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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 54: Sommertage



Frodo hing das Haar nass in die Stirn, als er mit geschlossenen Augen im Zuber saß und den Kopf zurücklehnte. Seine Wangen waren gerötet von der Arbeit in der Sonne und der feuchten und warmen Luft im Badezimmer. Kleine Dampfwölkchen hingen an der Decke, wo sie sich sammelten und darauf warteten, dass eine Tür geöffnet wurde, damit sie durch die Gänge des Brandyschlosses huschen konnten. Ein Feuer flackerte in der Feuerstelle inmitten des Raumes und erwärmte einen Topf mit Wasser. Esmeralda hatte zudem einige Lampen entzündet, da sie genügend Licht benötigte, um sowohl Frodo als auch Merry die Haare zu schneiden. Merry war bereits aus seinem Zuber gestiegen und saß, nur mit einer Hose bekleidet, auf einem Stuhl am anderen Ende des Zimmers. Den Kopf hatte er vornüber gebeugt, während seine Mutter mit einem Kamm die widerspenstigen, braunen Locken bändigte und ihnen mit der Schere zu Leibe rückte. Er lachte und redete mit Esmeralda, doch Frodo nahm seinen Vetter kaum wahr, als er sich noch ein wenig tiefer in das warme Wasser sinken ließ und die Augen schloss. Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich, war Marmadas und Merimac seit den frühen Morgenstunden bei der Heuernte behilflich gewesen und als er abends wieder nach Hause gekommen war, hatte er geglaubt, jeden einzelnen Muskel seines Körpers spüren zu können. Doch nun, im warmen Wasser, war es ihm gelungen, sich zu entspannen. Er sog den Duft von Lavendel und Bienenwachs tief in sich ein und seufzte leise. Auch wenn er glaubte, jeden Augenblick einzuschlafen, war er zufrieden und sein Herz war froh. Es war eine Menge Arbeit gewesen, doch Merry und er hatten sichergestellt, dass genügend Pausen den anstrengenden Tag auflockerten und verbrachten einen großen Teil damit, sich gegenseitig mit Heu zu bewerfen, anstatt es zu wenden, einzusammeln oder aufzuhängen. Madoc und Minto, die bei der Heuernte ebenfalls behilflich gewesen waren, unterstützten sie auch dabei kräftig.
Es war ein warmer Tag gewesen und die Sonne hatte erbarmungslos auf sie herab gebrannt, doch gegen Abend waren erste Wolken aufgezogen und Frodo vermutete, dass es noch ein Gewitter geben würde.

Nach den Lithe-Feiertagen war es wärmer geworden und der Sommer war endgültig ins Land gezogen. Für Frodo war es ein schöner Sommer gewesen. Zwar hatte er viel auf den Feldern helfen und sich oft um die Tiere kümmern müssen, doch hatte unter all der Arbeit auch jede Menge Vergnügen Platz gefunden. Merry und er waren, wie jedes Jahr, oft zum Bruch gegangen und Merry hatte es sich nicht nehmen lassen, trotz Frodos Warnungen, das eine oder andere Mal Pilze aus Maggots Hof zu stehlen. Nicht selten war er dabei den Hunden nur knapp entkommen, doch bisher waren seine Raubzüge immer gut ausgegangen. Frodo hatte sich meist ebenfalls auf die Suche nach etwas Essbarem begeben und war dabei nicht selten auf dem Hof der Bäuerin gelandet, bei der er schon einmal Tomaten und Karotten mitgehen lassen hatte. Auch er war nie erwischt worden und so hatte er sich mit Merry an vielen Nachmittagen ein kleines, zusammen gesammeltes Festmahl gegönnt.
Nun war der Sommer schon beinahe vorüber und bereits in einem Monat sollte er achtzehn werden. Noch immer nicht in seinen Tweens, aber immerhin ein Jahr näher.
Ob Bilbo ihn wohl besuchen kommen würde? Frodo hoffte es sehr, denn er vermisste den alten Hobbit. Seit seinem letzten Besuch mehr denn je. Bilbo hatte getan, was keiner sonst vollbringen konnte. Er hatte ihm gleichzeitig seine Angst genommen, seine Trauer gelindert und ihm das gegeben, wonach er sich so sehr gesehnt hatte. Er hatte ihn umarmt, und die Wärme, die diese Umarmung mit sich gebracht hatte, hatte sich ohne sein Wissen tief in seinem Herzen eingebrannt, wo sie nun sehnsüchtig darauf wartete, von neuem entfacht zu werden. Nur selten ergriff diese Sehnsucht Besitz von ihm, oder wurde die Trauer in ihm wieder wachgerüttelt, doch dann blickte er zu den Sternen und lebte von der Erinnerung an seine Eltern, seine Großmutter und an die Wärme, die Bilbo ihm hatte zuteil werden lassen. Eine Wärme, die bei keinem anderen so stark war, ihn bei keinem anderen so sehr an seine Mutter erinnerte, wie bei Bilbo.

