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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Author notes:
In diesem Kapitel wird Salbe hergestellt. Ich übernehme jedoch keine Garantie, dass diese Arte der Zubereitung auch wirklich stimmt. Sollte es falsch sein, wäre ich über jede Berichtigung dankbar. Auch das Internet lässt einem über manche Dinge im Dunkeln. :)



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Kapitel 48: Festtagsvorbereitungen



22. Vorjul 1385



Die Sonne ging rot über den Feldern im Osten auf. Bandobras Tuk hatte mit Hilfe vieler Bogenschützen die Orks vertrieben und die Schlacht von Grünfeld, die einzige Schlacht, die jemals im Auenland ausgetragen wurde, hatte ein Ende gefunden.



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Langsam hob Frodo den Kopf und holte tief Luft. Was für eine Geschichte! Die Kerze, die neben ihm auf dem Fußboden stand, flackerte und Frodo blickte verwundert in die gelblichrote Flamme. Nur langsam kehrten seine Gedanken zurück in die Bibliothek, war er doch eben noch damit beschäftigt gewesen, Bandobras Tuk dabei zu unterstützen, Orks, die im Jahre 1147 in das Auenland eingedrungen waren, zu vertreiben.
Er fröstelte, als ihm plötzlich auffiel, wie kalt es in der Bibliothek war. Sofort nach dem Frühstück war er hierher gekommen, um sich ein neues Buch zu holen, doch anstatt in seinem Zimmer zu lesen, war er den Berichten der Schlacht von Grünfeld noch in der Bibliothek verfallen. Später würde er etwas über den Grausamen Winter im Jahre 1311 lesen, als die Flüsse zugefroren und Wölfe in das Auenland eingedrungen waren. Doch erst musste er sich ein wärmeres Plätzchen suchen.

Rasch hatte er das Buch geschlossen und war aufgestanden, um sich genüsslich zu strecken. Für einen Augenblick schloss Frodo die Augen und sog tief den unverwechselbaren Geruch von altem Leder und vergilbten Papier ein. Er genoss den Frieden und die Stille in der Bibliothek, Ruhe, die er nicht einmal in seinem Zimmer fand.
Nachts wurde er oft von Melilot um den Schlaf gebracht, die im Nebenzimmer so laut weinte, dass sie ihre Geschwister aufweckte, die daraufhin ebenfalls zu weinen begannen. Tagsüber hielt er sich selten in seinem Zimmer auf, da er, wie immer im Winter, Unterricht hatte oder seine Zeit mit Merry verbrachte. In den letzten Tagen waren die Unterrichtsstunden jedoch ausgefallen und würden dies auch in den kommenden Tagen tun, denn es musste alles für die Jul-Feierlichkeiten vorbereitet werden und keiner konnte sich mit der Belehrung der Kinder aufhalten.

Frodo griff nach dem Kerzenhalter und blickte sich noch einmal in der dunklen Bibliothek um, deren Wände und Regale voller Bücher das schwache Licht der Kerze kaum widerspiegelten. Zufrieden lächelte Frodo in sich hinein, ehe er sein Buch aufhob und den Raum verließ. Kaum war er aus der Tür getreten, pustete er die Kerze aus und stellte sie auf ein Regal zu seiner Linken, auf dem noch andere Kerzenhalter und Streichhölzer standen.

Während Frodo durch die Gänge stapfte, fiel ihm plötzlich ein strenger und doch angenehmer Geruch auf. Er hielt kurz inne und streckte nachdenklich die Nase in die Luft, in der Hoffnung, den Duft erkennen zu können. Es war der Geruch von frischen Kräutern, doch welcher Kräuter, wusste er nicht. Neugierig ging er seiner Nase nach, um den Ursprung des wohlriechenden Krautes zu ergründen.

