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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 37: Drachenhöhlen



Schlotternd betrat Frodo die Höhle. Kleine Tautröpfchen glitzerten in seinen Haaren, als er aus seinem Mantel schlüpfte und ihn an einen Haken hängte. Er hauchte in seine Hände und rieb sie verzweifelt, in der Hoffnung, das kalte, taube Gefühl würde nachlassen.
"Kalt", klapperte er, seine Stimme kaum mehr, als ein Flüstern.
Merry nickte und schüttelte sich die Wassertröpfchen von den Haaren.
Es gab mehrere Wohnzimmer im Brandyschloss, doch die beiden jungen Hobbits mussten sich nicht erst absprechen, um zu klären, in welches sie nun gehen wollten. Nur eines dieser Wohnzimmer hatte einen Kachelofen und im Winter saß Frodo dort am liebsten.
Auch heute sicherte er sich sofort einen Platz auf der Holzbank vor dem Ofen, schnappte sich ein Kissen, platzierte es an den Kacheln und lehnte den Kopf daran. Zufrieden seufzend schloss er die Augen. So würde ihm schnell wieder warm werden. Ohne nachzudenken legte er auch seine Hand auf die Kacheln, nur um sie kurz darauf mit einem Aufschrei wieder zurückzureißen.
"Heiß!" zischte er und umklammerte mit der anderen Hand seine verbrannten Finger.
Merry kicherte schadenfroh in sich hinein, erntete dafür einen scharfen Blick von seinem Vetter.

Nachdem er sich aufgewärmt hatte, ließ Frodo seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ungewöhnlich wenige Hobbits waren im Raum. Merimac, Dodinas und Seredic saßen zusammen und schienen sich angeregt zu unterhalten. Adamanta, Merimacs Frau und Hanna hatten es sich ebenfalls in einem der Sessel gemütlich gemacht, beide eifrig damit beschäftigt, Jacken für ihre Söhne zu stricken. Neben Hanna stand ein Kinderwagen. Frodo vermutete, dass Minze darin lag und schlief.
Mit einem leisen Seufzen schielte er schließlich zu Merry, der gelangweilt neben ihm auf der Bank saß und ins Leere starrte.
"Langweilig", hörte er ihn jammern und konnte nur zustimmend nicken.
Merry blickte auf. "Wie wäre es mit einem Kartenspiel?"
Frodo verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Murrend ließ Merry die Schultern hängen, rutschte auf seinem Platz hin und her, ehe er aufsprang und davon ging, Frodo zurufend, dass er gleich zurück wäre.
Etwas verwundert blickte Frodo ihm hinterher, fragte sich, was sein Vetter nun wohl wieder vorhatte.

Ungeduldig wartete er auf die Rückkehr des jüngeren Hobbits. Merry ließ sich Zeit. Frodo wollte schon aufstehen und nach ihm suchen, doch wusste er nicht, wo er hätte beginnen sollen, also blieb er sitzen. Mit dem Rücken an den warmen Kacheln zu lehnen, die leisen Stimmen der anderen Bewohnern zu hören und den Duft von frisch eingelegten Holzscheiten in der Nase zu haben, war ohnehin viel gemütlicher, als durch die Gänge zu streifen. Dennoch ließ Frodo seinen Blick immer wieder zur Türe wandern, hatte ihn das plötzliche Verschwinden seines Vetters doch sehr neugierig gemacht. Endlich erschien Merrys hellbrauner Lockenkopf im Türrahmen. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und in der Hand hielt er einen etwas verschrumpelten Apfel.
"Wo warst du?", wollte Frodo wissen.
Merry setzte sich neben ihn und biss in seinen Apfel.
"In der Speisekammer", nuschelte er, zufrieden kauend.
Frodo zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief. "Das sehe ich."
Merrys Grinsen wurde noch breiter, als er ihn mit unschuldigen Augen ansah doch plötzlich wurde sein Ausdruck ernst und er blickte vergewissernd nach allen Seiten, beugte sich schließlich verschwörerisch zu ihm herüber.
"Es gibt einen Gang", flüsterte er. "In der Speisekammer", fügte er hinzu, als er Frodos verwirrten Blick bemerkte.
Die Verwirrung wich trotzdem nicht aus Frodos Gesicht.
"In der Speisekammer?", fragte er, die Stirn verwundert in Falten gelegt.
Merry blickte noch einmal nach allen Seiten, ehe er nickte und weiter sprach.
"Ich wollte mir einen Apfel holen und da fiel mir die Kiste hinunter. Die Kiste stieß allerdings zuvor gegen die Wand und dort klang es hohl", bemühte er zu erklären. "Die Äpfel sind davon gerollt und als ich sie wieder aufgesammelt und nach dem letzten von ihnen gegriffen haben, war da ein Luftzug. Ich habe unter das Regal mit den Marmeladengläsern gesehen und da war ein Loch in der Wand", berichtete er heimlichtuerisch und seine Augen weiteten sich, als könne er seine Aussage dadurch untermauern. "Ich sage dir, da ist ein Gang."
Frodo schien jedoch nicht überzeugt. Er beäugte seinen Vetter mit einem Blick, der ihm klar zu verstehen gab, dass er das für unmöglich und ihn für verrückt hielt.
"Da ist ein Gang!" beharrte Merry, stand auf und zog auch Frodo auf die Beine. "Wenn du mir nicht glaubst, sieh es dir selbst an."