"Glaubst du, er schläft?"
Frodo blinzelte, als er Merrys leise Stimme über sich hörte. Sein Vetter war über ihn gebeugt und blickte neugierig mit ausgesprochen kurzem, aber krausem Haar auf ihn herab. Frodo richtete sich auf und rieb sich den Nacken, der an der Kante des Zubers ruhte.
"Ich schlafe nicht", ließ er seinen Vetter wissen, wobei er gegen ein Gähnen ankämpfte.
Esmeralda sah zu ihnen herüber und nickte auf den leeren Stuhl. "Du bist an der Reihe."
Mit einem kritischen Blick auf Merrys kurz geschnittenen Krauskopf deutete er ihr an, sich umzudrehen, ehe er nach einem Handtuch griff und aus dem Zuber stieg. "Du willst meine Haare doch nicht ebenso kurz schneiden?"
Esmeralda lächelte. "Das hatte ich eigentlich vor."
"Das ist zu kurz", ließ Frodo sie wissen, während er sich mit dem Handtuch trocken rieb und anschließend in seine Hose schlüpfte.
"Wir werden sehen", erklärte sie. "Je kürzer du sie jetzt schneiden lässt, umso länger hast du hinterher Ruhe."
Frodo drehte sich zu ihr um und erklärte, dass Merrys Haarschnitt für ihn trotzdem zu kurz wäre, was seinem Vetter ein leises Kichern entlockte.
"Versuch es gar nicht erst, Frodo", teilte er ihm mit. "Sie macht ohnehin, was sie will."
Vermutend, dass Merry Recht hatte, verfiel Frodo in Schweigen, als er seine Hose zuknöpfte und sich auf den Stuhl setzte. Merry wollte sich anschicken vor Frodo auf dem Fußboden Platz zu nehmen, um sich weiterhin mit seinem Vetter und seiner Mutter unterhalten zu können, doch Esmeralda hinderte ihn daran, indem sie ihm auftrug, zu seinem Vater zu gehen und ihm zu berichten, dass sie hier bald fertig war und er und Merimac anschließend baden konnten. Wenn er dies erledigt hatte, solle er in der Küche beim Aufräumen helfen. Merry starrte sie mit großen Augen an. Immerhin hatte er heute mehr als genug gearbeitet, als dass er auch noch in der Küche zu helfen brauchte, doch Esmeralda ließ sich nicht umstimmen.
Während Merry das Bad murrend verließ, sah Frodo sie verwirrt an. "Warum schickst du ihn weg? Er hat heute genug gearbeitet und hätte mich nicht gestört."
Esmeraldas hellbraunes Haar war von ihrem langen Aufenthalt im Badezimmer feucht geworden und hing ihr nun strähnig in die Stirn. "Ich möchte aber mit dir alleine sein und deshalb muss ich Merry anderweitig beschäftigen."

