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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 41: Erinnerungen



"Kalt!" Die Stimme des sechsjährigen Jungen war kaum mehr, als ein Wispern.
Er schlotterte am ganzen Körper und kuschelte sich enger in seinen dunkelblauen Umhang. Drogos rechte Hand strich sanft über die dunklen Locken seines Sohnes, als er ihm die Kapuze über den Kopf zog. Gleichzeitig schwang er seinen eigenen Umhang nach vorne und wickelte den Jungen darin ein, ehe er erneut nach den Zügeln griff, sie jetzt jedoch etwas lockerer ließ, schnalzte und sein Pony zur Eile trieb. Frodo lehnte sich in die kräftigen Arme seines Vaters zurück, als der Wind ihm eisig ins Gesicht peitschte und seinen Wangen ein gesundes Rot verlieh.
Das gefrorene Gras unter den Hufen des Ponys knisterte, während es an den Ufern des Brandyweins entlang trabte. Frodo blickte staunend zu den Bäumen, die den Weg zu ihrer Rechten säumten. Kahl und dunkel waren sie, wirkten beinahe bedrohlich. Das Kind kauerte sich ängstlich an seinen Vater, wandte dann den Blick ab und ließ seine Augen auf dem plätschernden Fluss zu ihrer Linken ruhen.
"Milo hat gesagt, dass das Wasser zu Eis wird, wenn es noch lange so kalt ist", erklärte er dann und wandte sich zu seinem Vater um.
Drogo war mit seinen Gedanken noch immer bei Rufus Hornbläser, den sie eben erst besucht hatten. Der alte Hobbit lebte nicht weit vom Brandywein, südlich des Brandyschlosses alleine in einem kleinen Haus. Drogo war auf Bitten von Gorbadoc zu ihm geritten, um nach dem Rechten zu sehen und Frodo hatte ihn begleitet.
"Papa?", Frodo blickte erwartungsvoll zu ihm auf. "Hat er damit Recht? Wie wird Wasser zu Eis?"
Drogo wandte sich ihm lächelnd zu. "Es kann durchaus sein, dass der Fluss gefriert, aber sollte das tatsächlich passieren, wird die Eisschicht nur sehr dünn sein und leicht brechen."
Erschrocken wandte sich Frodo um, als ein Ast knarrte und ein dumpfer Aufschlag darauf hinwies, dass etwas zu Boden gefallen war. Ein Eichhörnchen huschte über den Boden, verschwand blitzschnell auf dem nächsten Baum.
"Hast du das gesehen?", rief der Junge vergnügt und strahlte von einem Ohr zum anderen, während seine Augen den Baum nach dem neugierigen Nager absuchten.



~*~*~



"Frodo?", Merry sah seinen Vetter erwartungsvoll an. "Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir es nicht vor Einbruch der Dunkelheit schaffen."
Frodo sah überrascht zu ihm auf, dann glitt sein Blick wieder zu den Bäumen, die den Weg zu ihrer Rechten begrenzten. Sie waren kahl und dunkel, wirkten fast bedrohlich im fahlen Licht der untergehenden Sonne. Er fröstelte, zog sich die Kapuze seines moosgrünen Umhangs über den Kopf und trieb sein Pony an, um wieder neben Merry her zu reiten, der sein Reittier wenige Schritte von ihm entfernt zum Stehen gebracht hatte.

Wenige Wochen nachdem sich Pippin und sein Vater wieder auf den Heimweg gemacht hatten, war der Herbst mit all seiner Kraft ins Land gezogen. Frodo und Merry waren wieder öfter zu Hause geblieben, verbrachten ihre Zeit ab und an mit Marmadoc Brandybock und Madoc und Minto Platschfuß, die, wie Merry sie nannte, wenigen Hobbits mit Verstand in ihrem Alter. Gelegentlich gesellten sich auch Nelke, Viola und Rubinie zu ihnen, auch wenn die Jungen davon nicht immer angetan waren.
Frodo achtete auch wieder öfter auf Merimas und Berilac, erhielt dabei meist Unterstützung von Merry, bemerkte aber auch, dass Marroc sich scheinbar darüber lustig zu machen schien. Er versuchte, das so wenig wie möglich zu beachten, doch immer wieder spürte er die belächelnden Blicke seines Peinigers, hörte das leise Getuschel hinter seinem Rücken und ärgerte sich darüber.