Frodo seufzte, warf einen sehnsüchtigen Blick auf die warmen Kacheln, als ihn die wohltuende Wärme, die ihn zuvor umschlossen hatte, langsam verließ, folgte Merry, der es ausgesprochen eilig hatte, aber dennoch.
"Wohin so dringlich?", fragte Saradoc, der gerade ins Wohnzimmer kam, als sie dieses verlassen wollten.
"In die Speiskammer", antwortete Merry schnell und fügte dann noch hinzu, dass Frodo sehr hungrig wäre. Frodo warf seinem Vetter einen kurzen, verdutzten Blick zu, nickte dann aber rasch und lächelte Saradoc an.
"Haltet eure Mahlzeit aber gering, wir essen bald zu Abend", meinte dieser.
Merry nickte. "Das werden wir. Das heißt, Frodo wird das. Aber jetzt müssen wir in die Speisekammer. Frodo ist hungrig, und wenn Frodo Hunger hat, dann braucht er was zu essen."
Frodo nickte bestätigend, hatte jedoch Mühe, sich das Lachen zu verkneifen, als Merry ihn am Herrn von Bockland vorbeilotste.
"Deine Ausreden waren auch schon besser", gab er kichernd zu bedenken, als sie hinter der nächsten Biegung verschwunden waren. Sein Vetter warf ihm einen vielsagenden Blick zu, erwiderte jedoch nichts.

Verstohlen blickte Merry nach allen Seiten und erst als er sicher war, dass niemand sie beobachtete, trat er in die Speisekammer, schloss die Tür, nachdem auch Frodo eingetreten war. Es war dunkel und Merry zündete mit einem Streichholz eine Lampe an. Das Licht flackerte. Frodo ging sogleich auf die Kiste mit den letzten Äpfeln zu.
"Da du ohnehin der Meinung warst, ich wäre so hungrig, wird es niemanden stören, wenn ich mich bediene", meinte er mit einem Schmunzeln und warf Merry ebenfalls einen Apfel zu, den dieser mit seiner freien Hand auffing.
Genüsslich kauend trat Frodo wieder an ihn heran und wollte wissen, wo sich dieser geheime Gang denn nun befinde. Ein schelmisches Grinsen konnte er sich dabei nicht verkneifen.
"Das Lachen wird dir noch vergehen", meinte Merry und bedachte ihn mit einem missmutigen Blick.
Frodo schüttelte den Kopf und biss erneut in seinen Apfel, ehe er von seinem Vetter beiseite geschoben wurde. Dieser marschierte zu den Regalen mit den Marmeladengläsern, die auf der linken Seite des Raumes platziert waren, nicht weit von der Kiste mit den Äpfeln entfernt, und klopfte prüfend die Wand ab.

Frodo kicherte in sich hinein. Er stellte sich Merry als einen der Zwerge vor, der mit Bilbo zum Einsamen Berg gewandert war und nun die Mauern des Berges nach dem geheimen Eingang absuchte. Er fragte sich, wie Merry wohl mit einem langen Bart und einer Kapuze aussehen würde.

