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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 34: Streit



"Du hast es vergessen?!" schimpfte Frodo und die Enttäuschung in seiner Stimme wurde von Wut überschattet. Beinahe entrüstet blickte er auf Merry, der betrübt nickte und den Blick abgewandt hatte. "Mir scheint, du vergisst einiges in letzter Zeit!"
Frodo konnte es kaum glauben. Merry hatte schon wieder vergessen, dass sie vorgehabt hatten, reiten zu gehen. Das war bereits das dritte Mal in dieser Woche.
"Es tut mir Leid", meinte Merry, der endlich aufblickte und seinen Vetter mehr verwundert, als entschuldigend ansah. "Aber das ist doch noch lange kein Grund, so wütend zu werden."
Frodo funkelte ihn verärgert an. "Das wäre es nicht, wäre es das erste Mal. Aber du vergisst in letzter Zeit ständig, wann wir vorhatten, gemeinsam etwas zu unternehmen."
Sein Blick ruhte anklagend auf dem jüngeren Hobbit, der ihn nun beinahe beleidigt ansah. Frodo öffnete den Mund, schloss ihn wieder, nur um dann doch auszusprechen, was ihm auf der Zunge lag. "Unsere Freundschaft scheint dir nichts mehr zu bedeuten."
Merrys Mund stand offen. Entgeistert sah er seinen Vetter an, glaubend, er hätte sich verhört, doch Frodos Ausdruck ließ auf das Gegenteil schließen. Für einen Augenblick war Merry unfähig, zu antworten. Wie konnte Frodo ihm so etwas unterstellen?
"Das kannst du mir nicht vorwerfen!" entgegnete er, seine Stimme endlich wieder findend und nun ebenfalls wütend geworden.
"Und weshalb nicht? Womit hast du denn deine Zeit verbracht, seit ich wieder zurück bin?", fragte Frodo hitzig. Seine Augen funkelten voll zorniger Enttäuschung.
Merry überlegte einen Augenblick, bevor er Schulter zuckend antwortete. "Ich half meinem Papa und..."
"Ja genau, das hast du getan", unterbrach Frodo ihn wutentbrannt. "Jedes Mal, wenn ich dich fragte, ob wir etwas gemeinsam machen können, hattest du schon etwas mit ihm vor."
Merry blickte voller Staunen auf seinen Vetter und seine Miene verfinsterte sich, als ihm klar wurde, worauf dieser hinauswollte. "Das ist es also. Es geht hier gar nicht um uns. Du bist eifersüchtig. Eifersüchtig auf mich und meinen Papa."
Frodo zuckte zusammen, als hätte Merry ihm einen Schlag verpasst. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er wandte den Blick ab, biss sich auf die Lippen.
Merry nickte wissend, trat nun einen Schritt an ihn heran. "Du bist eifersüchtig. Deshalb bist du so wütend auf mich." Merry umkreiste ihn nun, wie ein Wolf seine Beute. "Gönnst du mir etwa die Zeit mit Papa nicht?"
Frodo wandte sich zu ihm um, wollte verneinen, doch Merry ließ ihn nicht zu Wort kommen.
"Weißt du, wie selbstsüchtig das von dir ist?", rief er aufgebracht und nun war er es, der anklagend, beinahe feindselig auf seinen Vetter blickte.
Frodos Finger gruben sich in seine Handflächen. Musste er sich das gefallen lassen? Zorn brodelte in seinem Innern, brachte seine Augen zum Funkeln, als sich ihre Blicke trafen. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Merry ihn erneut anfuhr, doch klang er nun beinahe traurig.
"Du bist nicht mehr derselbe, Frodo! Der Frodo, den ich gekannt habe, hätte sich für mich gefreut. Mein Papa ist sehr beschäftigt und du", er wandte den Blick ab, doch als er erneut in Frodos Augen sah, konnte dieser Merrys Verbitterung deutlich darin erkennen, "du wirst verrückt, nur weil er ein bisschen Zeit mit mir verbringt?!"
Frodo starrte ihn entgeistert an. Tränen der Wut brannten in seine Augen. Wie konnte sein Vetter es wagen, so mit ihm zu sprechen? Merry wusste nicht, was es hieß, allein zu sein, hatte nicht das Recht, ihn als selbstsüchtig zu bezeichnen und er war es nicht, der verrückt wurde.
"Das habe ich niemals gesagt. Es ist..."
"Es ist was?", schnitt Merry ab, zu wütend, um Frodo ausreden zu lassen. "Du bist eifersüchtig und deshalb wütend auf mich! Ich brauche keine Erklärungen."
Er machte auf dem Absatz kehrt, ging kopfschüttelnd zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte, um Frodo mit einer Mischung aus Enttäuschung, Zorn und Verbitterung anzusehen. "Mir scheint, du bist derjenige, dem unsere Freundschaft nichts mehr bedeutet."