Auf die kühlen und oft auch feuchten Herbsttage folgte ein kalter Winter.
Es war ein kalter, sonniger Winternachmittag im Vorjul gewesen, an dem sich Merry und Frodo auf einen Ausritt begeben hatten, als Frodo sein Pony plötzlich zum Stehen brachte und stumm auf die Bäume starrte, die ihren Weg säumten. Seine Augen hatten einen fernen Ausdruck angenommen. Merry hatte ihn einige Zeit nachdenklich beobachtet, während der Brandywein wütend hinter ihm dahin plätscherte und der Wind in seinen Ohren pfiff.

Mit gesenktem Kopf ritt Frodo schließlich neben ihm her. Merry betrachtete ihn mit einem sorgenvollen Ausdruck.
"Es ist die Jahreszeit, nicht wahr?", stellte er dann fest.
Frodo hob überrascht den Kopf und runzelte die Stirn.
Merry wandte kurz den Blick ab, sah ihn dann aber unverhohlen an. "Es ist jedes Jahr dasselbe. Kaum werden die Tage kälter, verkriechst du dich, ziehst dich zurück und wirst so…", er überlegte einen Augenblick, "… so still. Was hast du da eben gemacht, Frodo? Ich…", wieder machte er eine kurze Pause, in der er den Blick abwandte, nur um Frodo sofort wieder anzusehen. "… ich mache mir Sorgen um dich. Ich bin nicht nur dein Vetter, ich bin auch dein Freund. Was ist los, Frodo? Warum habe ich das Gefühl, dass du nicht mehr so glücklich bist, wie das noch vor wenigen Wochen der Fall gewesen ist?"

Frodo sah ihn entgeistert an. Er fröstelte und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Einen Augenblick lang fühlte er sich ertappt. Er verspürte den Drang, Merrys Frage auszuweichen und nicht nur seiner Frage, sondern auch Merry selbst. Er senkte den Kopf, starrte stur auf die Mähne seines Ponys. Fieberhaft überlegte er nach einer Antwort.
Beißend wehte der Wind in sein Gesicht, blies ihm die Kapuze vom Kopf. Frodo schluckte.
Beinahe zögernd hob er dann den Kopf, suchte den Blick seines Freundes, hielt ihn einen Augenblick fest, doch dann ruhten seine Augen auf dem Fluss, der hinter Merry zügig nach Süden floss. Das plätschernde Wasser hallte in seinen Ohren und Frodo wandte erneut den Blick ab, sah schließlich wieder zu den Bäumen zu seiner Rechten. Einige Zeit herrschte Schweigen, bis Frodo schließlich zu einer Antwort ansetzte.
"Hast du das Eichhörnchen gesehen?", fragte er, ohne sich umzublicken.
Die Ponys schritten gemächlich dahin, als Merry die Bäume begutachtete, jedoch kein Nagetier entdecken konnte. Er schüttelte den Kopf, als sein Freund ihn erwartungsvoll ansah.
"Das Eichhörnchen hat mich an meinen Vater erinnert", erklärte Frodo dann. "Als ich noch sehr klein war, ritt ich mit ihm auf genau dieser Strecke. Es war ein kalter Tag, genau wie heute, und ich habe zwischen diesen Bäumen ein Eichhorn entdeckt."
Es folgte eine lange Pause. Merry wusste nicht, was er darauf hätte erwidern sollen und hoffte, Frodo würde weiter sprechen. Es dauerte nicht lange, da wurde diese Hoffnung schließlich auch erfüllt.
"Ich weiß nicht, ob es an der Jahreszeit liegt, aber wenn es so kalt ist, habe ich mehr Zeit, mich an sie zu erinnern. Ich denke gerne an meine Eltern, aber oft stimmen mich die Erinnerungen traurig. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, aber ich vermisse sie, ich vermisse sie sogar sehr."