Sein Weg führte ihn in eine der größeren Nebenküchen des Brandyschlosses, wo seine Großmutter über zwei große Töpfe gebeugt am Feuer stand. Auf ihren grau-weißen Locken, die sie mit einer Spange im Nacken zusammengebunden hatte, lag ein roter Schimmer. Die Ärmel ihrer blassgelben Bluse hatte sie bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Eine wohlige Wärme strahlte Frodo entgegen, als sich Mirabella umdrehte und ihre Hände an der Schürze ihres braunen Baumwollkleides trockenrieb. Sie lächelte, als sie ihren Enkel erkannte, der sie fragend ansah und neugierig schnüffelnd auf die Töpfe über dem Feuer zuging.
"Was ist da drin?", wollte er wissen.
Mirabella grinste, während sie einen großen Tontopf aus dem Schrank holte. "In einem der Töpfe befindet sich Fenchel und im anderen Salbei, den ich im Wasser auskochen lasse."
"Tee?"
"Nein", Mirabella schüttelte den Kopf, "ich bin dabei, Salbe herzustellen. Dein Großvater wird mir jeden Augenblick das notwendige Fett dafür bringen."
Als hätte er ihre letzten Worte gehört, trat Gorbadoc plötzlich in die Küche, eine Schüssel mit zwei großen Brocken weißen Fettes in der Hand. Frodo trat rasch zur Seite und verzog angeekelt das Gesicht, als sein Großvater an ihm vorüber an den Tisch ging, wo er die Schüssel abstellte. Der alte Hobbit zog den Geruch von Schweinen, Blut und rohem Fleisch hinter sich her. Sein Hemd war mit dunklem Blut bespritzt und auch an seinen Armen klebte Blut, das er wohl vergessen hatte, abzuwaschen.
Frodo spürte, wie ihm übel wurde und hielt sich die Hand vor die Nase.
"Die Schweine für das Jul-Fest sind geschlachtet", verkündete sein Großvater stolz. "Das Fett ist für dich. Um das Fleisch der beiden Tiere werde ich mich kümmern. Merimac und Seredic helfen mir dabei."
Mirabella war zufrieden und holte sogleich einen weiteren Topf aus dem Schrank, in den sie das gebrachte Fett hinein gab. Frodo blickte seinem Großvater hinterher, als dieser die Küche verließ, stellte sich dann neben das Feuer, um den Duft der Kräuter einzuatmen und den Geruch des Blutes vergessen zu können.
"Wozu brauchst du das?", fragte er, als Mirabella zu ihm kam, die Töpfe mit den Kräutern vom Feuer nahm und dafür den, der das Fett beinhaltete, aufsetzte.
"Ich werde das Fett schmelzen, bis nur mehr einige Klumpen übrig bleiben, die Grüben", erklärte sie, erfreut über Frodos Interesse. "Diese werde ich dann herausfischen und später zum Kochen verwenden. Das restliche Fett kommt in den Topf mit Schweineschmalz." Sie deutete mit einem Kopfnicken auf den großen Tontopf, den sie zuvor aus dem Schrank genommen hatte.
"Ich dachte, du wolltest Salbe herstellen?", fragte Frodo und sah verwundert zu ihr auf.
"Das werde ich auch", meinte sie mit einem Lächeln, "und du kannst mir dabei behilflich sein."

Frodo lächelte erfreut, legte sein Buch zur Seite und wurde sogleich damit beauftragt, die Kräuter aus dem Wasser zu schöpfen. Mirabella erklärte ihm, dass nun, da sie die Kräuter ausgekocht hatte, alle wichtigen Inhaltsstoffe im Wasser waren und nicht mehr in den nun lahmen Blättern. Indes verließ seine Großmutter mit einer großen Schüssel in der Hand die Küche, nur um bald darauf zurückzukehren. In der Schüssel fanden sich, zu Frodos Überraschung, nicht etwa weitere Kräuter, sondern viele kleine Gefäße, wie jenes, in welchem Hanna die Ringelblumensalbe aufbewahrte. Frodo stellte all diese Gefäße auf den Tisch und nahm die Korkverschlüsse ab. Kaum war er damit fertig, hatte seine Großmutter schon eine weitere Aufgabe für ihn. Sie hatte in der Zwischenzeit die Grüben aus dem flüssigen Fett geschöpft und gab nun vorsichtig jeweils zehn Tassen des Schmalzes in die Töpfe mit dem Kräuterwasser. Das restliche Fett goss sie in den Schmalztopf und erklärte, dass es bald genauso fest werden würde, wie der wenige Schmalz, der sich noch in dem Tontopf befunden hatte.
"So", stellte Mirabella mit einem zufriedenen Seufzen fest, "jetzt müssen wir nur noch rühren."
Sie drückte Frodo einen Kochlöffel in die Hand, stellte ihm einen der Wassertöpfe hin und bat ihn, so lange zu rühren, bis die Flüssigkeit fester wurde. Sie selbst nahm sich des anderen Topfes an.