Die Aussage ließ Frodo wie versteinert zurück. Als die Tür krachend ins Schloss fiel, wollte er seinem Vetter hinterher laufen und ihm irgendeine Gemeinheit an den Kopf werfen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Vollkommen entgeistert blickte er auf die Stelle, an der sein Vetter zuvor noch gestanden hatte. Er keuchte, die Hände noch immer zu Fäusten geballt, die Miene weiterhin finster. Zorn loderte in seinen Augen, ließ sie ungewöhnlich dunkel erscheinen.
Wie konnte Merry ihm vorwerfen, ihre Freundschaft wäre ihm gleichgültig? Schließlich war Merry es, der seine Zeit lieber mit seinem Vater verbrachte und ihn dabei völlig zu vergessen schien. Nur langsam entkrampften sich seine Finger wieder und er wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen, warf sich auf sein Bett.
"Wie kann er nur?", brummte er grimmig, wobei er sein Bild anblickte, als hoffe er, von ihm eine Antwort zu erhalten.

An jenem Abend, vor knapp einer Woche, war Frodo noch lange bei Hanna geblieben. Letzten Endes, war er froh gewesen, dass sie ihn gebeten hatte, mit ihr zu kommen. Sie hatten nicht geredet, doch es hatte gut getan, in die Arme genommen, getröstet zu werden. Er wusste nicht, was an jenem Abend sonst geschehen wäre. Vermutlich hätte er sich in seinem Zimmer verkrochen und sich in den Schlaf geweint.
So war er ohne weitere Tränen ausgekommen und am nächsten Tag war es ihm sehr viel besser gegangen. Seine Eifersucht auf Merry schien verschwunden, bis zu jenem Augenblick, an dem sein Vetter ihm verkündete, dass er auch diesen Tag nicht mit ihm würde verbringen können, da Saradoc andere Pläne für ihn habe. Und so war es die ganze folgende Woche gewesen. Das Wetter war zwar wieder besser geworden, doch Frodos Laune nicht. Ohne Merry bereitete ihm selbst der strahlenste Sonnenschein keine Freude. Oft saß er alleine im Wohnzimmer oder unter der großen Eiche und dachte nach, nur um noch betrübter zu werden. Was Frodo jedoch viel schlimmer fand, war die Tatsache, dass er immer wütender auf Merry wurde und noch mehr auf den Herrn von Bockland. Saradoc, der ihm Merry entriss, um sein eigenes, glückliches Leben mit seiner Familie zu führen, während er alleine zurückblieb.
Frodo hatte den Neid und die Wut unterdrückt, die sich immer mehr in seinen Gedanken ausgebreitet hatten, bis zu jener Unterhaltung mit Merry. Sie hatten erneut geplant gehabt, reiten zu gehen und wieder war Merry in sein Zimmer gekommen, mit der Entschuldigung, er habe es vergessen. Und bevor Frodo gewusst hatte, wie ihm geschah, war alles aus ihm heraus gebrochen und er hatte Merry angeschrieen.