Frodo runzelte die Stirn und sah sie kritisch an. Wenn sie mit ihm alleine sein wollte, bedeutete das nichts Gutes. Immer, wenn jemand mit ihm alleine sprechen wollte, lief es darauf hinaus, dass dieser Jemand ihm Fragen stellte. Fragen, die er nicht beantworten wollte. Außerdem, was gab es für einen Grund mit ihm sprechen zu wollen? Es hatte keinen Streit gegeben, er hatte nichts angestellt, jedenfalls nichts wovon er wusste und selbst wenn, wäre es ohnehin Aufgabe von Saradoc, ihn zu bestrafen, und auch sonst gab es keinen Grund ein Gespräch unter vier Augen mit ihm zu suchen.

Esmeralda war gerade dabei, den Kamm durch Frodos dunkle Locken gleiten zu lassen, als sie spürte, wie der Junge sich verkrampfte. Sie seufzte leise. Diese Reaktion kannte sie nur zu gut. Frodo sprach nicht gerne mit jemandem alleine und manchmal fragte sie sich, wie Bilbo es schaffte, mit dem Jungen über das zu sprechen, was ihn beschäftigte. Sie wusste nicht genau, worüber sich Bilbo mit dem Jungen unterhielt, doch er schaffte es immer wieder, Frodo aufzuheitern, und manchmal beneidete Esmeralda ihn um diese Gabe.
"Ich weiß, du sprichst nicht gerne mit jemandem allein. Ich würde mich trotzdem gerne mit dir unterhalten."
"Worüber?" Seine Stimme klang misstrauisch und die Anspannung, die sie ihm förmlich ansehen konnte, ließ nicht nach.
"Ich weiß nicht", entgegnete sie, setzte die Schere an und kürzte die ersten Locken. "Du scheinst mir heute Abend sehr still und betrübt zu sein."
"Ich bin nur müde", antwortete Frodo und Esmeralda zweifelte nicht an der Wahrheit dieser Aussage, auch wenn das Frodos betrübten Gesichtsausdruck nicht erklärte.
Sie schwieg einige Zeit und wartete darauf, dass die Anspannung nachließ, doch das tat sie nicht. Frodo schien nur auf ihre nächste Frage zu warten und sich bereit zu machen, allem auszuweichen, das ihm zu nahe kam. Nach Mirabellas Tod hatte sie oft versucht, mit ihm zu sprechen, doch Frodo hatte sich verschlossen, war Fragen, die er nicht beantworten wollte, ausgewichen oder hatte geschickte Gegenfragen gestellt, die vom eigentlichen Thema ablenken sollten. Auch später wollte sie ihn ab und an in ein Gespräch verwickeln, doch sobald sie auf Dinge zu sprechen kam, die Frodo zu nahe gingen, blockte er ab. Saradoc hatte ebenfalls versucht, sich mit dem Jungen zu unterhalten, doch ohne Erfolg. Er hatte ihr erzählt, was Bilbo ihm gesagt hatte, dass Dinge in dem Jungen vorgingen, die es zu erfahren galt. Auch wenn Frodo es sich nicht anmerken ließ, sobald sie ihn in ein Gespräch verwickeln wollte, wusste sie, dass Bilbo Recht hatte. Frodo hütete ein Geheimnis und so sehr sie es wünschte, konnte sie ihm nicht helfen, solange der Junge es ihr nicht anvertraute. Weshalb fürchtete er das Gespräch mit ihr?
"Was geht dir durch den Kopf?", fragte sie unvermittelt, als sie eine weitere dunkle Locke abschnitt.
Für einen Augenblick verkrampften sich Frodos Schultern stärker, doch dann entspannte er sich und sagte: "Ich habe nur nachgedacht."
"Worüber?"
"Nichts Wichtiges", war seine rasche Antwort, dann verfielen sie wieder in Schweigen.