Frodo grinste in sich hinein, während er im Topf rührte und darauf wartete, dass dessen Inhalt fest wurde. Es machte ihm Spaß, seiner Großmutter behilflich zu sein und er fand es sehr interessant. Er hatte nicht gewusst, wie Salbe hergestellt wurde, und noch weniger hatte er geahnt, dass seine Großmutter sie herstellten konnte. Außerdem fand er es schön, mit Mirabella zusammen zu sein. Ihm fiel auf, dass er viel zu selten Zeit mit ihr verbrachte und beschloss, dies zu ändern. Mit einem Lächeln im Gesicht blickte er zu seiner Großmutter, die nicht weniger zufrieden zu ihm zurücklächelte.

Mirabella war glücklich, ihr Wissen an ihren jüngsten Enkel weitergeben zu können. Auch wenn Küchenarbeit meist den Frauen vorbehalten war, so war es doch auch gut, wenn Frodo etwas über die Zubereitung bestimmter Dinge erfuhr. Zwar konnte er von Salben nicht satt werden, doch nichtsdestotrotz konnte es sich eines Tages als nützlich erweisen, über deren Herstellung Bescheid zu wissen. Lächelnd strich sie mit dem Handrücken über die Wange ihres Enkels.

Frodos Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, als er die faltige Haut auf der seinen spürte. Für einen kurzen Augenblick lehnte er den Kopf in ihre Berührung, erst dann blickte er erneut zu ihr auf.
"Glaubst du, die Salbe ist jetzt fest genug?", wollte er wissen, denn er wurde des Rührens müde und sein Oberarm begann zu schmerzen.
Mirabella schielte in seinen Topf und schüttelte den Kopf, erklärte aber, dass es nicht mehr lange dauern konnte.

Und tatsächlich, bald darauf war erst Mirabellas Salbe und dann auch seine eigene fertig und sie konnten sich daran machen, die kleinen Gefäße damit zu füllen. Frodo, der die Fenchelsalbe gemischt hatte, füllte die Töpfe am einen Tischende und Mirabella schöpfte ihre Salbeisalbe in jene am anderen Ende, um sicherzugehen, dass die Salben nicht vermischt und dadurch später falsch beschriftet wurden.

"Fertig!" verkündete Frodo mit einem zufriedenen Seufzen, als er das letzte Gefäß gefüllt hatte und sich auf einen der Stühle fallen ließ. Er hätte es nicht zugegeben, doch die Arbeit hatte ihn erschöpft und sein rechter Arm schmerzte vom vielen Rühren.
"Wozu brauchen wir so viele?", wollte er schließlich wissen.
"Wir brauchen nicht alle", erklärte Mirabella und setzte sich ebenfalls auf einen Stuhl, wobei sie sich ihre Hände an ihrer Schürze abwischte. Frodo glaubte nicht, dass ihre Hände tatsächlich schmutzig waren, sondern dass sie dies aus einer Gewohnheit heraus machte. "Nachdem wir sie beschriftet haben, werde ich die meisten zu Fastred bringen lassen. Könntest du das für mich erledigen und heute Nachmittag nach Bockenburg gehen?"
Frodo überlegte einen Augenblick, nickte aber schließlich. Er hatte ohnehin nichts zu tun, denn Merry war mit seinem Vater unterwegs. Was genau der junge Hobbit machte, wusste er nicht, alles, was er ihm gesagt hatte, war, dass es etwas mit den Jul-Feierlichkeiten zu tun hatte, doch das war um diese Jahreszeit beinahe selbstverständlich.



~*~*~



Frodo griff nach seinem Umhang und wickelte sich enger darin ein. Inzwischen war er der Ansicht, dass es doch keine so gute Idee gewesen war, die Salben zu Fastred zu bringen. Kurze Zeit nach dem Mittagessen hatte seine Großmutter ihm in seinen Mantel geholfen und ihm eine Tasche mit den Salben umgehängt. Frodo hatte sich daraufhin seinen Umhang um die Schultern geschlungen und sich auf den Weg gemacht.

Inzwischen hatte er Bockenburg erreicht. Es herrschte reges Treiben auf den Straßen und hier und da hörte man einen Bauer den besonderen Geschmack seiner Kuhmilch oder die Zartheit seines Lammfleisches anpreisen. Zudem gab es viele Frauen, die Gestecke aus Tannen, Stechpalmen und Misteln verkauften, ebenso wie in goldene Bänder gebundene kleine Sträußchen aus Tannen und Mistelzweigen. Frodo wunderte das nicht, denn zur Julzeit blühte der Handel, selbst an Tagen, an denen kein Markt war und die immergrünen Zweige hatten an Jul eine besondere Bedeutung, um die der junge Hobbit allerdings nicht wusste, was ihn aber auch nicht weiter störte. Neugierig ließ Frodo seinen Blick über die Straße wandern und entdeckte einen ältern Hobbit, der rauchend auf der Bank vor seinem Holzhaus saß und das Getümmel auf den Straßen ebenso interessiert beobachtete, wie Frodo das tat. Frodo lächelte in sich hinein und nickte dem Hobbit freundlich zu, als er an ihm vorüberging und dann in eine Seitengasse einbog.

