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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 14: Elben und Zauberer



Frodo war nun schon viele Wochen bei Bilbo und die Tage wurden kürzer. Die langen Abende verbrachte er meist mit seinem Onkel am Kamin, blätterte in einem der vielen Bücher, spielte mit Karten, oder ließ sich von Bilbo eine Geschichte erzählen. Am liebsten hörte er von großen Abenteuern, seien es nun die von Túrin oder Bilbos eigene Geschichte mit dem Drachen, oder von Elben. Sein Onkel hatte ihm sogar angeboten, ihn einige Begriffe zu lehren und Frodo war von dieser Idee sehr angetan. Noch ehe Bilbo die Zeit fand, ihm die ersten Worte beizubringen, wollte er schon das erste, und für ihn wichtigste Wort wissen: elin, die Sterne.
Zu ihnen hatte Frodo an jedem klaren Abend aufgeblickt, ehe er zu Bett gegangen war, und hatte schweigend seiner Eltern gedacht. Noch lange hatte ihn die Furcht vor weiteren Albträumen verfolgt, doch diese kehrten nicht wieder. War er dennoch nachts aufgewacht, oder hatte durch Regen keinen Schlaf finden können, hatte er sich in Bilbos Zimmer geschlichen, wo er sich beruhigt an seinen Onkel gekuschelt hatte.

"Waren die Elben im Düsterwald böse?", fragte Frodo und blickte mit großen Augen zu Bilbo auf.
Der alte Hobbit saß mit einer Pfeife in der Hand in seinem Sessel vor dem Kamin und Frodo saß mit verschränkten Beinen zu seinen Füßen. Der Duft von Pfeifenkraut und Apfelholz hing in der Luft und das Feuer im Kamin knisterte.
"Elben sind nicht böse, mein Junge", lachte Bilbo und paffte verträumt an seiner Pfeife. "Aber sie waren misstrauisch und du musst bedenken, dass Elben sich nicht sehr gut mit den Zwergen verstehen. Aber letzten Endes hat sich alles zum Guten gewandt und König Thranduil hätte mich und Gandalf in seinen Palast eingeladen, doch wir wollten nicht mehr durch die gefährlichen Wege des Düsterwaldes. Wer weiß, was die Spinnen mit mir gemacht hätten, wenn sie mich erwischt hätten."
Er zwinkerte und ein Lächeln huschte über Frodos Lippen. Wie gebannt hatte der Junge seinen Worten gelauscht, als sein Blick nun auf das glänzende Schwert über dem Kamin fiel.
"Das ist Stich. Die Elben haben es geschmiedet. Die Klinge schimmert blau, wenn Orks in der Nähe sind", erklärte Bilbo.
Frodo sah ihn mit großen Augen an, ein verblüfftes und ebenso neugieriges Funkeln im Blick. "Die selben Elben, denen du begegnet bist?"
"Nein, das waren andere", sagte Bilbo kopfschüttelnd. "Dieses Schwert ist alt, Frodo, viel älter als du vielleicht denkst."
"Wie alt?", fragte der junge Hobbit, ohne den Blick von der schimmernden Klinge zu nehmen.
Bilbo zuckte mit den Schultern. "Ich vermute, es hat schon viele hundert Jahre in den Höhlen der Trolle gelegen, allerdings glaube ich, dass nicht einmal Gandalf weiß, wie alt es wirklich ist."
"Weiß Gandalf viele Dinge?"
Der Wissensdurst des jungen Hobbits schien unerschöpflich, auch wenn seine Aufmerksamkeit noch immer mehr dem Schwert, als dem Erzähler galt. Bilbo grinste in sich hinein.
"Gandalf weiß vieles, mein Junge, und sein Feuerwerk ist das Schönste, das ich jemals gesehen habe." Ein verträumter Ausdruck huschte über seine Züge. "Es stieg auf wie Goldregen und hing den ganzen Abend am Himmel. Mein Großvater, der Alte Tuk, ließ jedes Jahr zur Sommersonnenwende eines abbrennen."

