, waren sich Merry und Pippin sehr ähnlich und Frodo war froh, das Talent zu besitzen, sich rasch welche auszudenken. So begann er auch jetzt zu erzählen und berichtete von den Abenteuern des Geistes, der einst ein Hobbit war. Merry schlief bereits nach wenigen Worten ein, was Frodo genug Zeit ließ, sich ein Ende auszudenken, das er seinem Vetter bei dessen Erwachen erzählen konnte.



~*~*~



Prüfend strichen Frodos Finger über die Holzdielen unter seinem Bett. Sowohl den Fußboden, als auch die Wand wollte er inspizieren, in der Hoffnung, doch noch einen geheimen Gang in seinem Zimmer zu entdecken. Überall hatte er schon nachgesehen, doch an diesem Abend, als er über seinem Tagebuch gesessen und seine Gedanken niedergeschrieben hatte, war ihm eine einzige Stelle eingefallen, die er bisher noch nicht untersucht hatte: die Wand und den Fußboden unter seinem Bett.
So hatte Frodo sein Tagebuch geschlossen, hatte sich flach auf den Boden gelegt und war bis zur Wand auf dem staubigen Untergrund entlang gerobbt. Unter seinem Bett war wesentlich weniger Platz, als er vermutet hatte und seine Untersuchung gestaltete sich äußerst schwierig, da er den Kopf nicht hinreichend heben konnte, um zu sehen, wo seine Hände gerade arbeiteen. Noch dazu hatte er kein Licht, denn sein Kerzenhalter war zu hoch, passte nicht unter das Bett und die Gefahr, dass sich etwas entzündete, war zu groß, sodass Frodo ihn auf seinem Nachttisch hatte stehen lassen. Völlig vertieft in seine Untersuchung und in trüber Dunkelheit tauchten plötzlich Bilder von Bilbos Geschichte in seinem Kopf auf. Frodo malte sich aus, wie er mit den Zwergen den geheimen Eingang suchte und stellte sich bereits vor, welche Abenteuer er würde erleben können, hatte er ihn einmal gefunden. Frodo, der große Drachenjäger und Abenteurer aus dem Auenland würde die dunklen Gänge des Brandyschlosses erkunden und das sollte erst der Anfang sein. Hatte er diese einmal durchleuchtet, würde er in die Welt hinausziehen und dort weitere, größere Abenteuer erleben als je ein Hobbit vor ihm. Selbst Bilbos Abenteuer würde klein erscheinen, im Vergleich zu dem, was er erleben sollte und Frodo stellte sich vor, sein Name und seine Erlebnisse wären Auslöser unzähliger Kinderträume. Großväter würden am Feuer sitzen und ihren Enkeln Geschichten von wagemutigen Wanderern erzählen und sein Name würde fallen und Kinderaugen zum Leuchten bringen.

"Frodo?"
Er konnte bereits hören, wie sein Name geflüstert wurde, erst nur ganz leise, doch dann lauter und mit mehr Bestimmtheit, die heimliche Frage der Stimme entwichen. Ein schmerzvolles Zischen entwich Frodos Lippen, als er Saradocs Stimme erkannte, hoch schreckte und sich den Kopf stieß. Eine Hand an seinen Hinterkopf haltend, kroch der junge Hobbit unter seinem Bett hervor und blickte überrascht nach oben. Saradoc stand vor ihm, die Stirn fragend in Falten gelegt, und blickte verwirrt auf ihn herab.
"Was machst du da unten?", wollte der Herr von Bockland wissen.
"Nichts", entgegnete Frodo rasch, unwillig, Saradoc von seinen heimlichen Träumen eines geheimen Ganges und großer Abenteuer in fremden Ländern zu berichten. Der Herr von Bockland würde bestimmt darüber lachen, wie er auch schon darüber gelacht hatte, als er mit Merry das Mauseloch in der Speisekammer zum Eingang einer Drachenhöhle hatte werden lassen. Während er sich weiterhin den Hinterkopf rieb und ihn auf mögliche Beulen prüfte, stand Frodo schließlich auf und klopfte sich mit der anderen Hand den Staub von Hemd und Hose.
Saradoc zog eine Augenbraue hoch. "Auf mich machte das einen anderen Eindruck."