Das warme Licht der Sonne schien auf sein Gesicht und doch fröstelte er, denn obschon es ein schöner Wintertag war, wehte ein kühler Wind. Als er das Haus des Heilers erreichte (es war einer Hobbithöhle so ähnlich wie möglich, hatte sogar eine runde Tür und runde Fenster), klopfte er und wartete ungeduldig schlotternd vor der Schwelle.
Ein Mädchen in seinen Tweens öffnete die Tür und begutachtete Frodo erwartungsvoll. Ihre hellen Locken hatte sie hochgesteckt, nur eine einzelne Strähne hing ihr über die Schulter.
"Was kann ich für dich tun?", fragte sie, ohne ihre grünen Augen von ihm zu nehmen.
Frodo fühlte sich unbehaglich, kam sich klein vor unter ihrem prüfenden Blick, doch sagt er, wenn auch ein wenig zaghaft, dass er zu Herrn Fastred wolle.
"Papa, es ist für dich!" rief das Mädchen über seine Schulter und machte auf dem Absatz kehrt.
Frodo blieb ein wenig verwirrt auf der Schwelle stehen, unsicher, ob er nun eintreten durfte, oder doch lieber draußen warten sollte. Zu seiner Erleichterung erschien Fastred einige Augenblicke darauf an der Tür.
"Frodo, was führt dich denn hierher? Komm nur herein."
Frodo tat gerne, wie ihm geheißen wurde und rieb sich die kalten Hände, als er in die Empfangshalle des Hauses trat.
"Tee?", wollte Fastred wissen, als er ihm andeutete seinen Umhang und seinen Mantel auszuziehen.
Frodo nickte, reichte dem Heiler seinen Umhang, legte die schwere Umhängetasche ab und zog seinen Mantel aus. Fastred führte ihn in das Wohnzimmer des Hauses und stellte ihm seine Familie vor. "Das ist meine Frau, Calendula", erklärte er, als eine Frau mit dunklem Haar und einem grünen Kleid auf sie zukam.
Frodo reichte ihr höflich die Hand und neigte den Kopf ein wenig. Sie lächelte und verschwand kurz darauf in der Küche, um den Tee vorzubereiten.
Fastred deutete auf die anderen beiden Mädchen, die stickend in großen, weichen Sesseln am Kamin saßen. "Und dies sind meine Töchter Mary und Lily, die du ja bereits an der Tür kennen lernen durftest." Fastred warf seiner jüngsten Tochter, die ihren Gast so einfach hatte in der Kälte stehen lassen, einen scharfen Blick zu. Frodo begrüßte auch sie höflich und setzte sich dann an den Tisch. Seine Augen wanderten neugierig durch das geräumige Wohnzimmer, das neben einem Kamin auch einen großen Esstisch beherbergte. Unzählige Lampen, die an reich verzierten Holzhalterungen an den Wänden hingen, spendeten nachts das nötige Licht, doch brannten im Augenblick keine davon, denn das Tageslicht, das durch ein großes Fenster hereinströmte, reichte aus, um den Raum hell und gemütlich wirken zu lassen.
"Nun, Frodo, was führt dich zu mir?", begehrte Fastred zu wissen.
Frodo wandte sich ihm zu, lächelte und legte seine Tasche auf den Tisch. "Ich soll dir das hier bringen. Mit den besten Wünschen meiner Großmutter, Mirabella."
Fastred nahm die Tasche an sich und begutachtete neugierig deren Inhalt. Schließlich lachte er. "Fenchel und Salbei, genau was ich um diese Jahreszeit brauche. Richte deiner Großmutter bitte meinen Dank aus."
"Das werde ich", versicherte Frodo lächelnd.

Kaum hatte Fastred die Salben zur Seite gelegt, war Calendula mit einem Tablett zu ihnen getreten und tischte den Tee auf. Frodo bedankte sich höflich und griff sofort mit beiden Händen nach der Tasse, um seine Finger ein wenig zu wärmen, ehe er einen Schluck der heißen Flüssigkeit zu sich nahm.

Fastred lächelte und beobachtete den Jungen einige Zeit. Auch wenn es inzwischen mehr als fünf Jahre her sein musste, so erinnerte er sich dennoch gut daran, was Frodo nach dem Tod seiner Eltern zu ihm gesagt hatte.