Frodo genoss diesen Abend. Er liebte es, sich mit Bilbo zu unterhalten und seine Gedanken wandern zu lassen. Sie hatten die kalte Winterluft ausgesperrt und waren gleich nach dem Abendessen an den Kamin gesessen. Bilbo hatte sich ein Glas Wein gegönnt, während Frodo sich mit einer Tasse Milch mit Honig und einigen Keksen zur Nachspeise zufrieden gegeben hatte. Meist saß Frodo mit dem Rücken zum Kamin, doch heute hatte er sich an Bilbos Beine gelehnt und sich von ihm durch die Haare streichen lassen, bis dieser angefangen hatte, von seinem eigenen, großen Abenteuer vor vielen Jahren zu erzählen. Da hatte Frodo sich schließlich umgewandt, sodass das Feuer seinen Rücken wärmen konnte, denn er wollte sehen, wie sich die Erlebnisse in Bilbos Augen widerspiegelten und kein Lächeln verpassen, dass alte Erinnerungen hervorriefen.
Frodo hatte noch nie ein Feuerwerk gesehen, doch Bilbos Worte halfen ihm, sich eines vorzustellen. Er schloss die Augen und plötzlich tanzten bunte Lichter hinter seinen Lidern. Mit einem lauten Knall sprühten Funken in alle Richtungen und ihre farbenfrohe Pracht erhellte den Nachthimmel.
"Ich frage mich, wo er jetzt ist", hörte er Bilbo murmeln und schlug neugierig die Augen auf. "Wahrscheinlich auf einer seiner vielen Reisen."
"Glaubst du, er erlebt gerade ein Abenteuer?", wollte Frodo wissen und erschrak fast, als sein Onkel aus seinen Gedanken schreckte.
"Ich glaube, Gandalf erlebt nicht nur eines, Gandalf ist ein Abenteuer", sagte Bilbo und seine Stimme sprach von absoluter Sicherheit. "Wo immer er auftaucht, wirst du etwas erleben. Misch dich niemals in die Angelegenheiten von Zauberern ein, mein Junge, denn sie sind schwierig und rasch erzürnt."
Voller Verwunderung blickte Frodo zu seinem Onkel auf, zog dann fragend eine Augenbraue hoch. "Hast du dich nicht auch in seine Angelegenheiten eingemischt?"
Bilbo bedachte ihn mit einem schiefen Blick. "Gandalf hat mich zu einer seiner Angelegenheiten gemacht, mein Junge."
Frodo kicherte über die rasche Antwort, ließ seinen Blick dann wieder zu Stich gleiten, während er sich eine weitere Frage überlegte. Der Abend war schon weit fortgeschritten und er hoffte, Bilbo dazu bringen zu können, eine weitere Geschichte zu erzählen, denn er wollte noch nicht schlafen gehen. Gerade wollte er den Mund aufmachen, als sein Onkel die Pfeife weglegte und seine Beine ausstreckte.
"So viele Fragen müssen doch müde machen", stellte er fest. "Denkst du nicht, wir sollten unser Gespräch über Zauberer und Elben morgen fortsetzen?"
Frodo seufzte. Es war ausgesprochen schwer, Bilbo von der Zubettgehzeit abzulenken. Während seines ganzen Besuches, hatte er es bisher nur einmal geschafft, ihn zu einer zusätzlichen Geschichte zu überreden. Dennoch warf er ein weiteres Argument in den Raum, das ihn seinem Ziel näher bringen sollte. "Ich bin aber noch gar nicht müde!"
"Du wirst müde sein, wenn du in deinem Bett liegst", erwiderte Bilbo mit einem Lächeln und Frodo senkte enttäuscht den Kopf, hoffend, dass er am nächsten Abend mehr Glück hatte.