Die Augen seines Vetters leuchteten plötzlich auf und er klopfte noch einmal an dieselbe Stelle.
"Hörst du das?", wollte er aufgeregt wissen und grinste siegreich.
Frodo trat in den Lichtschein von Merrys Lampe und lauschte, als sein Vetter ein drittes Mal klopfte.
"Die Wand ist hohl", sagte er schließlich verblüfft, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt.
"Sag ich doch! Hier ist ein Gang", beharrte Merry und verdrehte die Augen, als er den verwunderten Ausdruck in Frodos Gesicht bemerkte. "Sieh her!"

Merry kniete sich nieder und kroch unter das Regal, die Lampe vorsichtig vor sich her schiebend. Frodo ließ sich ebenfalls zu Boden sinken und kroch neben ihn. Die Vorstellung eines geheimen Ganges in der Speisekammer schien ihm nun gar nicht mehr so unwahrscheinlich zu sein und er war sehr neugierig geworden.
Das Licht flackerte, ließ dunkle Schatten an der Wand tanzen. Ein rötlichgoldener Schimmer lag auf den Gesichtern der jungen Hobbits.
"Da", flüsterte Merry und deutete auf ein kleines Loch in der Wand.
Ein kühler Luftzug wehte ihnen entgegen, ließ die Flamme in der Lampe wütend auflodern.
Frodos Augen funkelten geheimnisvoll, als er mit den Fingern über das Loch strich und etwas Lehm abbröckelte. Seine Stimme hatte einen unheimlichen Unterton angenommen, als er sich zu seinem Vetter umwandte. Das Licht spiegelte sich in seinen Augen wider. "Smaugs Höhle, ein Drachenhort!"
Merrys Augen wurden groß und er schluckte schwer, ehe er beinahe zaghaft antwortete: "Glaubst du wirklich?"

Frodo lächelte. Die Abenteuerlust hatte ihn gepackt. Er musste wissen, was sich hinter dieser Wand verbarg. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er sich ausmalte, was all die Jahre in den Wänden des Brandyschlosses gehaust haben könnte, im Verborgenen, ohne dass jemals jemand davon wusste.

"Frodo?"
Furcht und große Aufregung lagen in Merrys Stimme und auch in seinem Blick.
"Erinnerst du dich an die Maus?", fragte Frodo leise flüsternd. "Wir haben sie hier drinnen gefunden. So ist sie wahrscheinlich herein gekommen. Möglicherweise kam sie von draußen, aber vielleicht", seine Stimme wurde noch unheimlicher, als zuvor, "vielleicht kam sie auch von etwas Schlimmerem, etwas Näherem."
Merrys Augenbrauen hatten sich angstvoll zusammengezogen, während er gespannt Frodos Worten gefolgt war und ihn erwartungsvoll angeblickt hatte.
"Die Wand ist weiter oben auch hohl", stellte Frodo fest. "Wer weiß, welches Untier sich heimlich dahinter eingenistet hat?"
Furchtsam und mit in Falten gelegten Stirnen sahen sich die beiden Hobbits an. Erneut kam ein kühler Luftzug aus dem Loch und erzeugte ein leises, wehklagendes Pfeifen. Erschrocken fuhren die Hobbits herum und starrten auf die Öffnung, als erwarteten sie, dass ihnen jeden Augenblick ein Drache entgegen springe.
"Smaug", flüsterte Frodo, der sich nun, mehr denn je, wie Bilbo auf seinem Abenteuer vorkam. "Das ist der geheime Eingang zu seiner Höhle."

Merry kroch zurück, einen etwas verschreckten Ausdruck im Gesicht. Er kannte Bilbos Geschichte gut und der Teil mit dem Drachen hatte ihm schon immer Angst gemacht. Mehr noch als Pippin, der ihn deshalb immer aufgezogen und gemeint hatte, dass Tuks eben doch mutiger waren als Brandybocks.
"Es gibt keine Drachen im Brandyschloss", sagte er bestimmt, einerseits zu Frodo, andererseits um sich selbst zu beruhigen.
Frodo kam nun ebenfalls wieder unter dem Regal hervor gekrochen.
"Wenn es kein Drache ist, was ist es dann?"
Merry warf Frodo einen scharfen Blick zu, in dem sein Vetter noch immer ein wenig Angst erkennen konnte. Der junge Hobbit trat einen Schritt von der Wand zurück. Sie war ihm nicht mehr geheuer. Er hielt die Lampe hoch, um Frodos Gesicht im fahlen Licht besser erkennen zu können und vielleicht zu erraten, worauf er mit dieser Aussage hinaus wollte. Frodos Augen leuchteten geheimnisvoll und ein Grinsen zierte sein Gesicht, das Merry nicht zu deuten wusste.
"Ich weiß es nicht", sagte Merry und versuchte möglichst uninteressiert zu klingen, doch sein Blick wanderte heimlich und mit einem neugierigen Schimmern zurück zu der Stelle des Regals, an der er die Öffnung vermutete.