Während er in seinem Bett lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Augen leer zur Decke starrend, kühlte sich sein Blut wieder ab und sein Ärger ging in Verzweiflung über. Was hatte er getan? Hatte er seinen Zorn denn nicht im Zaun halten können? Nun war Merry erzürnt und, was noch viel schlimmer war, wusste um seine Eifersucht, ein Gefühl, das er hatte verdrängen wollen, seit es das erste Mal aufgekommen war.
Frodo wollte nicht undankbar erscheinen, doch wenn er sah, wie viel Zeit Merry mit seinem Vater verbrachte, stimmte ihn das traurig. Er konnte sich noch so sehr wünschen, mit seinem Vater zusammen zu sein, für ihn würde dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen. Die Tatsache, dass er den ganzen Tag alleine war, wenn Merry mit dem Herrn von Bockland zusammen war, verstärkte diese Traurigkeit noch. Er kam sich selbst von Merry verlassen vor und gab Saradoc die Schuld dafür.
Frodo wusste, dass Merry wütend war, sehr wütend. Sein Vetter würde vorerst nicht gut auf ihn zu sprechen sein und auch Frodo hatte vor, ihm für eine Weile aus dem Weg zu gehen. Was Merry ihm alles an den Kopf geworfen hatte, war zu viel gewesen, hatte ihn tiefer verletzt, als alles andere, was ihm jemals angetan oder gesagt worden war.
Selbstsüchtig? War er selbstsüchtig, nur weil er wollte, dass Merry auch ein wenig Zeit mit ihm verbrachte? Merry war schließlich sein einziger wirklicher Freund im Brandyschloss, sein bester Freund und die Freundschaft zu ihm war ihm alles andere als gleichgültig. Merry schien das jedoch noch immer nicht begriffen zu haben und jetzt, da er seine Zeit lieber mit Saradoc verbrachte, als mit ihm, würde sich daran auch nichts ändern. Sollte sein Vetter doch glauben, was er wollte, ihm war das gleich.

Frodo seufzte und richtete sich schwungvoll auf. Es hatte keinen Sinn, länger darüber nachzudenken. Das würde ihn nur wieder wütend machen. Lustlos schlüpfte er in seinen Mantel, band sich einen Umhang um und stapfte nach draußen, wo er sich unter die kahlen Äste der große Eiche setzte. Er hatte dem Brandyschloss den Rücken zugewandt, in der Hoffnung, niemand würde sehen, dass er hier oben saß, wie so oft in den vergangenen Tagen. Die Sonne lachte vom Himmel und nur einige Wolkenfetzen störten das tiefe Blau. Trotz des schönen Wetters herrschte jedoch noch immer der kalte Wind des Winters und die Luft war kühl und verlieh seinen Wangen ein gesundes Rot.
"So allein?", fragte eine nur allzu bekannte, gehässige Stimme.
Frodo brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, um wen es sich handelte. "Lass mich!"
"Hast du heute etwa schlechte Laune?", fragt Marroc, obwohl es mehr eine Feststellung, als eine Frage war, ließ sich neben ihm auf den Boden sinken und lehnte sich an den Stamm.
Frodo rutschte ein Stück von ihm weg.
"Hast du Angst?", fragte Marroc, griff plötzlich nach Frodos Kragen und zog ihn zu sich.
Erschrocken riss der jüngere Hobbit die Augen auf und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Zu seiner Überraschung, gelang es ihm tatsächlich, die Hand seines Gegners weg zu schlagen, doch ob Marroc es so gewollt hatte, oder ob er es aus eigener Kraft geschafft hatte, konnte er nicht sagen. Frodo wich zurück, blieb etwas abseits des Baumes im kalten Gras sitzen.
"Du hast Angst", stellte Marroc beinahe erheitert fest und lehnte sich wieder an den Stamm.
Frodo sah ihn verwirrt an, Misstrauen in seinen Augen. Was hatte der Ältere vor?
"Siehst du, du wagst es nicht einmal jetzt, dich neben mich zu setzen", meinte dieser schließlich in sachlichem Ton. "Du warst zuerst hier, hättest das Recht dazu, aber du nutzt es nicht. Du bist feige."
Frodo krallte seine Finger ins Gras, seine Miene verfinsterte sich. Suchte Marroc jetzt etwa auch noch Streit? Er spürte die Wut von zuvor erneut in sich aufsteigen, wusste, dass er leicht zu reizen war. Kalte Erde sammelte sich unter seinen Fingernägeln, als er diese fester ins Gras grub. Er spürte, dass es nur weniger Worte bedurfte, um ihn einen weiteren Streit beginnen zu lassen, doch so weit wollte Frodo es nicht kommen lassen, denn ein Streit mit Marroc konnte böse für ihn enden.
Trotzdem lehnte er sich wieder an den Stamm, allerdings auf der gegenüberliegenden Seite, den Blick starr auf den Bockberg gerichtet, angespannt darauf wartend, was Marroc als nächstes tun würde.
"Ich habe noch eine Rechnung zu begleichen", fuhr dieser schließlich fort.
Frodo wurde plötzlich hellhörig und, war er zuvor wachsam gewesen, waren seine Nerven nun zum Zerreißen gespannt. Ohne den Kopf zu bewegen, versuchte er beinahe angstvoll, einen Blick auf Marroc zu werfen.
"Du hast mich jämmerlich genannt", die Stimme behielt ihren erklärenden Tonfall.
Frodos Atmung setzte für einen Augenblick aus. Mit einem Mal erinnerte er sich an jenen Abend im Erdbeerbeet. Der Abend, an dem er es gewagt hatte, sich gegen Marroc zur Wehr zu setzen.
Plötzlich konnte er spüren, wie nackte Angst ihre Klauen nach ihm ausstreckte und ihn packte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, ließ seine Nackenhaare sich sträuben. Er musste sofort weg, hätte schon viel früher gehen sollen.