Frodo wusste, sie würde nicht weiter fragen und selbst wenn sie es täte, könnte er ihr antworten, ohne weitere Fragen fürchten zu müssen. Er hatte über seinen Geburtstag nachgedacht und darüber, dass er den Tweens einen Schritt näher kam. Das war nichts, wofür es sich lohnte, weitere Fragen zu stellen.
Esmeralda drückte seinen Kopf sanft nach vor. Er blickte zu Boden und spürte, wie die Zacken des Kammes über seinen Hinterkopf und seinen Nacken strichen. Frodo konnte es nicht verhindern, doch selbst nach vielen von Esmeraldas Haarschnitten und einigen weniger angenehmen, die von seiner Tante Asphodel durchgeführt worden waren, erinnerte ihn diese Art der Behandlung immer noch an seine Mutter. Als er jünger gewesen war, war er selbst am Nacken sehr kitzlig gewesen und seine Mutter hatte jedes Mal, wenn sie die Haare über seinen Nacken kämmen musste, eine Geschichte erfunden, um ihn abzulenken. Manchmal, wenn er lange vornüber gebeugt sitzen musste, hatte sie ihn anschließend mit ihren Fingern massiert, zumindest, wenn er so lange hatte stillsitzen können, was jedoch meist der Fall gewesen war. Für einen Augenblick schloss Frodo die Augen und gab sich der Erinnerung hin. Er spürte das kalte Eisen der Schere, die die Haare an seinem Nacken stutzten und fröstelte unwillkürlich.

Esmeralda stockte einen Augenblick, als er erzitterte. Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie den Jungen, während sie den Kamm mit gleichmäßigen Bewegungen über seinen Kopf gleiten ließ. Sein Haar glänzte im goldenen Lichtschein und seine Wangen waren von der Sonne gerötet, doch sein Gesicht sah müde aus. Vielleicht war er wirklich nur erschöpft und sie sorgte sich unnötig. Sie unterdrückte ein Seufzen. Manchmal wünschte sie sich, sie würde Frodo ebenso gut verstehen, wie sie Merry verstand. Ihr Sohn konnte nichts vor ihr verheimlichen, denn sie sah es ihm sofort an, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Frodo hingegen war für sie ein Buch mit sieben Siegeln und sie war noch nicht einmal annähernd dabei, das erste dieser Siegel aufzubrechen.
"Ich bin gleich fertig", sagte sie schließlich und schluckte, als sie die Schere erneut ansetzte.
Frodo nickte nur schwach und ließ sie gewähren.