Es klopfte an der Tür und der junge Hobbit nutzte die Gelegenheit sofort, um den Gang in sein Zimmer zu verzögern.
"Ich mach auf!" rief er und war schon zur Tür gesprungen, noch ehe Bilbo sich aus seinem Sessel erhoben hatte. Dieser schüttelte lächelnd den Kopf und lauschte, ob Frodo seine Hilfe dennoch benötigte.
"Hat Sam seinen Mantel hier vergessen?", hörte er den Jungen nach einigem Gemurmel rufen. "Halfred meint, er hätte ihn heute Nachmittag liegengelassen."
Bilbo sah sich im Zimmer um und erblickte Sams Jacke auf der Bank unter dem Fenster, wo sie achtlos in die Ecke geschmissen worden war. Er schüttelte den Kopf, klopfte den Staub von der Jacke und ging damit in die Halle hinaus.
Halfred war einer von Sams älteren Brüdern und seinem Vater noch mehr aus dem Gesicht geschnitten, als Hamsen, der älteste Sohn der Gamdschies. Krauses, ockerbraunes Haar hing ihm wirr in die Stirn, als Bilbo den Mantel zurückreichte und ihm eine gute Nacht wünschte
Kaum hatte er die Tür geschlossen, schickte er Frodo in sein Zimmer, wo er sich umziehen sollte, während er in die Küche ging, um einen Kessel Wasser aufzusetzen. Er suchte gerade nach dem Glas mit den getrockneten Pfefferminzblättern, als Frodos Lockenkopf in der Tür auftauchte.
"Kann ich auch Tee haben?", fragte er und blickte mit großen Augen zu ihm auf. Augen, denen man eine solch bescheidene Bitte nicht abschlagen konnte.
Frodo lächelte zufrieden. Dieser Abend wurde länger, als er erwartet hatte. Als er jedoch am Tisch Platz nehmen wollte, klopfte es erneut an der Tür. Bilbo runzelte die Stirn, sah fragend zu ihm herüber.
"Hat Sam denn noch etwas vergessen?"
Frodo zuckte mit den Schultern und eilte erneut in die Empfangshalle von Beutelsend, um die Absichten des späten Besuchers zu erfahren.
Bilbo hatte inzwischen gefunden, wonach er suchte und stopfte die getrockneten Blätter in zwei kleine Teesiebe. Wie auch schon zuvor lauschte er auf Gespräche, doch dieses Mal drang kein Laut an sein Ohr.
"Frodo?", fragte er nach. "Wer ist es denn?"
Niemand antwortete ihm, was Bilbo etwas unruhig werden ließ. Er trat ebenfalls in den Hauptgang hinaus und hielt auf die Eingangshalle zu. Im spärlichen Licht der Lampen an der Wand konnte er Frodos Gestalt ausmachen, die scheinbar von der Tür zurückgewichen war und nun mit offenem Mund nach oben starrte.
"Wer ist es denn?", fragte Bilbo noch einmal, doch Frodo schien seine Sprache verloren zu haben, starrte nur weiterhin mit großen Augen in die Nacht hinaus.
Bilbo wurde unruhig, beschleunigte seinen Gang, bis er schließlich um die Ecke spähen und erkennen konnte, wer vor seiner Türe stand und seinem Neffen einen solchen Schrecken einjagte.
"Gandalf!" rief er verwundert und jegliche Sorge fiel von ihm ab, löste sich in einem überraschten Lachen auf.
Gandalf der Graue, den er seit über dreißig Jahren nicht wieder gesehen hatte, stand vor seiner Höhle, nur vom Schein einer Lampe beleuchtet und blickte nicht minder erstaunt auf den jungen Hobbit hinab, der ihm die Tür geöffnet hatte, wie dieser zu ihm aufsah.