Frodo sprang auf, doch es war bereits zu spät. Marroc packte seinen Knöchel, woraufhin Frodo der Länge nach zu Boden stürzte. Nun ergriff die Angst ganz Besitz von ihm, schnürte ihm die Luft ab. Oder war das Marroc, der sich auf ihn gestürzt hatte und ihn zu Boden drückte?
"Was hast du vor?", keuchte Frodo, während er verzweifelt versuchte, sich zu befreien.
"Das willst du gar nicht wissen, Kleiner!" gab Marroc zurück, wobei er das Gesicht bedrohlich nahe an das Seine brachte.
Frodos Furcht breitete sich noch weiter aus, wenn dies überhaupt möglich war. Wie eine eiserne Kette legte sie sich um seinen Körper und für einen Augenblick schien ihn alle Kraft zu verlassen, sodass er hilflos zitternd zurückblieb. Er wusste, dass Marroc keinen Wert auf Saradocs Anweisungen legte. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen, und das schnell.
Völlige Verzweiflung übermannte ihn, denn sein Verstand schien leer. Seine Angst hatte ihn vollkommen ausgefüllt, ließ ihn selbst seine Wut vergessen. Marroc würde ihn schlagen, wie er es schon im Erdbeerbeet hatte tun wollen. Warum er es an jenem Abend nicht getan hatte, war Frodo ein Rätsel geblieben, doch nun würde Marroc nachholen, was er damals versäumt hatte, darin bestand kein Zweifel.
"Wenn du glaubst, du könntest nach Saradoc rufen, muss ich dich enttäuschen", ließ Marroc ihn wissen und drückte ihn fester zu Boden, als wieder Kraft in Frodos Arme zurückgekehrte und er erneut versuchte, sich zu befreien.
"Dein kleiner Freund ist auch nicht da. Er ging gemeinsam mit dem Herrn reiten."