~*~*~



Vorsichtig drehte Merry den Knauf und schloss leise die Türe, als er in das Zimmer im östlichen Gang eintrat. Auf Zehenspitzen tapste er zum Bett auf der linken Seite des Raumes und grinste.
Frodo lag mit dem Gesicht zur Wand in tiefem Schlummer. Seine Stirn ruhte auf dem Rücken seiner linken Hand, während seine rechte mit der Handfläche nach oben neben seiner linken lag. Für einen Augenblick fühlte Merry beinahe etwas wie Widerwillen, während er seinen Vetter betrachtete. Sollte er ihn wirklich aufwecken? Langsam und mit Bedacht kletterte er auf das Bett, bis er schließlich hinter seinem Vetter kniete und auf dessen schlafende Gestalt hinab blickte. Merry konnte sehen, wie sich Frodos Brust unter der Bettdecke in gleichmäßigen, tiefen Atemzügen hob und senkte.
Die Sonne schien durch das kleine, runde Fenster und ließ kleine Staubkörnchen in der Luft sichtbar werden. Merry war durch das Licht geblendet, doch Frodo schien es offensichtlich nichts auszumachen. Er schlief weiterhin tief und fest, hatte sich nicht einmal bewegt, als Merry auf das Bett geklettert war. Frodos Wangen, die am vorherigen Tag von der Sonne verbrannt worden waren, waren noch immer leicht gerötet und die dunklen Locken, jetzt kürzer als selten zuvor, zeigten in alle Richtungen. Wie schon am Abend zuvor, musste Merry lächlen. Er hatte gewusst, dass seine Mutter tun würde, was sie wollte, ganz gleich, was Frodo sagte.
"Frodo", flüsterte er schließlich und legte vorsichtig eine Hand auf die Schulter seines Vetters, unfähig, ihn stürmisch zu wecken, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.
Das spitze Ohr, das zwischen den dunklen Locken hervorlugte, zuckte, doch ansonsten zeigte Frodo keine Regung. Merry wiederholte den Vorgang und dieses Mal legte sein Vetter immerhin die Stirn in Falten und murrte leise ohne aufzuwachen.
"Frodo", flüsterte Merry ein drittes Mal und rüttelte seinen Vetter ein wenig an der Schulter.
Frodo grummelte unzufrieden, als er langsam den Kopf drehte und blinzelte.
"Merry", murmelte er verschlafen und kämpfte verzweifelt gegen seine schweren Lider. "Was machst du hier?"
"Ich überbringe dir Neuigkeiten", verkündete Merry stolz und strahlte von einem Ohr zum andern. "Pippin besucht uns. Er kommt noch heute an."
Er begann aufgeregt auf und ab zu wippen, was unweigerlich dazu führte, dass Frodo verschlafen gegen das leichte Rütteln seines Bettes protestierte.
"Pippin?", fragte er schließlich, als sich Merry wieder beruhigt hatte, und trug dabei einen Gesichtsausdruck, als hätte er diesen Namen noch nie gehört.
Merry nickte. "So ist es. Peregrin Tuk, Sohn des Thains, und seine Schwester Perle."
"Perle?!" Frodos Ausdruck wirkte nun beinahe entsetzt. "Warum Perle?"
Merry zuckte die Schultern. "Vermutlich, damit Pip nicht alleine unterwegs ist."
Frodo nickte schweigend, wobei er den Kopf tiefer in sein Kissen grub und seine Decke enger um sich wickelte. Die Augen waren ihm bereits wieder zugefallen.
Ungeduldig rüttelte Merry an seiner Schulter, woraufhin Frodo die Augen widerwillig öffnete.
"Glaubst du, Pippin wird wieder bei mir schlafen?"
"Entweder das", antwortete Frodo, drehte sich auf die linke Seite und gähnte herzhaft, "oder er teilt sich ein Zimmer mit Perle."
Merry sah ihn vielsagend an. Es stand außer Frage, wo Pippin die nächsten Tage verbringen würde.
"Sehr gut", meinte Frodo schließlich und rutschte näher an Merry heran, sodass dieser zurückweichen musste. "Und da das jetzt geregelt wäre", er rutschte noch näher an die Bettkante, bis Merry von der Matratze rutschte und beinahe gestolpert wäre, "darfst du jetzt gehen und mich ausschlafen lassen."
Mit diesen Worten rollte sich Frodo zurück zu seinem Platz an der Wand, zog sich die Decke bis unter das Kinn und seufzte zufrieden, als er sich in sein Kissen kuschelte.
"Frodo!" rief Merry entrüstet und entdeckte ein Grinsen im Gesicht seines Vetters. "Du wirst sofort aufstehen, oder ich sorge dafür, dass du kein Frühstück bekommst. Weder ein erstes, noch ein zweites!"
Frodo schien auch das völlig gleichgültig, denn er machte nur eine abwinkende Geste und murmelte etwas Unverständliches. Kurzerhand zog Merry seinem Vetter das Kissen weg und schlug es ihm um die Ohren, was Frodo lauter murren ließ. Als er jedoch keine weitere Regung zeigte, sprang Merry zurück auf das Bett und versuchte mit aller Gewalt, Frodo die Decke wegzunehmen, um ihn kitzeln zu können.