Frodos Gedanken überschlugen sich. War das wirklich Gandalf, der vor ihm stand? Der alte Mann hatte einen langen Bart und buschige Augenbrauen, wie Bilbo gesagt hatte. Er trug einen grauen Mantel und einen spitzen, grauen Hut. In der Hand hielt er einen Stab. Doch was Frodo am meisten verblüffte, war seine Größe. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der so groß war. Der Mann war noch viel größer, als Frodo sich das Große Volk immer vorgestellt hatte. Würde er überhaupt durch die Türe passen? Wie musste es in Beutelsend ausgesehen haben mit dreizehn Zwergen, Bilbo und diesem Zauberer? Er begann sich zu fragen, wo Bilbo sie alle untergebracht hatte. Natürlich war Beutelsend eine große Höhle, viel größer als die meisten, aber jemand von dieser Größe konnte sich Frodo nicht in ihr vorstellen.
Ein Schauer der Erregung durchlief ihn, als er seine Sprache endlich wieder fand. "Bist du wirklich Gandalf?"
"Der bin ich", entgegnete der Fremde, der sich auf seinen Stab stützte, als könne er die Lasten, die seine Schultern beugten, alleine nicht mehr tragen. "Und mit wem habe ich die Ehre?"
Frodo verschlug es vor Staunen erneut die Sprache. In seinem Bauch kribbelte es vor lauter Aufregung und er fand sich außerstande, den Blick vom alten Mann abzuwenden. Dennoch wollte er sich von seiner besten Seite zeigen und er verbeugte sich tief, was ihm auch half, sich seiner Stimme wieder zu erinnern. "Frodo Beutlin ist mein Name."
"Beutlin?" Gandalf zog fragend eine Augenbraue hoch und richtete sich auf, als könne er ihn so genauer betrachten. Frodo verharrte regungslos unter dem Blick, war beinahe erleichtert, als sich der Zauberer schließlich seinem Onkel zuwandte.
"Bilbo Beutlin, ich freue mich, dich wieder zu sehen! Ich hoffe, ich komme nicht Ungelegen?" Gandalf warf einen weiteren kurzen Blick auf Frodo.
"Nein, ganz und gar nicht. Komm doch herein, Gandalf, mein Freund!"
Bilbo trat zur Seite, schob auch Frodo ein wenig zurück, um den alten Mann eintreten zu lassen. Dieser trat gebückt durch die runde Tür der Höhle, während Frodo jede seiner Bewegungen gespannt und mit ungläubigen Augen verfolgte.
Ganz gleich welches Gewicht Gandalf zu tragen hatte, es schien von ihm abzufallen, kaum dass er in die Höhle getreten war. Den Stab lehnte er an die Wand, während er Bilbo seinen Hut reichte, den dieser an einen Kleiderhaken hängte. Sein Onkel bat Gandalf im Wohnzimmer Platz zu nehmen und bot ihm auch Tee und Kuchen an, was dieser gerne annahm.
Während Gandalf ins Wohnzimmer ging und Bilbo in die Küche eilte, weil der Teekessel pfiff, blieb Frodo in der Eingangshalle stehen. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals vor Aufregung und seine Augen leuchteten, als er ehrfürchtig auf den Stab blickte. Bilbo hatte gesagt, Gandalf könne Blitze aus ihm schlagen und wer wusste, was der Zauberstab noch alles konnte?
"Frodo, der Tee ist fertig!"
Der junge Hobbit zuckte zusammen, riss erschrocken seine Hand zurück, die sich, ohne, dass er es bemerkt hatte, langsam auf den leicht gekrümmten Stab zu bewegt hatte.
Er trottete ins Wohnzimmer und ließ sich neben Bilbo nieder, so dass er gegenüber von Gandalf saß. Nicht einmal ließen seine neugierigen Augen von dem Zauberer ab, während er schweigend seinen Tee trank und den Gesprächen der beiden lauschte. Er verstand nicht genau worüber sie sprachen, doch das störte Frodo nicht. Alles was zählte, war Gandalf und die Aufregung, die er seinetwegen empfand, ließ ihn beinahe auf seinem Stuhl herumhüpfen, einen Drang, den er verzweifelt zu unterdrücken suchte.
Er stellte die leere Tasse wieder auf den Tisch und Bilbo nutzte den Moment sofort, um ihn zu Bett zu schicken.
"Aber…", versuchte er zu protestieren.
"Nein, kein Aber", unterbrach Bilbo streng. "Ich werde nachher noch zu dir kommen."
Frodo warf seinem Onkel einen missmutigen Blick zu, ehe er sich vom Stuhl gleiten ließ und sich höflich von Gandalf verabschiedete.

Als Bilbo schließlich in das Zimmer kam, lag Frodo hellwach in seinem Bett. Das Licht einer Kerze erhellte seine Züge, während er mit großen, bittenden Augen zu ihm aufsah.
"Muss ich wirklich schon schlafen?", jammerte er.
Bilbo setzte sich neben ihm auf die Bettkante. "Es ist spät, morgen ist auch noch ein Tag."
Frodo warf zwei schnelle Blicke nach links und nach rechts, als wollte er sich vergewissern, dass sie alleine waren. Dann bedeutete er Bilbo verschwörerisch, sich zu ihm herunter zu beugen und flüsterte ihm kaum hörbar und mit aufgeregter Stimme ins Ohr: "Aber da sitzt ein Zauberer in unserem Wohnzimmer."
Bilbo lachte und wuschelte kopfschüttelnd durch Frodos Locken.
"Auch er wird morgen noch hier sein, Frodo", versicherte er schmunzelnd und zwinkerte dem Jungen zu. "Schlaf jetzt!"
Frodo warf ihm einen letzten, flehenden Blick zu, doch Bilbo schüttelte den Kopf, pustete die Kerze aus und verließ das Zimmer.