Frodo starrte ihn entgeistert an, hörte für einen Augenblick auf, sich zu wehren. Merry war mit Saradoc reiten gegangen? War das von Anfang an geplant gewesen, oder war Merry aus purem Trotz mit seinem Vater ausgeritten?
Die Wut von zuvor kehrte, gemischt mit Enttäuschung, zu ihm zurück und vermengte sich mit der Angst vor Marroc, die ihn in diesem Augenblick erfüllte.
All seine Kraft zusammennehmend, schlug er erneut um sich und schaffte es schließlich, sich durch einen Tritt in den Bauch von Marroc zu befreien. Sofort sprang er auf und stürzte davon. Sein Herz schlug in wilder Verzweiflung. Seine Knie waren weich, doch er schenkte dem keine Beachtung und stürzte den Hügel hinunter, zurück zum Brandyschloss. Marroc setzte ihm hinterher.

Seine Angst verlieh Frodo eine ungeahnte Geschwindigkeit und bald war er Marroc ein ganzes Stück voraus. Seine Lungen brannten wie Feuer und Frodo schnappte verzweifelt nach Luft. Er konnte nicht mehr weiter laufen. Sein Blick fiel auf die Holzscheite, die nicht weit von ihm entfernt unter wasserdichten Planen aufgestapelt waren. Es waren nicht mehr viele, schließlich war der Winter beinahe vorüber, dennoch musste es genügen, um sich vor Marroc zu verstecken. Mit einem Satz verkroch er sich zwischen einer der vielen Reihen. Seine Knie gaben nach und er sank keuchend zu Boden. Sein Herz raste und Frodo fürchtete, dass selbst Marroc das laute Pochen hören konnte.

"Wo bist du?"
Erschrocken presste Frodo sich gegen das Holz an seinem Rücken, als er Marrocs wütende Stimme hörte. Er lauschte, vermutete, dass Marroc nicht mehr weit von der Reihe, in der er sich befand, entfernt war und schlich ans andere Ende. Vorsichtig spähte er um die Ecke. Nichts.
"Da bist du ja!" Marroc erschien mit einem hämischen Grinsen am anderen Ende des Holzstapels.
Frodo sprang mit einem entsetzten Aufschrei zurück, wobei er gegen die untersten Holzscheite stieß und sie zu Boden warf. Ein Raunen ging durch das aufgeschichtete Holz und eh der junge Hobbit wusste, wie ihm geschah, rutschten die oben liegenden Scheite herunter. Beinahe hätten sie ihn unter sich begraben, doch Frodo war in letzter Sekunde zur Seite gesprungen und starrte nun voller Entsetzen auf die herunterfallenden Scheite. Er wartete förmlich darauf, dass der Holzstapel in sich zusammenfiel, doch nichts dergleichen geschah und auch wenn das Holz gefährlich ins Wanken geraten war, beruhigte sich der Stapel wieder, nachdem er sich jener Scheite entledigt hatte, denen Frodo nur knapp entkommen war.
Ein Seufzer der Erleichterung entwich seinen Lungen und er ließ sich mit geschlossenen Augen auf den Rücken fallen, ohne auf das kalte, nasse Gras zu achten. Für heute hatte er eindeutig genug Aufregung gehabt. Ein heimliches Zittern hatte sich seines Körpers bemächtigt, doch ließ dieses bereits nach, ebenso, wie das ungute Gefühl der Angst, das ihn von den Zehen bis zu den Haarspitzen erfüllte.

Zu früh, denn Marroc stand plötzlich vor ihm und blickte auf ihn herab. Ihn hatte Frodo für einen Augenblick ganz vergessen, war umso erschrockener, als dieser plötzlich in einem beinahe spöttisch erheiterten Tonfall kundtat, dass er ein ordentliches Durcheinander angerichtet hatte.
"Daran bist du nicht unbeteiligt!" ließ Frodo verlauten, verärgert, dass Marroc alle Schuld auf ihn schieben wollte, doch bereute er seine kleinlauten Worte sofort, denn Marroc verpasste ihm einen schmerzhaften Tritt in die Seite. Frodo sog scharf die Luft ein, biss sich dann auf die Lippen, um ein Stöhnen zu verhindern, als er sich zur Seite drehte und sich den Bauch hielt.
Marroc grinste triumphierend. "Du solltest das besser aufräumen, bevor der Herr nach Hause kommt oder es jemandem auffällt", seine beinahe erheiterte Stimme nahm einen drohenden Unterton an, "und wehe dir, du verlierst ein Wort über das, was vorgefallen ist."