Einen Augenblick herrschte Stille, die nur vom nervösen Zischen der flackernden Flamme unterbrochen wurde. Frodos Blick wanderte von Merry zu der Lampe, die dieser in der Hand hielt, dann kurz zum Regal und schließlich wieder zurück zu seinem Vetter. Für einen kurzen Moment huschte ein verschmitztes Grinsen über sein Gesicht. Merry war sein innerer Kampf förmlich anzusehen und Frodo fragte sich, was diesen Kampf wohl gewinnen würde: Merrys Furcht vor Drachen, oder seine Neugierde. Bei ihm selbst hatte die Neugier gesiegt, allerdings nicht gegen irgendeine Angst, sondern gegen den Unglauben etwas Geheimnisvolles in der Speisekammer zu entdecken. Das hohle Geräusch, als Merry gegen die Wand geklopft hatte und der seltsame Luftzug hatten ihn vom Gegenteil überzeugt. Etwas war hinter dieser Wand und er wollte herausfinden, was es war.

"Wir müssen erfahren, was mit dieser Wand nicht stimmt", sagten sie plötzlich gleichzeitig und schmunzelten.
Zugleich ließen sie sich wieder zu Boden sinken. Frodo kroch voraus, als Merry plötzlich inne hielt und nach seinem Arm griff.
"Wenn dort wirklich ein Drache sitzt", murmelte er etwas verlegen, "dann darfst du ihn töten."
Frodo nickte. "In Ordnung", meinte er lächelnd, "ich werde ihn töten."

Er dachte an Bard, den Bogenschützen von Esgaroth, der Smaug getötet hatte. Ein mulmiges Gefühl überkam ihn plötzlich. Bard war ein kräftiger Mann gewesen, er hingegen war nur ein Hobbit. Noch dazu war er unbewaffnet, hatte nichts, womit er den Drachen hätte bezwingen können. Nun, im Notfall konnte er immer noch Merrys Lampe nach ihm werfen. Dennoch war er etwas unsicher geworden und blickte sich nun fragend nach seinem Vetter um. Merrys Gesicht leuchtete im Schein der Lampe und er bedeutete ihm, durch das Loch zu sehen. Frodo nickte und holte tief Luft.
"Ich komme, Smaug", dachte er sich, als er sich langsam nach vor beugte, um durch die kleine Öffnung zu spähen. "Frodo, der Furchtlose, der Drachentöter! Nimm dich in Acht, Lindwurm!"
Dass ihm bei seiner Herausforderung das Herz bis zum Hals schlug, ignorierte er tapfer. Er blinzelte, sah durch das Loch und erblickte nichts als Dunkelheit.
"Gib mir die Lampe", verlangte er im Flüsterton und ließ sich von Merry das spärliche Licht reichen. Doch auch das half nicht wirklich.
"Ich sehe nichts, außer der Wand."
Merry seufzte entmutigt.
"Ich könnte ver--"
Der Rest der Aussage wurde von einem angeekelten Laut verschluckt. Frodo hatte seinen Arm in die Öffnung gestreckt, in der Hoffnung, vielleicht etwas ertasten zu können. Seine Hand landete allerdings in einem dichten Netz von Spinnenfäden, einer dicken Staubschicht und etwas weichem, das er nicht zuordnen konnte und von dem es besser war, sich nicht vorzustellen, was es gewesen sein könnte.

Merry wollte nun selbst sein Glück versuchen und drängte sich an Frodo vorbei.
"Fass nicht hinein", riet dieser verzweifelt und mit einem angewiderten Ausdruck, angestrengt damit beschäftigt, sich die Hand an der Hose sauber zu reiben.
Merry nickte, spähte in das Loch hinein, doch auch er konnte nur Dunkelheit dahinter erkennen.
"Und was jetzt?", wollte er wissen, die Augen fragend auf Frodo gerichtet.
Dieser zuckte mit den Schultern, seufzte entmutigt, doch noch wollte er sich nicht geschlagen geben. Die Hand ein letztes Mal an der Hose reibend, kroch er schließlich an Merry vorbei und kam wieder unter dem Regal hervor. Suchend blickte er sich um, obschon er selbst nicht wusste, was er eigentlich zu finden hoffte. Plötzlich hellte sich seine Miene auf, er grinste Merry, der unter dem Regal hervorspähte, an und huschte davon.