Merry sah ihn traurig an.
"Ich weiß", sagte er dann leise. "Aber es sind schöne Erinnerungen, Frodo, oder etwa nicht?"
Frodo nickte.
"Dann solltest du dich von ihnen nicht traurig stimmen lassen."
Ein Lächeln glitt über Frodos Lippen und Merry zog verwundert die Augenbrauen zusammen.
"Weißt du, dass Sam mir genau dasselbe sagte, als ich das letzte Mal bei Bilbo war?", sagte er lächelnd.
"Hat er das?", meinte Merry und grinste nun ebenfalls. "Nun, dann würde ich sagen, du solltest auf Sam und mich hören."
Frodo nickte schwach, lächelte aber noch immer.
"Sehr gut. Dann würde ich vorschlagen, wir machen ein Wettreiten bis zum Brandyschloss. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich friere mir hier alle Zehen ab!"
Frodos Lachen übertönte selbst das Plätschern des Brandyweins.
Merry runzelte die Stirn, sah sich verwundert um, blickte an sich hinab und zuckte dann mit den Schultern. "Was ist los?"
Kichernd schüttelte Frodo den Kopf, drückte seinem Pony die Fersen in die Seiten und galoppierte davon.
"Frodo!" protestierte Merry, der nur knapp hinter ihm folgte. "Du schummelst!"
Das schien Frodo jedoch wenig zu kümmern. Er trieb sein Pony nur noch mehr an und so dauerte es nicht lange, bis die heimeligen Lichter des Brandyschlosses vor ihnen auftauchten und ihre frierenden Körper sich an die wohlige Wärme des Kachelofens erinnerten. Selbst die Ponys schienen den heimischen Stall zu wittern und drängten nach Hause, was den jungen Hobbits sehr Recht war.



~*~*~



Als Frodo am nächsten Morgen die Augen aufschlug, schien sich alles um ihn herum zu drehen. Sein Kopf fühlte sich schwer an und im ersten Augenblick fiel es ihm nicht leicht, sich in seinem Bett aufzusetzen.
"Nein", jammerte er leise und ließ sich zurück in sein Kissen sinken, als ihm schwindlig wurde.
Eine Tat, die er schnell bereuen sollte, denn ein unangenehmer Schmerz durchzuckte seinen ganzen Körper. Gequält schloss er die Augen, als ihn ein Kratzen im Hals husten ließ. Zu seinem Missfallen führte das Husten zu einem pochenden Schmerz in seinem Kopf. Ein leises Jammern entwich seiner Kehle, als er nach der Decke tastete und sie sich über den Kopf zog. Vielleicht würde es dadurch besser werden?

Hoffnung keimte in seinem Herzen, als das Pochen schwächer wurde. Nur sein Kopf fühlte sich noch immer unangenehm schwer an. Dennoch wagte Frodo einen zweiten Versuch, setzte sich langsam auf und ließ seine Beine von der Bettkante baumeln. Seine Hände hatten sich in der Matratze festgeklammert, den Kopf hielt er gesenkt, die Augen geschlossen. Das Schwindelgefühl, das ihn überkommen hatte, verging nur langsam. Zögernd blickte er schließlich auf, sah zum Bild seiner Eltern. Für ihn war es bereits zur Gewohnheit geworden, morgens zu ihrem Bild zu sehen, ehe er aufstand. Dennoch hatten seine Augen an diesem Tag einen bittenden Ausdruck angenommen, da er nicht krank sein wollte, denn dann würde er den ganzen Tag in seinem Bett verbringen müssen und das war langweilig. Schließlich zwang er sich dazu aufzustehen, hielt sich aber noch einige Sekunden an seinem Nachttisch fest, ehe er mit zittrigen Fingern nach seinem Hemd tastete. Sein ganzer Körper schien zu schmerzen, doch Frodo wollte sich nichts anmerken lassen. Erst gestern hatte Merry die Idee gehabt, etwas zu schnitzen und dieser Tätigkeit wollten sie heute nachgehen. Dazu wollten sie es sich im Heuboden gemütlich machen, denn dort war es trotz der winterlichen Kälte noch ein wenig warm und außerdem waren sie dort ungestört und es roch gut. Das wollte er sich auf keinem Fall entgehen lassen.

Als er sich endlich umgezogen hatte, schlurfte er in die Küche, wobei er sich immer wieder kurz an die Wand lehnte und sich ausruhte. Nur schwer konnte er ein erleichtertes Seufzen unterdrücken, als er schließlich die Küche erreichte, sich auf seinen Platz setzte und sich sichtlich erschöpft im Stuhl zurücklehnte. Esmeralda, die ihm gegenüber saß, beäugte ihn kritisch.
"Du siehst nicht gut aus", sagte sie, statt ihm einen guten Morgen zu wünschen. "Fühlst du dich nicht wohl?"
"Doch", sagte Frodo rasch, doch seine eigene Stimme verriet ihn.
"Du bist blass", meinte Merry, der neben ihm saß und ihn nicht weniger kritisch ansah, wie Esmeralda das tat.
Frodo warf ihm einen mahnenden Blick zu und versuchte zu verbergen, dass sich plötzlich wieder alles zu drehen begann, da er den Kopf wohl etwas zu schnell umgewandt hatte.
Esmeralda war um den Tisch gegangen und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Frodo vergaß alle Vorsätze, zu verbergen, dass er sich nicht wohl fühlte, schloss die Augen und legte sein Gesicht gerne in die kühle Hand seiner Tante.
"Kind, du glühst förmlich!" rief sie aus. "Komm, ich bringe dich wieder in dein Bett!"
Frodo schüttelte den Kopf, jammerte aber leise, als sie ihre Hand wieder von seiner Stirn nahm und die Stelle, die eben noch kühl gewesen war, sich wieder erwärmte.