"Was fühlst du, Frodo?"
"Schmerz. Alles schmerzt. Und die Angst, sie ist unerträglich. Ich blicke nach vor und sehe nichts."

Nur wenige Male zuvor hatte er solche Worte am Krankenbett eines Alten vernommen, doch sie aus dem Munde eines Kindes zu hören, hatte ihn erschreckt. Er hatte damals lange über jene Worte nachgedacht und bald erkannt, dass er ein tiefes Mitgefühl für Frodo empfand. Fastred wusste noch genau, was er dem Jungen damals geraten hatte und hoffte inständig, dass Frodo nach all den Jahren gesprochen hatte und seine Ängste mit jemandem teilte. Er selbst hatte ihn seit jenen Tagen nur mehr selten gesehen, und dies war seither die erste Möglichkeit, die sich ihm bot, ein Gespräch mit Frodo zu führen.
"Nun, Frodo, wie geht es dir?", begann er.
Frodo blickte von seiner Tasse auf, musterte den Heiler einen Augenblick mit einem verwunderten Ausdruck. Dann jedoch, stahl sich ein Lächeln über seine Lippen und er nickte leicht. "Es geht mir gut. Die Jultage stehen vor der Tür und, wie jedes Jahr, soll es ein großes Fest geben. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange.
Fastred nickte. "Freust du dich darauf?"
"Sehr", entgegnete Frodo und nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee. "Allerdings ist es schade, dass Bilbo nicht kommen wird. Ich habe ihm vor einigen Wochen einen Brief geschickt, doch er meinte, dieses Jahr würde er wohl nicht kommen können."
Frodo senkte den Kopf und Fastred bemerkte einen traurigen Schatten über die blauen Augen des jungen Hobbits huschen. Doch als Frodo wieder aufsah, war der Schatten verschwunden, auch wenn das Lächeln noch nicht wieder auf sein Gesicht zurückgekehrt war.
Fastred runzelte einen Moment die Stirn und überlegte. Bilbo war Frodos Vetter zweiten Grades, wenn er sich recht entsann. Ein merkwürdiger Hobbit aus Hobbingen, über den man die seltsamsten Geschichten hörte. Dennoch schien Frodo einiges an ihm zu liegen und er entschied, dies etwas genauer zu untersuchen.
"Du vermisst ihn, nicht wahr?"
Frodo nickte. "Manchmal. Er war schon so lange nicht mehr hier."
Ein leises, nachdenkliches Seufzen entwich Frodos Lippen, als dieser versuchte, sich an Bilbos letzten Besuch zu erinnern. Er musste mindestens drei oder gar vier Jahre zurückliegen. Frodo verspürte einen leichten Stich im Herzen, als ihm klar wurde, wie lange er Bilbo nicht mehr gesehen hatte und wie sehr er ihn vermisste. Worte von einem ihrer letzten Treffen klangen in seinen Gedanken.

"Ich hatte geglaubt, wir könnten miteinander reden."
"Wir können reden, Frodo, jederzeit."

Reden. Er hatte damals an Fastreds Worte denken müssen, hatte sogar mit Bilbo sprechen wollen, doch letzten Endes war er wieder gescheitert, fand weder den Mut, noch die richtigen Worte, um Bilbo seine Sorgen, seine Gefühle anzuvertrauen.
Frodo runzelte die Stirn. Fastreds Worte hatten ihn seit sie gesprochen worden waren, nicht wieder losgelassen. Argwöhnisch blickte er auf den Hobbit vor sich. Er erinnerte sich an Gerüchte. Fastred sehe mehr, als manch ein anderer und könne in den Herzen anderer lesen. War es das, was den Heiler zu diesem Gespräch veranlasste? Wollte er in seinem Herzen lesen?
Frodo nippte an seinem Tee, ohne den Hobbit aus den Augen zu lassen.

Fastred bemerkte plötzlich, wie Frodo unsicher wurde, ja, vielleicht sogar ein wenig ängstlich. Das verwunderte ihn und er griff nachdenklich nach seiner Teetasse, doch noch ehe er einen Schluck nehmen konnte, fragte Frodo: "Werden die Salben, die ich gebracht habe, im Winter oft gebraucht?"
Der Heiler hielt in seiner Bewegung inne, überrascht über die plötzliche Wendung ihres Gespräches.
‚Du verbirgst etwas, Frodo. Du hast nach all den Jahren noch immer etwas zu verbergen. Was ist es, das du wie einen Schatz hütest? Wovor hast du Angst? Was glaubst du, könnte ich entdecken, wenn ich weiter frage?'
Fastred nahm einen Schluck seines Tees und entschied, vorerst auf Frodos Ausweichversuch einzugehen. "Fenchel und Salbei helfen vor allem bei Erkältungen. Zwar werden sie meist als Tee verabreicht, doch auch als Salbe können sie sehr hilfreich sein."