Frodo zuckte mit den Schultern und sah den Herrn von Bockland ein wenig argwöhnisch an. Was machte er hier? Saradoc kam selten in sein Zimmer, erst recht nicht ohne Aufforderung. Hatte er sich vielleicht doch geirrt was das Besuchsverbot bei Merry anbelangte und wollte ihm nun offenbaren, dass auch er in den nächsten Tagen damit rechnen musste, krank zu werden? Frodo erschauderte innerlich bei dem Gedanken daran. Es genügte ihm vollkommen, das Brandyschloss wegen des vielen Schnees nur selten verlassen zu können, er musste nicht auch noch an sein Bett gefesselt sein. Etwas verriet ihm allerdings, dass Saradoc nicht deswegen in sein Zimmer gekommen war. Ernstere Angelegenheiten schienen den Herrn von Bockland zu ihm zu führen. Etwas bereitete ihm Kopfzerbrechen und er, Frodo, spielte dabei eine Rolle. Ein unruhiges Gefühl beschlich ihn und Frodo konnte spüren, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Hatte Bilbo etwa Saradoc geschrieben und ihn gebeten, mit ihm zu sprechen? Konnte es sein, dass der alte Hobbit die Veränderung in seinen Briefen gespürt und Saradoc nun angewiesen hatte, ihn darauf anzusprechen, ihn auszufragen? Der Gedanke alleine brachte seinen Atem zum Stocken, denn Frodo wusste, er würde seine Verzweiflung über Bilbos Zurückweisung nicht verbergen können, sollte sie angesprochen werden. Doch noch wollte er nicht verzweifeln und so schluckte er seine Bedenken, ohne den Blick von Saradoc zu nehmen, versuchte Haltung zu bewahren und wartete ab.

Auch wenn Frodo es sich nicht anmerken ließ, fiel Saradoc die Anspannung im Körper des Kindes auf und er seufzte innerlich. Hatte Frodo wirklich so wenig Vertrauen zu ihm, dass er sich verschloss, wenn er nur dessen Zimmer betrat, oder gab es etwas, dass Frodo vor ihm verbergen wollte, von dem er fürchtete, er könne es erraten, wenn er ihn nur lange genug alleine beobachtete? Saradoc wusste es nicht und auch wenn ihm dieses Verhalten bei Frodo schon mehrere Male aufgefallen war, ließ er sich heute nicht davon ablenken. Es gab wichtigere Dinge zu besprechen und er hatte darauf zu hoffen, dass Frodo den Grund für seine Pläne einsah und sich einverstanden erklärte, ihnen zu folgen. Mit einer Handbewegung wies er den jungen Hobbit an, sich auf das Bett zu setzen, während er selbst auf dem niederen Stuhl des Schreibtisches Platz nahm. Frodo leistete der Anweisung wortlos Folge, doch beäugte er ihn weiterhin kritisch und blieb ebenso angespannt, wie zuvor.