Leise und vorsichtig öffnete er die Tür zur Speisekammer, streckte den Kopf nach draußen. Niemand war zu sehen. Schnell rannte er in den Gang hinaus und schlich auf Zehenspitzen in die Abstellkammer, immer darauf bedacht, möglichst unauffällig auszusehen, sollte er jemandem über den Weg laufen. Nur drei ältere Frauen kamen ihm schnatternd entgegen, doch schienen sie ihn nicht einmal zu bemerken, was Frodo nur Recht war.
Endlich in der Abstellkammer angekommen, schnappte er sich einen Besen und eilte damit zurück in jene Speisekammer, in der nun ein Drache hauste.
Frodo griff nach dem Türknauf als plötzlich Marroc um die Biegung kam. Entsetzt sog er die Luft ein und verschwand blitzschnell in der Kammer, hoffend, dass Marroc ihn nicht gesehen hatte. Er lehnte den Kopf an die Tür und horchte. Marroc schien vorüber zu gehen.

Er wollte gerade aufatmen, als ihn plötzlich jemand an der Schulter packte. Erschrocken fuhr er herum, einen Schrei gerade noch unterdrückend.
"Was hast du damit vor?", fragte Merry und deutete auf den Besen.
"Merry", keuchte Frodo und ein Seufzer der Erleichterung entwich ihm.
Sein Griff um den Besenstil, der sich zuvor verstärkt hatte, lockerte sich nun wieder. Er sah seinen Vetter einen langen Augenblick an, lächelte schließlich, ging ohne ein Wort zu sagen an Merry vorüber und verschwand unter dem Regal. Merry eilte seinem Vetter hinterher und fragte sich, was dieser nun wieder vorhatte.

"Also gut, Smaug. Du wolltest es nicht anders!"
Mit diesem Gedanken schob Frodo den Besenstil soweit in die Öffnung, bis dieser hinten anstieß. Etwas Lehm bröckelte von der Wand, doch das störte Frodo nicht weiter.
Merry schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Weshalb hatte er nicht selbst daran gedacht?
Beinahe der gesamte Besen war in der vermeintlichen Drachenhöhle verschwunden.
"Und?", wollte Merry wissen, der beobachtete, wie Frodo prüfend in der Öffnung herumstocherte und dabei immer mehr Lehm von der Wand bröckeln ließ.
"Ich weiß es nicht", antwortete dieser und verlagerte das Gewicht so, dass der Besenstil nun an die rechte Seite des Loches drückte. "Es könnte sein, dass es hier weiter geht, ich bin mir aber nicht sicher."



~*~*~



Der Tisch für das Abendessen war bereits gedeckt und Saradoc fragte sich, wo Merry und Frodo geblieben waren. Er hatte sie nicht mehr gesehen, seit Merry ihm verkündet hatte, dass sie etwas aus der Speisekammer holen wollten. Seine Augen schweiften noch einmal durch das Zimmer, in dem sich immer mehr Hobbits versammelten, doch von den beiden Jungen war noch immer nichts zu sehen und so beschloss er, nach ihnen zu suchen.
Sein Weg führte ihn zuerst in die Speisekammer. Zwar glaubte er nicht, dass sie noch dort waren, denn was sollten sie so lange dort machen, doch immerhin war dies der Ort, an den sie zuletzt hinwollten. Zumindest soweit er informiert worden war.
Er öffnete die Tür. Der Raum war dunkel. Saradoc wollte schon wieder hinausgehen, als er leise Stimmen vernahm und inne hielt.