Er schwankte ein wenig, als er vor Esmeralda zurück in sein Zimmer tapste. Die Hand, die sie ihm dabei auf die Schulter gelegt hatte, fühlte sich schwer an, doch Frodo hatte Mühe damit, sich auf den Beinen zu halten, er konnte nicht auch noch ihre Hand wegstoßen.
Er war noch immer nicht glücklich darüber, wieder in sein Bett zu müssen und doch war er froh, als er wieder in seinem Zimmer war. In seinem Kopf hatte es wieder zu Pochen begonnen und die Welt um ihn herum schien zu tanzen.
Esmeralda stützte ihn, als er taumelte.
"Du hättest gleich im Bett bleiben sollen", tadelte sie, als sie ihn sanft auf sein Bett drückte, sich vor ihm niederkniete und sein Hemd aufknöpfte. "Ich frage mich, wie du es überhaupt bis in die Küche geschafft hast."
"Es geht mir gut", beharrte Frodo noch immer, doch seine Stimme klang wenig überzeugend.
Esmeralda schüttelte den Kopf und reichte ihm sein Nachthemd. "Belüge dich nicht selbst, Frodo. Zieh dir dein Nachthemd an und die Hose wieder aus. Ich werde dir Tee und etwas zu Essen bringen."

Frodo seufzte, sah schließlich ein, dass es keinen Sinn hatte, sich weiterhin etwas vorzumachen, ließ sich langsam in seine Kissen sinken und schloss die Augen. Das Nachthemd hielt er zwar noch immer in der Hand, doch machte er keine Anstalten, dieses auch wieder anzuziehen, denn jede seiner Bewegungen schmerzte.

Merry beobachtete Frodo einige Zeit von der Tür aus, als seine Mutter das Zimmer verlassen hatte, ging dann aber zu ihm und setzte sich auf die Bettkante. Frodo blinzelte kurz, als Merry ihm über die Stirn strich.
"Du solltest mich anstecken", meinte er grinsend. "Dann könnten wir gemeinsam krank sein und ich müsste mich nicht langweilen."
Schuldbewusst blickte Frodo zu ihm auf.
"Keine Sorge", winkte Merry ab. "Schnitzen können wir auch noch, wenn du wieder gesund bist."

Frodo fröstelte. Mit einem Mal war ihm kalt. Merry riet ihm sogleich, sich das Nachthemd überzuziehen, wollte ihm sogar dabei behilflich sein, doch diese Peinlichkeit wollte Frodo sich ersparen. Er rappelte sich auf und zog sich schließlich um, auch wenn er das Gefühl hatte, dass ihm das noch nie so schwer gefallen war. Für jede Bewegung schien er Stunden zu benötigen und ständig durchfuhr ihn dieser unangenehme, pochende Schmerz.

Esmeralda kam mit einem Tablett in das Zimmer, gerade als er sich wieder unter seiner Decke zusammenrollte. Prüfend legte sie erneut eine Hand auf seine Stirn und wollte wissen, ob er Schmerzen hatte. Frodo nickte stumm. Die Augen hatte er wieder geschlossen und es dauerte einen Augenblick, bis er sie wieder öffnete und berichtete, dass ihm im Grunde alles wehtat.
Sie nickte besorgt, schenkte ihm ein wenig von dem Tee ein, den sie mitgebracht hatte und hielt ihm die Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit hin. Frodo runzelte die Stirn, rutschte ein wenig tiefer unter die Decke. Der Gedanke daran, sich erneut aufzusetzen und etwas zu trinken, behagte ihm gar nicht. Esmeralda beharrte aber darauf, dass er zumindest ein wenig von dem Tee trank und so setzte sich Frodo schließlich auf. Wieder wurde ihm schwindlig und die Hand, mit der er sich auf der Matratze abstützte zitterte und schmerzte. Widerwillig nahm er einige Schlucke des Tees, der alles andere als gut schmeckte, ehe er sich wieder hinlegte. Esmeralda deckte ihn ordentlich zu und ließ ihn wissen, dass es das Beste wäre, wenn er versuchte, ein wenig zu schlafen. Frodo hatte darauf nicht geantwortet, ihm waren die Augen bereits wieder zu gefallen.
Merry wollte noch ein wenig bei seinem Vetter bleiben, musste aber versprechen, ihn nicht wach zu halten, sollte er schlafen wollen.