Frodo klopfte ungeduldig mit den Fingern auf seine Bettdecke, starrte mit wachen Augen zur Decke und lauschte nach Stimmen. Er konnte keine Gespräche ausmachen und beobachtete stattdessen die seltsamen Schatten, die der rote Schimmer der Glut an die Decke warf.
Wie sollte er jetzt schlafen können? Im Wohnzimmer saß Gandalf, der Zauberer, und er selbst musste hier ihn seinem Zimmer sein und sollte schlafen?! Schlaf war das Letzte, woran er jetzt dachte. Schon so oft hatte Bilbo ihm von Gandalf erzählt und nun, da er tatsächlich hier war, durfte er ihn nicht sehen. Er fragte sich, wo der Zauberer wohl so lange gewesen war.
"Ich glaube Gandalf erlebt nicht nur eines, Gandalf ist ein Abenteuer."
Konnte jemand wirklich ein Abenteuer sein?
Frodo war sich sicher, dass dies bestimmt nur auf jemanden zutraf, der so groß wie Gandalf war und buschige Augenbrauen hatte.
Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Stab, den er um ein Haar berührt hätte. Woher Gandalf den Stab wohl hatte und wozu er gut sein mochte? Er wirkte nicht wirklich besonders, doch immerhin war er der Stab eines Zauberers und das allein genügte schon, um ihn zu etwas Besonderem zu machen. Tausende Fragen schwirrten ihm im Kopf herum und am liebsten hätte Frodo alle sofort gestellt. Sehnlichst wünschte er sich den nächsten Morgen herbei, während er sich unruhig von einer Seite auf die andere drehte und auf einen Schlaf wartete, von dem er wusste, dass er nicht allzu bald kommen würde.



~*~*~



Gandalf und Bilbo saßen unterdessen im Wohnzimmer, tranken Tee und aßen Kuchen. Ein Feuer prasselte im Kamin, warf lange Schatten an die Decke und verströmte den angenehmen Duft von Holz.
"Frodo Beutlin", wiederholte Gandalf gedankenverloren, sah Bilbo dann fragend an. "Du hast also einen Sohn?"
"Ich?", Bilbo schmunzelte bei dem Gedanken und schüttelte den Kopf. "Nein, Primula und Drogo sind seine Eltern."
Gandalf lächelte unter seinem Bart, auch wenn seine Augen weiterhin fragend auf dem Hobbit ruhten. "Was macht er dann hier bei dir?"
Betrübt wandte Bilbo den Blick ab. Ein Holzscheit knarrte, als die Flammen im Feuer züngelnd danach langten.
"Vor einigen Wochen hatten Primula und Drogo einen Bootsunfall", begann er zögernd und seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser, "von dem sie beide nicht zurückkehrten. Ich dachte, Frodo würde es gut tun, etwas Abstand zwischen sich und den Brandywein zu bringen und habe ihn für einige Zeit zu mir genommen."
Gandalf nickte mitfühlend, als der alte Hobbit wieder zu ihm aufsah und er die Trauer über den Verlust in seinen Augen sehen konnte.
"Ich vermute, Frodo hat sich selbst die Schuld für ihren Tod gegeben, denn er wurde von Albträumen gequält. Er ist sehr verschlossen und ich hatte gehofft, er würde sich mir anvertrauen, wenn er einige Zeit hier ist. Bis jetzt ist es allerdings noch nicht dazu gekommen. Er scheint aber dennoch weniger betrübt zu sein."
Bilbo seufzte und überlegte einen Augenblick. "Die Sterne liegen ihm sehr am Herzen. Beinahe an jedem Abend geht er noch einmal hinaus, um sie zu betrachten. Sterne, elin, war auch das erste Wort, das ich ihm beibringen sollte, als ich vorschlug, ihn einige elbische Worte zu lehren."
Gandalf stopfte sich seine Pfeife, musterte den Hobbit eingehend. "Du scheinst den Jungen sehr gern zu haben."
Bilbo lächelte nickend und kramte nach seiner Pfeife.
"Er ist mir ans Herz gewachsen", gestand er.