"Ich habe vor kurzem einen Brief erhalten", begann Saradoc sachlich, doch seine Worte ließen Frodo das Blut in den Adern gefrieren.
Er hatte also richtig vermutet. Bilbo hatte Saradoc geschrieben und nun würde das Unvermeidliche folgen: ein Gespräch, schwerer und länger als jedes andere, das er jemals mit dem Herrn von Bockland geführt hatte. Von plötzlicher Furcht ergriffen, ballten sich seine Hände zu Fäusten und sein Herzschlag beschleunigte sich, während Frodo bereits fieberhaft überlegte, wie er die Fragen, die nun zweifelsohne folgen mussten, umgehen konnte. Aber noch ehe er in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, fuhr der Herr von Bockland fort und sein sachlicher Tonfall brach die kurze Stille, die den Raum für einen Augenblick ausgefüllt hatte.
"Dein Vetter Milo hat geschrieben, er wolle wieder in das Brandyschloss zurückkehren."
Frodo hatte nicht gewusst, dass er den Atem angehalten hatte, bis er mit einem gerade noch unterdrückten Seufzen aus seinen Lungen entwich. Ein unsagbar schweres Gewicht schien von seinem Herzen genommen und Frodo konnte die Erleichterung, die er empfand, kaum verbergen. Milo war nicht Bilbo und auf einen Brief von Milo würde auch keine unliebsame Unterhaltung folgen.
"Tatsächlich?", stellte Frodo verwundert fest, unfähig, seine Überraschung darüber, dass Saradoc ausgerechnet ihm davon berichtete, zu unterdrücken. "Das ist schön."

Auch wenn man es seiner Stimme kaum anmerken konnte, freute sich Frodo über Milos Rückkehr. Als er noch klein war, hatte Milo oft auf ihn Acht gegeben, so wie er jetzt manchmal auf Merimas aufpasste und Frodo erinnerte sich, dass er damals ständig an der Seite seines Vetters gewesen war und jedes Wort, das seine Lippen verlassen hatte, geglaubt hatte. Doch als er älter geworden und Milo eines Tages aufgrund seiner Lehre als Tischler mit seinem Vater nach Hobbingen gegangen war, um dort sein Können unter Beweis zu stellen, ging die Bindung zwischen Frodo und seinem Vetter verloren. Milo hatte bei seinem Aufenthalt im Westviertel Päonie Beutlin kennen gelernt und die beiden besuchten sich für viele Jahre regelmäßig, bis sie vor drei Jahren geheiratet hatten und Milo mit seiner Gattin nach Hobbingen gezogen war.

Saradoc stutzte ein wenig ob Frodos Verhalten. War es ihm nur so vorgekommen, oder hatte der Junge tatsächlich einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen wollen? Er fragte sich, ob Frodo geglaubt hatte, er wäre gekommen, um ihn zu bestrafen, doch wofür Saradoc ihn hätte tadeln sollen, wusste dieser nicht. Ihm war keine Missetat des jungen Hobbits bekannt, doch möglicherweise hoffte Frodo tatsächlich, etwas vor ihm verbergen zu können, und so, wie der Junge auf seine Worte reagiert hatte, konnte er nur vermuten, dass Frodos Missetat weit über die gewöhnlichen Streiche junger Hobbits, denen mit wenigen Worten des Tadels genüge getan war, hinaus ging. Saradoc verdrängte den Gedanken für den Augenblick, beschloss aber, Frodo im Auge zu behalten, auch wenn er nicht ganz glauben wollte, dass dies wirklich der Grund für Frodos Anspannung war.
Im schwachen Licht der Kerze konnte Saradoc die Überraschung über seine Aussage in Frodos Augen erkennen und lächelte. "Milo scheint wohl doch mehr an seinem Zuhause zu liegen als wir alle gedacht haben. Päonie erwartet ihr erstes Kind und da die beiden in Hobbingen bei Päonies Eltern gelebt und keine eigene Höhle gefunden haben, haben sie beschlossen, das Kleine im Brandyschloss unter den Augen und guten Ratschlägen vieler großzuziehen."
"Ob das eine gute Ideen war?", stellte Frodo mit einem Kichern fest, als wisse er genau, wovon er sprach und Saradoc konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. Dann legte der junge Hobbit jedoch die Stirn in Falten und seine Augen nahmen wieder den argwöhnischen Ausdruck an, den Saradoc schon zuvor bemerkt hatte. "Doch was hat das alles mit mir zu tun?"
Mit einem Mal erlosch Saradocs Lächeln. Den leichten Teil dieses Gesprächs hatte er nun hinter sich gelassen und es galt, Frodo die Notwendigkeit seiner Pläne verständlich zu machen.
"Um dir das zu erklären, bin ich hier. Doch ich möchte dich bitten, Frodo, dass du mir zuhörst, ehe du mich unterbrichst."