Frodo, der noch immer gekrümmt am Boden lag, nickte schwach. Marroc grinste zufrieden, stieß ihm dann erneut in den Bauch, um sicher zu gehen, dass der junge Hobbit seine Worte auch nicht vergaß und ging davon.
Frodo fiel es für einen Augenblick schwer zu atmen und er hätte am liebsten angefangen zu weinen. Weshalb ließ er das mit sich machen? Alles ging wieder von vorne los. Es war genau, wie vor zwei Jahren, nur, dass er dieses Mal bereits mit Saradoc gesprochen hatte, und wusste, dass dies nichts ändern würde. Was konnte der Herr denn schon machen? Marroc aus dem Brandyschloss werfen? Das würde er niemals tun und Marroc wusste das.

Seine Furcht hatte von ihm abgelassen und auch der Schmerz ließ langsam nach, als Frodo sich vorsichtig erhob. Missmutig machte er sich daran, die heruntergefallenen Scheite wieder aufzuschichten. Es war eine mühselige Arbeit und auch wenn nur ein kleiner Teil des Stapels eingestürzt war, dauerte es lange, bis er alle Scheite wieder unter die Plane geschichtete hatte, die zu seiner Erleichterung nicht ebenfalls heruntergefallen war.
Frodo war wütend. Wütend auf sich selbst, dass er Marroc so mit sich umgehen ließ. Wütend auf Marroc, der ihn grundlos so schlecht behandelte. Wütend auf Merry, der mit Saradoc ausgeritten war und wütend auf Saradoc, weil er soviel Zeit hatte, die er mit Merry verbringen konnte.

Frodo hatte gerade das letzte Stück unter der Plane aufgestapelt, als er Stimmen hörte, die sich ihm näherten. Er konnte sofort sagen, dass es sich um Merry und Saradoc handelte. Sie lachten und tauschten Dinge aus, die sie vermutlich während ihres Rittes erlebt hatten. Grimmig dachte Frodo daran, dass er es eigentlich war, der mit Merry hatte ausreiten wollen und ballte die Hände zu Fäusten. Er entschied, hier zu warten, bis sie an ihm vorüber gegangen waren, denn er glaubte nicht, dass er den Zorn, den er während seiner unfreiwilligen Beschäftigung geschürt hatte, länger zurückhalten konnte, sollte er eben jenen beiden begegnen, die an seiner misslichen Lage schuld waren.

An diesem Tag schien jedoch nichts so zu verlaufen, wie Frodo es sich wünschte, denn Saradoc entdeckte ihn und begrüßte ihn freundlich.
"Was machst du denn hier?", fragte der Herr neugierig, wobei er einen etwas verwunderten Blick auf die schmutzigen Hände des Jungen warf.
"Das geht dich nichts an!" fuhr Frodo ihn an, ein wütendes Funkeln in den Augen, und stürmte davon.
Saradoc ließ der Tonfall dieser Aussage beinahe überrascht zurückschrecken und er tauschte einen fragenden Blick mit seinem Sohn, doch dieser zuckte mit den Schultern. Dennoch entging dem Herrn von Bockland nicht, dass Merry seinem Vetter einen nicht allzu freundlichen Blick hinterher warf und für einen kurzen Augenblick legte er nachdenklich die Stirn in Falten.

Frodo war durch den Hintereingang geradewegs in sein Zimmer gerannt. Auf halbem Weg war er allerdings auf Esmeralda gestoßen, die ihn daran erinnert hatte, dass das Abendessen bald aufgetischt wurde. Frodo hatte nur genickt, war jedoch sofort weiter durch die Gänge gerannt, bis er sein Zimmer erreicht hatte.
Dort angekommen ließ er die Tür krachend ins Schloss fallen, entledigte sich seines Umhangs und des Mantels und warf sich auf sein Bett, um sich unter seiner Decke zu verkriechen. Er hasste diesen Tag, konnte kaum erwarten, dass er vorüber ging. Er würde hier liegen bleiben und auf den Morgen warten.