Frodo war ein erleichtertes Aufatmen förmlich anzusehen, während Fastred mit seiner Erklärung fortfuhr. Er war sich nicht sicher weshalb, doch es beunruhigte ihn, dass der Heiler ihn ausfragte. Er hatte das schon einmal gemacht und Frodo erinnerte sich nur zu gut, wie rasch er damals geantwortet hatte, oft schon ehe er überhaupt gewusst hatte, was er sagen wollte. Gespräche mit dem Heiler konnten gefährlich sein, auch wenn er eigentlich sehr nett war. Selbst wenn die Gerüchte, die über Fastred im Umlauf waren, nicht stimmten, war es sicherer, Gespräche in die andere Richtung zu leiten, als der Heiler es beabsichtigte.

Frodo stellte noch einige weitere Fragen, die Fastred geduldig beantwortete, doch kaum hatte der junge Hobbit seinen Tee ausgetrunken, erhob er sich.
"Ich sollte gehen", sagte Frodo. "Zu Hause warten sie bestimmt auf mich."
"Dann will ich dich nicht aufhalten", erklärte Fastred und erhob sich ebenfalls. Die Enttäuschung darüber, dass er nicht wieder hatte auf das Ausgangsthema ihres Gespräches zurückkommen können, ließ er sich nicht anmerken.
Frodo verabschiedete sich freundlich von der Familie des Heilers und bedankte sich für deren Gastfreundschaft.

In der Tür beugte sich Fastred noch einmal zu ihm herunter und öffnete Frodos Hand, um drei Silberpfennige hineinzulegen. Frodo starrte den Heiler mit großen Augen an, doch Fastred lächelte.
"Zwei davon sind für deine Großmutter und der dritte ist für deine Mühen."
Frodo öffnete den Mund um zu protestieren, doch Fastred schüttelte den Kopf. Ein Lächeln, das von einem Ohr zum anderen reichte, erschien auf Frodos Gesicht. "Vielen Dank, Herr Fastred. Das ist sehr großzügig."
Der Heiler nickte freundlich, ehe er sich von Frodo verabschiedete.

Frodo lächelte noch immer, als er den Weg nach Hause einschlug. Er hatte einen ganzen Silberpfennig bekommen und das nur, weil er nach Bockenburg gegangen war. Hobbits in seinem Alter bekamen selten etwas bezahlt für ihre Arbeit, erst recht nicht einen ganzen Silberpfennig. Er fragte sich, was er sich wohl damit kaufen würde, entschied dann jedoch, dass ein Silberpfennig viel zu kostbar war, um ausgegeben zu werden. Er würde ihn aufbewahren und eines Tages etwas ganz Besonders damit erwerben. Was das war, wusste er noch nicht, doch er würde es bestimmt wissen, wenn er es sah.



~*~*~



Fröhliches Gelächter erfüllte das Gemeinschaftszimmer des Brandyschlosses. Rauchschwaden hingen in der Luft und zahlreiche Lampen erhellten den Raum, ließen ihn wie die Wirtsstube eines Gasthauses wirken. Überall waren Mistelzweige aufgehängt oder Tannengestecke aufgestellt worden. Viele der Gäste, die für das Julfest erwartet wurden, waren bereits eingetroffen und die Stimmung der Hobbits hätte besser nicht sein können. Alte Freunde wurden fröhlich begrüßt, Familienmitglieder, die das Gedränge im Brandyschloss hinter sich gelassen hatten und ausgezogen waren, wurden willkommen geheißen.

Gorbadoc war der Ansicht gewesen, dass es nicht schaden konnte, schon an diesem Abend den Freuden der Jul-Feierlichkeiten zu frönen und hatte angeordnet, dass Musik spielen sollte. Einige der Hobbits waren dabei ihre Instrumente auszupacken, während Dodinas, Frodos Onkel, seine Trommel bereits hervorgeholt hatte und nun geduldig auf die anderen Musiker, darunter auch Saradas, Merimac und Dinodas, wartete.