Frodo konnte spüren, wie sich sein Magen verkrampfte. Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich noch. Saradocs Worte ließen auf nichts Gutes hoffen und der Ausdruck im Gesicht des Herrn ließ Frodo einen kalten Schauer der Sorge über den Rücken laufen. So hatte Saradoc noch nie mit ihm gesprochen und das beunruhigte Frodo mehr, als ihm lieb war und für einen Augenblick wünschte er sich, trotz seiner Neugier, er hätte seine letzte Frage nicht gestellt.
Sein Blick ruhte auf Saradoc, dessen Augen ihn im Licht der Kerze ernst und eingehend musterten. Frodo fühlte sich unbehaglich, verspürte den Drang aufzuspringen und die Spannung, die sich so plötzlich über ihn und den Herrn von Bockland gelegt hatte, zu brechen, doch er besann sich, schluckte den Knoten in seinem Hals und nickte schließlich zögernd, gespannt darauf wartend, was Saradoc ihm wohl sagen würde.
Saradoc nickte ebenfalls, ehe er mit seiner Erklärung begann. "Wie du bestimmt weißt, sind im Augenblick so gut wie all unsere Zimmer belegt, da wir mehr oder weniger das ganze Jahr über Gäste zu Besuch haben. Für Milo und Päonie habe ich lange keinen geeigneten Platz gefunden, doch dann fiel mir die Lösung förmlich vor die Füße. Mimosa Braunlock, die bisher in einem geräumigen Zimmer mit ihrem Gatten Togo gelebt hat, hat mir erklärt, dass sie diesen Raum, jetzt da Togo von ihr gegangen ist, nicht mehr benötigte und dass sie das Zimmer gerne Milo und Päonie zur Verfügung stellen will. Das Problem, dass sich mir dadurch auftat, war jenes, dass ich nicht wusste, wo Mimosa hausen sollte, doch auch für dieses habe ich, so denke ich, eine geeignete Lösung gefunden."
Frodo hörte schweigend zu, doch nur langsam wurde ihm klar, worauf Saradoc hinaus wollte. Seine Finger gruben sich in die Bettdecke und sein Herzschlag beschleunigte sich, während er angespannt darauf wartete, dass Merrys Vater, der zu einer kurzen Pause angesetzt hatte, weiter sprach. Der Herr von Bockland würde das bestimmt nicht von ihm verlangen. Dies war sein Zimmer, sein Leben. Alles, was ihm lieb und teuer war, befand sich innerhalb dieser vier Wände, ganz gleich ob es sich dabei um kleine Kostbarkeiten oder Erinnerungen handelte. Diese vier Wände, könnten sie sprechen, wüssten mehr über ihn zu berichten, als alle Bewohner des Brandyschlosses gemeinsam. Saradoc konnte nicht von ihm verlangen, das Zimmer aufzugeben und das würde er auch nicht tun. Der Herr von Bockland besaß Vernunft genug, zu wissen, was ihm dieser Raum bedeutete.
Der Gedanke beruhigte Frodo, doch sein Unbehagen wollte sich mit einer Vermutung allein nicht zufrieden geben und schlich sich durch jede Faser seines Körpers.
"Ich würde dich gerne darum bitten, dein Zimmer in Zukunft mit Merry zu teilen, sodass Mimosa hier ein kleines, neues Zuhause für sich findet."