Kaum war seine Mutter gegangen, wandte er sich an seinen Vetter. "Der Tee schmeckt grauenhaft, nicht wahr? Ich musste ihn auch trinken, damals, als du bei Pippin warst und es mir nicht gut ging. Mama hat gesagt, dass Dinge, die gesund machen, selten gut schmecken würden. Gesund hat mich der Tee zwar gemacht, aber ein besserer Geschmack hätte ihm dennoch nicht geschadet."
Frodo konnte nicht anders, als leise zu lächeln, als Merry mit einem angeekelten Tonfall von seinem vermeintlichen Teegenuss berichtete. Doch das Lächeln verschwand langsam aus Frodos Gesicht und Merry hörte auf zu erzählen, betrachtete ihn einige Zeit stumm, unsicher, ob er bereits eingeschlafen oder noch wach war.
"Ich werde später wieder kommen", flüsterte er. "Ich hoffe, du bist bald wieder gesund."
Leise sprang er vom Bett und ging zur Tür, als Frodo beinahe tonlos antwortete: "Bis später!"
Merry wandte sich noch einmal lächelnd zu ihm um, ehe er dann das Zimmer verließ und die Türe hinter sich schloss.

Regungslos lag Frodo in seinem Bett. Seine Atmung war tief und ruhig und ein jeder hätte ihn für schlafend gehalten, doch Frodo schlief nicht. So erschöpft und müde er sich auch fühlte, der Schlaf wollte ihn nicht übermannen. Er war bei ihm, legte sich schwer auf seine Lider, nur um wieder wegzuhuschen. Dann kehrte er schleichend zu ihm zurück, beglückte ihn mit einem kurzen Traum, ehe er ihn ruckartig zurück in die Wirklichkeit riss. Nicht selten zuckte Frodo dabei zusammen, stöhnte leise, denn mit der Bewegung kam auch der Schmerz.



~*~*~



Die Kerze auf dem Nachttisch war schon weit herunter gebrannt, als Frodo spät abends zufrieden in seinem Bett lag und seiner Mutter lauschte. Primula saß auf der Bettkante und las aus einem Buch vor, wobei sie immer wieder ihre Stimme verstellte, um ihren Sohn zu erfreuen. Gelegentlich drang ein leises Kichern an ihr Ohr, das ihr eigenes Herz zum Lachen brachte. Die Zeit verging und das Kichern wurde immer seltener, bis es schließlich ganz erstarb. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht unterbrach Primula ihre Lektüre und blickte auf ihren Sohn hinab, dem die Augen zugefallen waren. Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Leise legte sie das Buch auf den Nachtisch und erhob sich. Zärtlich strichen ihre Finger durch die dunklen Locken ihres Sohnes, als sie ihn ordentlich zudeckte. Sie hauchte einen Kuss auf seine Stirn, wandte sich dann von dem Bett ab und griff nach dem Kerzenhalter auf dem Nachttisch.
"Willst du denn nicht zu Ende lesen?", fragte eine leise Stimme, als sie bereits zur Tür gehen wollte.
Primula drehte sich um, blickte in die strahlenden, blauen Augen ihres Sohnes, die fragend zu ihr aufsahen.
"Du schläfst noch gar nicht?", fragte sie leise und trat wieder an das Bett heran.
Frodo grinste und schüttelte den Kopf.
"Lausebengel!" tadelte sie, setzte sich wieder auf die Bettkante und wuschelte ihm durch die Haare.
Frodo kicherte, legte seinen Kopf auf ihren Schoß und umarmte sie. Primula lächelte, griff erneut nach dem Buch und las daraus vor. Frodo blickte verträumt zu ihr auf, während ihre Worte ihn in ihren Bann zogen. Bald jedoch spürte er, wie sich die Müdigkeit langsam über ihn hereinsenkte und er schloss die Augen, hatte sie jedoch schnell wieder geöffnet, als seine Mutter aufhörte zu lesen.
"Du bist müde", flüsterte sie, als sie das Buch auf den Nachttisch legte. "Wenn ich jetzt weiter läse, würdest du die Hälfte der Geschichte verschlafen."
Frodo blickte zu ihr auf. "Kannst du nicht trotzdem hier bleiben?"
Er schmiegte sich noch enger an sie und schloss einen Augenblick die Augen, als er den Duft von Lavendel einatmete. Seine Mutter liebte die Blumen und vor allem diesen Duft. Primula legte einen Arm um ihn, strich ihm zärtlich über den Rücken. Er genoss ihre Nähe, genoss es, ihre Wärme zu spüren, ihre Zuneigung, ihre Liebe. Primula antwortete nicht auf seine Frage, doch Frodo wusste, dass sie blieb. Mit ihrer linken Hand streichelte sie noch immer über seinen Rücken, während sie mit der Anderen einige Strähnen aus seiner Stirn strich.