Es dauerte jedoch nicht lange, da klopfte es an der Tür. Frodo verharrte regungslos unter seiner Decke, biss sich verzürnt auf die Lippen. Wenn er sich einsam fühlte, kam niemand, doch jetzt, wo er in Ruhe gelassen werden wollte, schien sich plötzlich jeder für ihn zu interessieren. Weshalb mussten sie ihn ausgerechnet jetzt beachten wollen? Er stellte sich schlafend, als die Tür geöffnet wurde und jemand eintrat. Der Stuhl an seinem Schreibtisch wurde vorgezogen und neben das Bett gestellt.
"Ich weiß, dass du nicht schläfst, Frodo", es war Saradocs Stimme. "Du schläfst niemals um diese Zeit, außer wenn du krank bist und krank hast du zuvor nicht ausgesehen."
Frodo rührte nicht, also sprach Saradoc weiter. "Weshalb bist du wütend, Frodo? Hattest du Streit mit Merry?
Streit mit Merry! Was geht ihn das an? Er ist schließlich der Grund dafür!
Er wollte nicht antworten, stellte sich weiterhin schlafend, obwohl ihm klar war, dass Saradoc wusste, dass dem nicht so war.
"Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest", sagte dieser nach einer langen Pause.
Als Frodo noch immer nicht gewillt war, etwas zu entgegnen, seufzte Saradoc resignierend, erhob sich schließlich und stellte den Stuhl zurück an seinen Platz. In der Tür wandte er sich noch einmal um. "Wasch dir wenigstens Füße und Hände, bevor du dich schlafen legst."

Frodo blinzelte und setzte sich auf, als er sicher war, dass Saradoc gegangen war und nicht hinter der Türe darauf wartete, dass er sich rührte, um noch einmal herein zu kommen. Er blickte auf seine Hände. Sie waren tatsächlich schmutzig, ebenso, wie seine Füße. Er wollte niemandem mehr begegnen, also entschied er sich zu warten, bis er sicher sein konnte, dass alle beim Essen waren, um sich dann ins Badezimmer zu schleichen.

Auf Zehenspitzen tapste er schließlich hinaus und ging in den östlichen Waschraum, als plötzlich Merry vor ihm stand. Überrascht sahen sie einander an, doch mit einem Schlag veränderten sich ihre Mienen und sie warfen einander grimmige Blicke zu, ehe sie schließlich, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, aneinander vorüber gingen.

Frodo beeilte sich mit seiner Wäsche, um rasch in sein Zimmer zurückkehren zu können. Als er schließlich wieder in seinem Bett lag, in völliger Dunkelheit zur Decke blickte und auf den nächsten Morgen wartete, traten plötzlich Tränen in seine Augen. Grundlos, wie er sich selbst glauben machen wollte. In Wahrheit wusste er jedoch, was ihn so traurig stimmte. Es schmerzte ihn, an Merry vorbeizugehen, ohne ihm auch nur einen freundlichen Blick oder ein Lächeln zu schenken. Alles, was sie noch füreinander übrig hatten, waren grimmige Blicke und er war schuld daran. Er hatte den Streit begonnen, obwohl es eigentlich Merrys Benehmen gewesen war, das erst dazu geführt hatte. Oder war es sein eigenes Verhalten gewesen?
Frodo seufzte, drehte sich auf den Bauch und legte das Kissen auf seinen Kopf. Er wollte nicht darüber nachdenken, nicht heute. Dies war kein Tag für vernünftige Gedanken. Es würde alles wieder in Zorn und Verbitterung enden, wie es in den vergangenen Stunden schon zu oft der Fall gewesen war.





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