Noch ehe Frodo wusste, was er tat, war er aufgesprungen und blickte mit funkelnden Augen auf den Herrn von Bockland hinab. Seine Erbitterung brach aus ihm hervor wie das Feuer aus dem Schlund eines Drachen und die Empörung über Saradocs Bitte brachte das Blut in seinen Adern zum Kochen, wandelte sich schließlich in Zorn um.
"Was?!" schrie er aufgebracht, unfähig, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
Nie hätte er Saradoc zugetraut, eine solche Frage zu stellen. Ahnte er denn nicht, wie wichtig dieser Raum für ihn war? Sah er denn nicht, wie sehr er an diesem Zimmer hing? Woher nahm sich Saradoc überhaupt das Recht, so etwas von ihm zu verlangen. Dies war sein Zimmer, war es schon immer gewesen und würde es auch immer bleiben. Saradoc konnte es ihm nicht nehmen, durfte es nicht!
Frodo keuchte, als sich Furcht mit seinem Zorn vermischte. Saradoc war der Herr von Bockland, er konnte ihn aus seinem Zimmer vertreiben, doch Frodo würde das nicht erlauben. Sein Zimmer, sein Zuhause würde er niemals einem anderen überlassen. Niemals!
"Setz dich, Frodo!" verlangte Saradoc, und auch wenn seine Stimme ruhig war, ließ sein Tonfall ein Nein nicht als Antwort gelten.
Verständnislos ließ Frodo seinen zornigen Blick auf dem Herrn von Bockland ruhen, sah ihm tief in die Augen, senkte dann aber den Kopf, als Saradoc seinem Blick standhielt und die Flamme der Kerze sich gefährlich funkelnd darin spiegelte. Ohne Widerworte ließ er sich schließlich auf sein Bett fallen und starrte zu Boden. Seine Hände zitterten, so krampfhaft ballte er sie zu Fäusten. Er musste es verhindern, irgendwie musste er verhindern, dass Saradoc ihn aus seinem Zimmer vertrieb, doch wie?
"Du hast keinen Grund aufbrausend zu reagieren", ließ Saradoc ihn ruhig wissen. "Ich habe dich lediglich darum gebeten. Noch ist nichts entschieden."
"Aber im Grunde steht es bereits fest", tat Frodo mit zittriger Stimme kund. "Habe ich nicht Recht?"

Saradoc seufzte. Dies gestaltete sich wesentlich schwieriger, als er erhofft hatte. "Ich wäre froh, wenn du einwilligen würdest."
Er konnte Frodos Unwillen verstehen, schließlich hatte der Junge fast sein ganzes Leben in diesem Zimmer verbracht. Allerdings hatte er auch gehofft, Frodo würde seine Gründe einsehen, doch offensichtlich hatte er sich darin getäuscht. Frodo liebte sein Zimmer, dessen war Saradoc sich bewusst, doch er wusste auch, wie oft Merry oder Frodo sich heimlich in das Zimmer des anderen geschlichen hatten und verstand deshalb nicht, dass Frodo auch auf den Vorschlag, sein Zimmer nun mit Merry zu teilen, so heftig reagierte.

Verzweiflung drohte ihn zu übermannen. Frodo erinnerte sich an ein längst vergangenes Gespräch, dass er mit Saradoc geführt hatte. Es war Abend gewesen, als er mit Merry in das Arbeitszimmer des Herrn gegangen war, wo er Saradoc an seinem Schreibtisch sitzend angetroffen hatte. Auch damals war es um ein Zimmer gegangen, doch nicht um sein eigenes. Zu der Zeit hatte er darum gebeten, das Zimmer seiner Eltern zu erhalten und Saradoc hatte ihm diesen Wunsch verwehrt. Frodo war sich beinahe sicher, dass Saradoc ihm auch dieses Mal nicht seinen Willen lassen würde, bis ihm plötzlich ein Gedanke kam.
"Was ist mit Krickloch?", fragte er und hob den Kopf, Hoffnung in seinen blauen Augen. "Milo könnte dort einziehen. Das Haus ist im Augenblick nicht bewohnt und bietet genug Platz für eine Familie. Ich könnte mein Zimmer behalten."
Zu Frodos bitterer Enttäuschung schüttelte Saradoc den Kopf. "Milo und Päonie möchten bei der Familie sein und diese Nähe ist in Krickloch nicht gegeben."
"Was ist mit Mimosa?", wollte Frodo wissen und klammerte sich dabei verzweifelt an seinen letzten Hoffnungsschimmer.
Ein gequältes Lächeln glitt über Saradocs Lippen. "Was soll Mimosa denn alleine in einem so großen Haus? Ihr würde die Decke auf den Kopf fallen. Außerdem, wer sollte dann unser Essen zubereiten?"
Frodos Augen funkelten und er konnte sich gerade noch zurückhalten, nicht laut auszurufen und erneut aufzuspringen. Stattdessen öffnete er nur den Mund, für den Moment unfähig, ein verständliches Wort zu gebrauchen. Erst jetzt wurde ihm klar, wer Mimosa Braunlock war. Er und alle anderen Kinder im Brandyschloss kannten sie unter einem anderen Namen. Die Küchen-Mimi wurde sie genannt, denn ihre Tätigkeit beschränkte sich auf die Arbeit in der Brandyschlosser Großküche.
"Die Küchen-Mimi", stellte er spöttisch fest, sprang schließlich doch auf und funkelte Saradoc zornig an. "Ihr willst du mein Zimmer geben? Du gehst auf die Wünsche der Küchen-Mimi, einer Fremden, ein, während du meine nicht beachtest?"