Frodo saß nicht weit von seinem Onkel entfernt und äugte die Trommel, die der alte Hobbit neben sich platziert hatte, neugierig. Frodo hatte Dodinas schon häufiger spielen sehen und war jedes Mal begeistert gewesen. Zu gern hätte er selbst versucht, auf der Trommel zu spielen, doch war es ihm bisher nur einmal erlaubt worden. Seine Augen wanderten von Dodinas zu Merry, der neben ihm saß und sich angeregt mit Minto und Madoc unterhielt. Schließlich stand er auf, um sich neben seinen Onkel auf die Eckbank zu setzen und seine Augen weiterhin auf der Trommel, die sich nun in unmittelbarer Reichweite befand, ruhen zu lassen.
"Du willst spielen, nicht wahr?"
Frodo hob überrascht den Kopf und blickte in das grinsende Gesicht seines Onkels. Ein Lächeln stahl sich über seine Lippen und er nickte zaghaft.
Dodinas nahm einen Zug seiner Pfeife, schien nachzudenken, während Frodo gespannt auf eine weitere Reaktion wartete. Doch nichts geschah. Der alte Hobbit nahm einen weiteren Zug, blies einen neuen Rauchring und blickte in die Ferne. Frodos Stirn legte sich verwirrt in Falten, doch seine Augen ließen nicht von dem alten Hobbit ab, beobachteten gespannt jede seiner Bewegungen. Als das Kind schon beinahe glaubte, sein Onkel hätte ihn vergessen, wandte dieser sich mit einem lauten Lachen zu ihm um und griff nach seiner Trommel.
"Dann sollst du spielen, Junge", meinte er und erklärte ihm rasch, wie er die Trommel handhaben musste.

Frodo strahlte von einem Ohr zum anderen, als er seine Hand auf das gespannte Leder prallen ließ und der Trommel dadurch einen tiefen, hohlen Ton entlockte. Er blickte zu seinem Onkel auf, der ihm ermutigend zunickte und kurz darauf schlug Frodo mit beiden Händen schwungvoll auf die Trommel, spielte einen Takt von dem er nicht wusste, wie er ging, ehe seine Hände das gespannte Leder berührt hatten. Seine Augen strahlten und ein breites Grinsen erhellte sein Gesicht, als seine Hände immer schwungvoller auf die Trommel niedersausten. Er fand großen Gefallen an seinem Rhythmus und sein Kopf bewegte sich bald im Takt der Trommelschläge.

Er war so angetan von seiner Musik, dass er kaum bemerkte, wie es um ihn herum plötzlich still wurde. Als ihn dann jedoch das unangenehme Gefühl überkam, beobachtet zu werden, hielt er inne und blickte auf. Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand und Frodo spürte Wärme in seinen Kopf steigen, ein Zeichen dafür, dass seine Wangen erröteten. Die Augen der meisten Anwesenden waren auf ihn gerichtet und in manch einem Gesicht zeigte sich ein amüsiertes Grinsen. Frodo räusperte sich verlegen, reichte die Trommel rasch seinem Onkel zurück und rutschte von der Bank. Dodinas lächelte und wuschelte ihm durch die Haare. "Nicht schlecht, für den Anfang", meinte er mit einem Augenzwinkern.
Die Gespräche im Zimmer wurden bereits fortgesetzt, als sich Frodo mit einem verlegenen Lächeln zu seinem Onkel umwandte, ehe er sich wieder zu Merry und den anderen Kindern an den Tisch setzte.

Die jungen Hobbits kicherten in sich hinein, was Frodos Wangen noch roter werden ließ.
"Netter Auftritt", meinte Rubinie, ehe sie sich zu Nelke beugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, woraufhin diese noch mehr zu kichern begann und heimlich in Frodos Richtung schielte.
Merry hatte von einem Ohr zum anderen gegrinst, als Frodo sich wieder neben ihn setzte, doch nun hafteten seine Augen an Dodinas' Trommel. "Meinst du, er lässt mich spielen?"
Als er keine Antwort erhielt, blickte er kurz auf, sah, dass Frodo zwar neben ihm saß, ihn aber nicht bemerkte, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, böse Blicke in Rubinies Richtung zu senden. Er stieß seinen Vetter in die Seite und als er endlich dessen Aufmerksamkeit hatte, wiederholte er seine Frage. Frodo zuckte mit den Schultern, meinte aber, dass er sich beeilen sollte, wenn er nach der Trommel fragen wollte, denn inzwischen hatten auch die anderen musizierenden Hobbits ihre Instrumente gestimmt und überlegten nun noch, welches Lied als erstes angestimmt werden sollte.