~*~*~



Esmeralda strich vorsichtig einige dunkle Locken aus der glühenden Stirn des Jungen, ehe sie ein feuchtes Tuch darauf legte. Frodo blinzelte, wirkte beinahe erstaunt, als er Esmeralda erkannte.
"Ist alles in Ordnung?", fragte sie sanft. "Wie fühlst du dich?"
Er hatte die Stirn gerunzelt und sah sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an.
Hatte er geschlafen? War es nur ein Traum gewesen? Es musste so sein, denn seine Mutter lebte nicht mehr. Dennoch waren Erinnerungen an Abende wie diesen noch klar in seinem Gedächtnis. Er schloss die Augen. Die Bilder, die eben erst in seinem Kopf gewesen waren, schienen sehr lebendig. Er konnte ihre Stimme hören, und ihre Finger schienen selbst jetzt noch über seinen Rücken zu streicheln. Ein plötzlicher Schauer durchlief ihn, als Esmeralda seine Wange berührte. Erschrocken riss er die Augen auf, entspannte sich dann aber.
"Ich habe wohl geträumt", flüsterte er betrübt und blickte aus dem Fenster.
Esmeralda betrachtete ihn mit einem besorgten Ausdruck. "Ich hoffe, es war ein schöner Traum. Du hast gemurmelt im Schlaf."
Frodo wandte sich zu ihr um, blickte dann aber wieder aus dem Fenster.
"Es war kein Traum", sagte er nach einer langen Pause, ehe er von neuem in Schweigen verfiel.
Esmeralda betrachtete ihn lange, die Stirn sorgenvoll in Falten gelegt, ehe sie sich schließlich erhob. "Merry hat bereits nach dir gefragt. Wenn du willst, kann ich ihn etwas später zu dir schicken."
Frodo nickte. Sie wandte sich zum Gehen, erinnerte ihn aber noch einmal daran, dass er von dem Tee trinken solle und schloss dann die Tür hinter sich.

Frodo seufzte. Seine Kopfschmerzen waren nicht besser geworden und auch der Rest seines Körpers fühlte sich noch immer an, als wäre er einen Abhang hinunter gestürzt. Mit traurigen Augen schielte er zum Bild seiner Eltern. Die Erinnerungen lasteten schwer auf seinem Herzen. Was würde er dafür geben, könnte er noch einmal ihre Wärme, ihre Nähe spüren, wie er sie an jenem Abend vor so vielen Jahren gespürt hatte. Er schluckte, als seine Traurigkeit, eine unstillbare Sehnsucht, ihn zu übermannen drohte. Wieder schloss er die Augen, ließ seinen Kopf tief in das Kissen sinken.

Zaghaft wurde der Türgriff hinuntergedrückt. Frodo hörte das leise Klicken, hielt seine Augen aber geschlossen, denn seine Lider schienen noch immer zu schwer. Er vermutete, dass sich Merry gleich zu ihm aufs das Bett setzen würde, oder vielleicht hatte Esmeralda etwas vergessen. Er lauschte, konnte jedoch nichts hören. Wenn es Merry war, so gab er sich alle Mühe, leise zu sein. Frodo grinste innerlich, bei dem Gedanken daran, wie sehr er seinen Vetter nun erschrecken könnte, wenn er sich besser fühlen würde.
Nichts in dem Zimmer schien sich zu rühren und schließlich siegte Frodos Neugier über seine Erschöpfung. Er blinzelte, öffnete seine Augen schließlich ganz.
Ein pochender Schmerz durchfuhr seinen Körper, als er erschrocken zurückwich. Sein Herz begann zu rasen, als er mit weit aufgerissenen Augen auf die Gestalt vor sich starrte.
"Marroc", presste er leise hervor.





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