Frodos Worte und die Art, wie der junge Hobbit ihn ansah, ließen Saradoc beinahe die Geduld verlieren. Das Funkeln in Frodos Augen zeugte von Aufsässigkeit und genau das war es, was Saradoc noch nie ertragen hatte und im Augenblick auch nicht gebrauchen konnte. Dennoch behielt er seine Ruhe, auch wenn er den Blick streng auf Frodo gerichtet hielt.
"Setz dich!" verlangte er, wie auch schon zuvor, doch seine Stimme war angespannter. Als Frodo seinen Worten keine Folge leistete, wiederholte er die Aufforderung strenger und lauter, aber auch das schien den jungen Hobbit nicht einzuschüchtern.

"Weshalb sollte ich mich setzen?", fragte er zornig und seine Augen blitzten auf.
Saradocs Augen funkelten gefährlich und für einen Augenblick war Frodo versucht nachzugeben. Die Flamme der Kerze auf seinem Nachttisch flackerte, als würde sie die Spannung spüren, die den Raum erfüllte. Frodos Finger gruben sich tief in seine Handflächen. Dieses Mal würde er die Spannung nicht brechen. Dieses Mal würde er Saradocs Blick standhalten und nicht aufgeben. Dies war sein Zimmer und er würde es nicht kampflos aufgeben.

"Es unterhält sich wesentlich besser, wenn du dich hinsetzt", ließ Saradoc ihn wissen und in seinen Augen konnte Frodo erkennen, dass die Ruhe, die noch in seiner Stimme lag, schon lange ihre Grenzen erreicht hatte.
Obschon es ihn seinen ganzen Mut kostete, diese Worte auszusprechen, spie Frodo dem Herrn förmlich entgegen, dass er ihm ohnehin nicht zuhörte. Nein, Saradoc hörte nicht zu. Er hatte ihm noch nie zugehört. Saradoc verstand ihn nicht, würde ihn nie verstehen.