Merry wollte gerade aufspringen, als sich Dodinas erhob und sich zu den anderen Musikern gesellte. Enttäuscht brummte Merry in sich hinein und legte den Kopf auf seine verschränkten Arme. Wenige Augenblicke darauf, begann die Musik zu spielen. Flöte, Trommel, Banjo und Rassel stimmten eine fröhliche Melodie an, die zum Tanz einlud. Viele der Hobbits kamen der Einladung nach, unter ihnen sowohl Saradoc und Esmeralda, als auch Frodos Vetter Milo und seine Gattin Päonie, die zu Besuch gekommen waren.

Frodos Trommelspiel war auch unter den Kindern rasch vergessen und bald fanden auch sie sich auf der Tanzfläche, wo sie wild herumhüpften und lautstark mitsangen. Nelke hakte sich bei Frodo ein und sprang lachend mit ihm im Kreis herum. Marroc, der gerade auf dem Weg war, sich einen neuen Krug Bier geben zu lassen, wurde in ihrem Übermut übersehen und so stießen die drei mehr oder weniger schmerzhaft zusammen. Frodo und Nelke landeten auf dem Fußboden, während Marroc rückwärts stolperte, sein Gleichgewicht aber gerade noch halten konnte. Mit vor Wut funkelnden Augen sah Marroc auf Frodo hinab, aus dessen Gesicht plötzlich jegliche Farbe gewichen war. Von allen Hobbits im Zimmer musste er ausgerechnet mit Marroc zusammenstoßen und das, nachdem er es geschafft hatte, ihm beinahe sechs Monate lang so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Doch zu seinem Glück war Nelke bei ihm und ihr entschuldigender Blick genügte, um ihren aufgebrachten Vetter zur Ruhe zu bringen.
Frodo atmete erleichtert auf, als er wieder auf die Beine kam und sich erneut bei Nelke einhakte. Rubinie tanzte an sie heran und hakte sich ebenfalls bei Frodo ein und Merry folgte ihr sogleich nach. Madoc, Minto und Viola schlossen sich der kleinen Gruppe ebenfalls an. Die jungen Hobbits stellten sich im Kreis auf, streckte ihre Hände überkreuzt in die Mitte und ergriffen jeweils die Hand ihres Nachbarn, ehe sie sich wild im Kreis drehten und aus Leibeskräften kreischten und jubelten, bis ihnen übel wurde.

Für Frodo drehte sich noch immer alles, als er wieder auf einem Stuhl saß und benommen auf die Tanzfläche blickte, da die meisten Hobbits begonnen hatten im Takt der Musik mitzuklatschen. Etwas Aufregendes musste auf der Tanzfläche geschehen. Frodo schüttelte den Kopf und blinzelte einige Male, ehe er nach dem Grund der Aufregung forschte. Nur mehr ein einziges Paar fand sich auf der Tanzfläche. Frodos Mund klappte auf und verzog sich sogleich zu einem Lächeln. Dennoch blinzelte er erneut, um sicher zu gehen, dass es nicht nur das anhaltende Schwindelgefühl war, das ihn Dinge sehen ließ, die nicht da waren.
"Ich glaube es nicht", wisperte Merry neben ihm verwundert. Seine Augen waren ebenfalls auf die Tanzfläche gerichtet und auch er schien Probleme mit seiner Wahrnehmung zu haben. "Das sind doch Mirabella und Gorbadoc."
Frodos Lächeln wurde noch breiter. Es waren tatsächlich seine Großeltern, die lachend über die Tanzfläche schwebten. Das weiße Haar seiner Großmutter schimmerte im Licht der Lampen und auch ihre Augen glitzerten voller Freude. Gorbadoc hatte einen Arm um ihre Hüften gelegt und führte sie im Takt der Musik, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes getan.
Frodo grinste von einem Ohr zum anderen, während er sie staunend beobachtete.
"Die sind doch viel zu alt für so was!" stellte Merry fest, der dem Paar ebenso aufmerksam folgte, wie Frodo das tat.
"Ich finde, sie machen sich ausgezeichnet", meinte Frodo mit einem Lächeln. Er musste sich eingestehen, dass er stolz auf seine Großeltern war. Merry hatte nicht Unrecht. Seine Großeltern waren alt und auch Frodo hätte ihnen nicht zugetraut, so elegant und schwungvoll zugleich zu tanzen. Umso mehr gefiel es ihm, dass sie es dennoch taten.

Als das Musikstück endete und ein Neues angestimmt wurde, sprang auch Frodo wieder auf die Tanzfläche und mischte sich unter die Erwachsenen. Er hatte schon lange nicht mehr solchen Spaß gehabt, wie an diesem Abend.





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