"Ich weiß nicht, wie groß der Eingang zu einer Drachenhöhle ist."
Das war eindeutig Frodos Stimme.
"Meinst du nicht, er müsste etwas größer sein?", fragte Merry.
Drachenhöhle? Saradoc zog verwundert eine Augenbraue hoch. Noch immer konnte er die Hobbits nicht sehen, auch wenn er ihre leisen Stimmen deutlich hören konnte.
"Ich weiß es nicht", erwiderte Frodo. "Die Höhle, durch die Bilbo zu Smaug gekommen ist, war auch klein."
Der fahle Lichtschein einer Lampe machte Saradoc auf das Regal aufmerksam.
"Aber nicht so klein", gab Merry zu bedenken, nahm den Besen und schob ihn unter dem Regal hervor, ohne sich umzudrehen.
Saradoc blieb verblüfft stehen, als der Besenstil vor seinen Füßen auftauchte.
"Dann gibt es noch einen anderen Eingang", meinte Frodo stur.
"Denkst du, dass die Maus diesen Gang benutzt hat?", fragte Merry mit aufgeregter Stimme.
Es gab eine kurze Pause und Saradoc vermutete, dass Frodo genickt hatte, denn als Merry weiter sprach, sagte er: "Dann müssen wir ihn sofort finden, ehe der Drache bemerkt, dass wir wissen, dass er hier ist."

Als wäre das ein Stichwort gewesen, kamen die beiden Hobbits rückwärts unter dem Regal hervor gekrochen. Der Herr von Bockland stand mit verschränkten Armen hinter ihnen, als sie aufstanden und sich den Staub von den Hosen klopften.
Saradoc grinste. "Drachen im Brandyschloss", dachte er und schüttelte den Kopf. "Nun, wenn sie unbedingt wollten…"
"Ich habe es bereits bemerkt", sagte er dann, wobei er seine Stimme tief und bedrohlich klingen ließ.

Frodo und Merry schrieen auf und fuhren erschrocken herum.
"Wenn dort wirklich ein Drache sitzt, dann darfst du ihn töten."
Frodo schossen Merrys Worte durch den Kopf und er dachte verzweifelt daran, was er sich damit nur eingebrockt hatte. Er wusste natürlich, dass Smaug tot war und er glaubte, sich nun auch daran erinnern zu können, wie Bilbo einmal gesagt hatte, Smaug wäre der letzte Drache gewesen. Doch sein Onkel hatte sich geirrt. Es gab noch einen Drachen. Hier im Brandyschloss. Und er, Frodo Beutlin, musste ihn ganz ohne Waffen bezwingen. Ein Drache, geschützt durch einen Panzer von Gold und Juwelen und er sah aus wie… Saradoc.

Frodo hielt die Luft an und starrte mit großen Augen auf den Herrn von Bockland. Merry hatte seinen Arm umklammert und sich hinter ihm versteckt, als auch er bemerkte, dass es kein Drache war, der ihnen aufgelauert hatte, dies aber noch nicht wirklich glauben zu wollen schien.

Saradoc lachte laut auf.
"Drachen im Brandyschloss!" rief er und lachte noch mehr.
Frodo und Merry blieben noch immer wie erstarrt stehen, unsicher ob sie nun auch lachen sollten, oder nicht.
Der Herr von Bockland kniete sich nieder, nahm die Lampe, die nun auf dem Boden stand, in die Hand, und streckte den Kopf unter das Regal. Als er wieder aufstand, lächelte er.
"Ihr habt nicht nur die Maus gefangen, sondern auch das Schlupfloch gefunden, durch das sie hereingekommen ist."
"Also kein Drache?", fragte Merry verunsichert.
Saradoc wuschelte ihm durch die Haare. "Nein, kein Drache."
Merry atmete erleichtert auf, doch Frodo ließ enttäuscht den Kopf hängen. Kein Drache, kein Abenteuer, nur ein Mauseloch. Er seufzte. Saradoc legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Ein Abenteuer", sagte er, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Jedes große Abenteuer besteht aus mehreren kleinen. Das Erste davon könnte das Verschließen eines Mauselochs sein."
Frodo sah wenig begeistert in das lächelnde Gesicht Saradocs, als dieser auch ihm durch die Haare strich.
"Kann ich dieses Abenteuer nicht einem anderen überlassen?", fragte er.
Saradoc lächelte und schickte Frodo mit einem Kopfnicken zu Merry, der bereits vorausgeeilt war, um nicht der Letzte am Esstisch zu sein.
In der Tür blieb Frodo noch einmal stehen und wandte sich um.
"Ein gewöhnliches Mauseloch?", fragte er etwas enttäuscht.
Saradoc nickte.
Frodo zuckte mit den Schultern. "Aber es war eine besonders große Maus, und wir haben sie gefangen."
Ein Lächeln huschte über Saradocs Lippen. "Das habt ihr."
Frodo grinste und huschte schließlich auch davon.





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