"Ich höre dir zu", ließ Saradoc ihn wissen und stand auf, auf dass Frodo nicht länger auf ihn herabblicken konnte, als würde er ein Kind zurechtweisen. Frodo war es, der das Kind war und Saradoc musste dafür sorgen, dass der Junge wieder wusste, wo seine Grenzen lagen, denn diese hatte er bereits überschritten. "Du bist es, der mir nicht zuhört, Frodo, und jetzt setz dich!"
Seine letzten Worte waren nicht nur ein Befehl gewesen, denn Saradoc hatte ihnen Taten folgen lassen, hatte beide Hände auf Frodos Schultern gelegt und den Jungen so zurück auf das Bett gedrückt. Er selbst blieb stehen, auf dass Frodo nicht noch einmal auf die Idee kam, seine Autorität zu untergraben. Innerlich seufzte er jedoch. Er hatte nicht geglaubt, dass es so schwierig werden würde. Er würde Frodo seinen Wunsch gewähren, wüsste er eine andere Lösung, doch er hatte sich nun schon mehrere Tage den Kopf darüber zerbrochen und keine gefunden. Seine Gesichtszüge wurden sanfter, als er auf Frodo hinab blickte, der mit Augen voller Traurigkeit und Zorn zu ihm aufsah. Er mochte ein Sturkopf sein, doch er hatte begriffen, dass er seine Grenzen überschritten hatte und schien nun wieder gewillt ihm zuzuhören.
"Ich habe gesagt, dass noch nichts entschieden ist und so ist es auch. Ich habe weder deine Wünsche nicht beachtet, noch die von Mimosa in den Vordergrund gestellt. Ich habe dich nur darum gebeten, dein Zimmer aufzugeben und hoffte, die Idee mit Merry zusammenzuziehen, würde dir gefallen. Offensichtlich ist dem nicht so. Ich hatte vor, sein Zimmer neu einzurichten, um es euch beiden gemütlich zu machen. Ich weiß, du hängst sehr an diesem Raum, da du hier gelebt hast, seit du mit sechs Jahren dein eigenes Zimmer bekommen hast und genau deshalb habe ich dich gefragt und deinen Auszug nicht einfach beschlossen. Natürlich wäre es für mich einfacher, wenn du einwilligen würdest, doch ich verstehe auch, wenn du dies nicht tust. Dennoch hoffe ich, dass du deine Worte noch einmal überdenkst, denn du weißt, dass ich nicht weiß, wie ich die Zimmer sonst einteilen sollte. Eines will ich dir aber noch sagen. Du solltest nicht über andere spotten, Frodo, nur weil du sie nicht kennst. Mimosa mag zwar nicht mit den Brandybocks verwandt sein, doch ist sie keine schlechte Person. Auch die Tatsache, dass sie in der Küche arbeitet, ändert daran nichts. Deine Tanten Asphodel und Berylla sind ebenfalls dort tätig. Du willst nicht, dass über dich gespottet wird, also spotte nicht über andere. Dazu hast du nicht das Recht."

Frodo war von Saradocs Tat überrascht gewesen und für einen Augenblick bekam er es mit der Angst zu tun. Er war zu weit gegangen, das ließ ihn Saradoc nun deutlich spüren. Doch was sollte er sonst tun, wenn er sein Zimmer nicht verlieren wollte? Er senkte den Kopf und auch wenn er nicht auf Saradocs Worte reagierte, hatte er jedes einzelne davon in sich aufgenommen. Noch während Saradoc sprach, schwand Frodos Zorn und ließ ihn leer zurück. Er wagte es nicht, dem Herrn noch einmal in die Augen zu sehen, auch nicht, als sie sich schweigend gegenüber saßen, denn Saradoc hatte wieder auf dem Stuhl Platz genommen und musterte ihn eingehend.
"Das letzte Wort liegt bei dir", ließ Saradoc ihn schließlich wissen und als Frodo auch darauf nichts erwiderte, wünschte ihm Merrys Vater eine gute Nacht und verließ das Zimmer.

In der Hoffnung, dieses Gespräch nun in gesitteterem Tonfall weiterführen zu können, auch wenn er insgeheim wusste, dass Frodo nichts mehr sagen würde, setzte sich Saradoc zurück auf den Stuhl. Der junge Hobbit hielt den Blick gesenkt, unwillig, ihn noch einmal anzusehen und so gab Saradoc es schließlich auf. Frodo würde über seine Worte nachdenken, dessen war er gewiss, und das genügte ihm, auch wenn es ihn schmerzte, sich vorzustellen, was der junge Hobbit nun fühlen musste. Doch er hatte ihm die Entscheidung überlassen und sollte Frodo bei seiner Meinung bleiben, so würde er diese akzeptieren und gezwungenermaßen nach anderen Lösungen suchen. Saradoc verharrte noch einen Moment länger unter dem dichten Mantel des Schweigens, der sich um sie gelegt hatte, ehe er erneut das Wort ergriff, um sich von Frodo zu verabschieden.