Frodo konnte gerade noch das überraschte Quieken unterdrücken, das sich in seiner Kehle formte, als Merry ihn in die Seite kniff. Die Augen, die er zuvor nur schwer hatte offen halten können, waren nun damit beschäftigt, empörte Funken in Merrys Richtung zu sprühen, was seinen Vetter nur verzückt grinsen ließ. Missmutig setzte er sich auf und stieß Merrys verräterische Hände von sich weg.
"So ist es besser", tat Merry kund, als Frodo sich schließlich an die Wand lehnte und die Decke nur mehr seine Füße bedeckte.
Merry kniete ihm gegenüber und wippte aufgeregt auf und ab.
Mit einem Seufzen ließ sich Frodo wieder zur Seite sinken. Der vergangene Tag hatte ihn geschafft. Er war noch immer so müde, dass er glaubte, er könne sofort wieder einschlafen, wenn Merry sein Zimmer verlassen würde. Doch so aufgeregt, wie sein Vetter war, hatte Frodo wenig Hoffnung, dass dieser ohne ihn wieder nach draußen gehen würde. Müde rieb er sich den Schlaf aus den Augen und war verwundert, als Merry plötzlich neben ihm lag. Sein Vetter stützte den Kopf mit dem Ellbogen ab und sah ihn forschend an.
"Du bist müde", bemerkte er.
Frodo zog eine Augenbraue hoch und grinste. "Du denn nicht?"
"Doch", entgegnete Merry und ließ den Kopf nun ebenfalls auf die Matratze sinken, "aber ich bin aufgewacht, als sich alle zum Frühstück versammelten. Berilac hat so laut geredet, ich glaube, man hörte ihn noch in Bockenburg."
Frodo lachte. "Das ist bei Merimas nicht anders und Minze kann noch viel lauter sein als er."
"Das muss eine Krankheit sein", sagte Merry ernst, konnte jedoch ein Kichern nicht unterdrücken.
"Eine sehr gefährliche Krankheit", meinte Frodo und nickte. "Pippin leidet bestimmt schon sein ganzes Leben daran."
Merry prustete los und nur Augenblicke später stimmte Frodo in sein Gelächter mit ein.



~*~*~



Frodo saß auf der breiten Mauer, die die Brandyweinbrücke zu beiden Seiten säumte und ließ die Füße baumeln. Die Brücke aus Backstein war viel befahren und seit er mit Merry am frühen Nachmittag hierher gekommen war, hatten schon viele Karren und Fuhrwerke, die von Ponys und manchmal auch von Ochsen gezogen wurden, die Brücke überquert. Nur von einem Wagen aus Buckelstadt fehlte noch immer jede Spur. Saradoc hatte ihnen beim Mittagessen erlaubt, bis zur Brücke zu gehen und dort auf Pippin und seine Schwester zu warten. Es war ein ganzes Stück Weg bis zur Brandyweinbrücke, doch Merry und Frodo nahmen dieses gerne auf sich, wenn sie dafür ihren Vetter früher in Empfang nehmen durften. Es war ein angenehm warmer Tag. Das Gewitter, das sich am vergangenen Abend angekündigt hatte, war während der Nacht hereingebrochen und hatte für Abkühlung gesorgt.
Der Wind kitzelte Frodo am Nacken. Esmeralda hatte seine Haare eindeutig zu kurz geschnitten. Er drehte sich auf der Brücke um, sodass seine Füße nun dem Wasser zugewandt waren und blickte fasziniert in den darunter fließenden Fluss. Das bräunliche Wasser gurgelte leise und floss gemächlich vor sich hin, wobei es beinahe sanft über das Schilf am östlichen Ufer strich. Frodo beobachtete es einige Zeit schweigend. Er war selten soweit nördlich des Brandyschlosses und hatte den Fluss noch nie aus diesem Blickwinkel betrachtet. Es war beinahe ein friedlicher Anblick. Frodo schloss für einen Augenblick die Augen und sog die frische Luft, die ihm um die Nase wirbelte, tief in sich ein. Als er sie wieder öffnete, sah er für einen kurzen Moment ein blaues Tuch im Schilf liegen. Ein Ende des dünnen Stoffes schwamm gerade so tief im Wasser, dass es nicht von der Strömung mitgerissen wurde, während das andere Ende sich im Schilf verfangen hatte. Frodo stockte der Atem und seine Hände krallten sich unwillkürlich am warmen Stein der Brückenmauer fest. Rasch wandte er den Blick ab, sah zwischen seinen Beinen hindurch direkt in das darunter fließende Wasser. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Die Brücke stand nicht besonders hoch über dem Fluss, doch der Anblick des Wassers ließ ihn schwindeln. Plötzliche Angst herunterzurutschen ergriff ihn und seine Finger gruben sich noch tiefer in die Rillen zwischen den einzelnen Backsteinen.
"Sie kommen!" rief Merry plötzlich neben ihm, sprang auf die Brückenmauer und rannte blitzschnell zum westlichen Flussufer, um den herankommenden Ponywagen zu empfangen.
Frodo hatte sich unterdessen umgedreht, sodass seine Füße wieder der Brücke zugewandt waren auf deren Boden seine Augen hafteten. Er zitterte, wagte nicht, den Blick von den rötlichen Steinen abzuwenden. Es konnte doch nicht sein. Zögernd hob er den Kopf, fand jedoch nicht sofort den Mut, erneut zum Schilf zu blicken. Als er sich schließlich langsam umdrehte, fühlte er, wie ein weiterer Schauder ihn erzittern ließ. Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass das blaue Tuch, das Tuch seiner Mutter, verschwunden war. Hatte er sich das nur eingebildet oder war es das Tuch einer anderen Frau gewesen? Ein Tuch, das verloren worden war und nun von den Wassern des Flusses einem unbekannten Ziel entgegen getragen wurde? Frodo wusste, dass dem nicht so war. Der plötzliche Schmerz in seinem Herzen machte ihm deutlich, dass dies der flüchtige Funke einer Erinnerung an einen Abend vor sechs Jahren gewesen war, einen Abend, den er nie würde vergessen können.

Ein Wagen ratterte an ihm vorüber und Frodo hob überrascht den Kopf. Merry ließ sich neben ihm auf der Mauer nieder.
"Das waren sie nicht", seufzte er und blickte betrübt zu seinem Vetter, der ihn keines Blickes würdigte, sondern nur verwirrt dem Ponywagen hinterher blickte. Merry runzelte die Stirn. Kam es ihm nur so vor, oder war Frodo kaum merklich blasser geworden?
"Frodo, ist alles in Ordnung?"
Frodo zuckte bei der Nennung seines Namens zusammen, wandte sich erschrocken um.
"Ja", sagte er rasch, "es ist alles in Ordnung. Ich habe nur…", er blickte kurz zum östlichen Flussufer und schüttelte den Kopf. "Ich habe nur geträumt."
"Das habe ich gesehen", erklärte Merry und lächelte. Als er jedoch sah, dass sein Vetter nicht lachte, wurde er wieder ernst und bedachte Frodo mit einem kritischen Ausdruck. Er wollte gerade erneut fragen, ob wirklich alles in Ordnung war, als Frodo aufsprang, sich auf der Mauer an ihm vorbei zwängte und rasch zum westlichen Ufer balancierte. "Sie kommen!"
Merry folgte ihm sogleich und kurz darauf konnte er auch schon Pippin sehen. Der junge Hobbit saß neben seiner Schwester in einem Wagen und winkte seinen Vettern aufgeregt zu. Fred Hornbläser, der in den Ställen der Großen Smials angestellt war, lenkte das Pony nach Osten auf die Brücke, wo er es anhalten ließ.
"Merry, Frodo, was fällt euch eigentlich ein!" keifte Perle. "Sofort runter von der Mauer! Wisst ihr denn nicht, wie gefährlich das ist. Ihr könntet runter fallen!" Mit einer raschen Bewegung packte sie ihren Bruder am Arm, da er sich bereits anschickte, vom Wagen aus direkt auf die Brückenmauer zu klettern, um seine Vettern zu begrüßen.
"Peregrin Tuk, wirst du wohl hier bleiben!" Sie zog ihn in den Wagen zurück, wobei sie Merry und Frodo bedeutete, dasselbe zu tun.

Frodo und Merry machten sich zwar nichts aus Perles Schelte, doch die Einladung, zu ihnen in den Wagen zu steigen, nahmen sie gerne an. Mit übermütigen Sprüngen stürzten sie sich auf Pippin und begrüßten ihn herzlich, während Perle verzweifelt versuchte, die Situation unter Kontrolle zu bringen und dabei einsehen musste, dass sie kläglich scheiterte. Als es ihr schließlich gelang, die drei jungen Hobbits zum Hinsetzen zu bewegen, gab sie Fred ein Zeichen, die Fahrt fortzusetzen, woraufhin das Pony in einen gemütlichen Trab verfiel und der Wagen mit gemächlichem Tempo seinem Ziel entgegen ruckelte.





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