Frodo blieb alleine zurück, verlassen und zitternd vor Verzweiflung. Saradoc hatte Recht, er liebte sein Zimmer, wie kein anderes im Brandyschloss und er wollte es nicht aufgeben, doch was blieb ihm anderes übrig? Mit seinen Worten hatte ihm Saradoc klar gemacht, dass es im Augenblick keinen anderen Weg gab und doch überließ er ihm die scheinbare Entscheidung.
‚Nimm mir nicht auch noch mein Zimmer', bat er im Stillen. ‚Es ist alles, was mir blieb.'
Sollte er ausziehen müssen, was blieb ihm dann noch? Er hatte seine Eltern verloren, seine Großmutter hatte ihn verlassen und Bilbo hatte sich von ihm abgewandt. Woran sollte er sich klammern, wenn ihm der einzige Ort genommen wurde, an dem er sich noch Zuhause fühlte?
Langsam, beinahe zögernd hob Frodo schließlich den Kopf, griff nach dem Bild seiner Eltern und blickte lange auf die dunklen Kohlestriche, die den Gestalten Leben einhauchten. Ihr Rat war es, den er jetzt brauchte, doch wie schon viele Jahre lang, würde er auch dieses Mal ohne die lieben Worte seiner Mutter oder die weisen Antworten seines Vaters auskommen müssen. Ein leises Seufzen entwich Frodos Lippen, als er spürte, wie die Verzweiflung, die er schon viele Wochen zu bekämpfen suchte, erneut drohte, ihn zu übermannen. Doch er ließ es nicht zu. Stattdessen klammerte er sich an Saradocs letzte Aussage - "Das letzte Wort liegt bei dir." - und traf im Stillen eine Entscheidung, auch wenn er wusste, dass es ihm Kummer bereiten würde, ganz gleich, wozu er sich entschloss.

Seit dem Tod seiner Eltern hatte er sich gewünscht, Saradocs Anerkennung zu erlangen, hatte versucht, ihn glücklich zu machen, doch der erhoffte Erfolg war ausgeblieben. Er hatte bald erkennen müssen, dass Merry bei weitem mehr Anerkennung erhielt, als er selbst. Es hatte ihn geschmerzt, diese Erkenntnis zu gewinnen, doch mit der Zeit hatte er sich damit abgefunden. Merry war Saradocs Sohn, er dagegen war nur ein Junge, dessen Saradoc sich freundlicherweise angenommen hatte. Er sollte Saradocs Güte dankbar sein, anstatt auf sein Lob zu gieren. Und doch war es ihm bei allem was er tat nie gelungen, nicht zumindest auf ein wenig Bestätigung zu hoffen. Nun bot sich ihm die Möglichkeit, Saradocs Anerkennung zu gewinnen, war nur eine einzige Antwort entfernt, und er konnte sie nicht ergreifen.
Saradoc brauchte dieses Zimmer und er wäre bestimmt stolz auf ihn, würde er es ihm zur Verfügung stellen, wie die Küchen-Mimi ihm ihr Zimmer überlassen hatte. Doch Frodo konnte das nicht. An allen vier Wänden, an der Decke, am Fußboden und an allen Einrichtungsgegenständen hingen Erinnerungen. Viele davon waren nicht mehr klar, doch behielten sie ihren Wert und machten das Zimmer zu dem, was es war. Es aufzugeben würde bedeuten, ein weiteres Stück seiner selbst zurückzulassen und dazu war Frodo nicht bereit. So sehr es ihn auch schmerzte, er musste Saradocs Wunsch ablehnen und auf die Annerkennung, die ihm möglicherweise zugekommen wäre, verzichten.





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