~*~*~



Als Frodo am nächsten Morgen aufwachte, war er nicht weniger aufgeregt, als am Abend zuvor. Schnell hatte er sich angezogen und gewaschen. Er konnte Bilbo in der Küche hören, als er den Hauptgang entlang schlich, doch Frodo vermutete, dass Gandalf wohl wie am Abend zuvor im Wohnzimmer sitzen würde. Auf Zehenspitzen trat er an die Tür und entdeckte den Zauberer in einem Sessel vor dem Kamin sitzend. Staunend betrachtete er die bunten Rauchringe, die sich über dem Kopf des Zauberers zu einer großen farbigen Wolke sammelten. Bilbo hatte ihm auch davon erzählt, doch Frodo hatte ihm nicht geglaubt, fest davon überzeugt, dass Rauch immer grau war. Nun bewies sich ihm das Gegenteil.
"Guten Morgen, Frodo!"
Frodo zuckte erschrocken zusammen, als er die tiefe, aber dennoch freundliche Stimme vernahm.
"Guten Morgen!" antwortete er zaghaft und bedachte den Zauberer mit einem argwöhnischen Blick. Zögernd trat er schließlich ein, ging zum Kamin, ohne den Blick von Gandalf zu nehmen und ließ sich dann vor ihm zu Boden sinken, um ihn neugierig zu betrachten. Der Anblick des Zauberers erfüllte ihn, nun da Bilbo nicht bei ihm war, mit großer Ehrfurcht und Frodo wurde unruhig, als er spürte, wie die weisen Augen unter den buschigen, grauen Brauen ihn beobachteten.
"Siehst du auch, was hinter dir passiert?", fragte er schließlich, um die unangenehme Stille, die den Raum erfüllte, zu umgehen.
Gandalf lachte. "Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe dich gehört, mein lieber Hobbit."
Frodo betrachtete ihn stirnrunzelnd. Er hatte selbst für einen Hobbit ausgesprochen leise Solen und hielt es daher für beinahe unmöglich, dass Gandalf ihn gehört hatte. Nicht einmal Merry hätte ihn entdeckt, so leise war er gewesen. Andererseits durfte er nicht vergessen, dass Gandalf ein Zauberer war und als er ihn im Feuerschein betrachtete, führte ihn das zu seiner nächsten Frage.
"Gibt es noch anderer Zauberer?"
"Ja, die gibt es", antwortete Gandalf.
Das Entzücken über diese Antwort brachte Frodos Augen zum Leuchten. "Sind sie alle so groß wie du?"
Gandalf lachte erheitert, als er den neugierigen Blick Frodos sah. Dieser Hobbit war zweifelsohne wissensdurstiger, als dies für sein Volk üblich war. Der Junge konnte vor Aufregung kaum still sitzen.
"Ja, ich denke schon, dass sie alle in etwa dieselbe Größe haben, wie ich selbst."

"Guten Morgen, Frodo!" rief Bilbo, der mit einem Tablett beladen ins Zimmer kam und dieses auf dem Esstisch abstellte. "Kannst du mir bitte dabei helfen, das Frühstück vorzubereiten?"
Frodo wollte protestieren, trennte sich nur ungern von Gandalf, verschwand dann aber dennoch in der Küche.
"Hast du gewusst, dass es noch mehr Zauberer gibt?", fragte Frodo aufgeregt, während er neben Bilbo herhüpfte, die Marmeladegläser aus den Schränken holte und das Besteck bereitlegte. "Was glaubst du, was sie können? Denkst du, alle Zauberer machen Feuerwerke?"
Bilbo lächelte ob dem Übermut seines Neffen, erfreut, ihn so glücklich zu sehen. "Ich glaube, das solltest du besser Gandalf fragen, mein Junge."

Selbst während des Essens konnte Frodo seine Neugier nur schwer zurückhalten und erntete ein verzweifeltes "Erbarmen! So viele Fragen schon am frühen Morgen!" von Gandalf, was ihn sofort zum Schweigen brachte, auch wenn er den Zauberer weiterhin nicht aus den Augen ließ und verschmitzt lächelte, wann immer diesem das auffiel.
Auch den Rest des Tages wich Frodo nicht von Gandalfs Seite. Er bemühte sich, sich mit seinen Fragen etwas zurück zu halten, doch musste er auch dann ein wenig enttäuscht feststellen, dass Gandalf keinesfalls gewillt war, alle seine Fragen zu beantworten. Manchmal schwieg der Zauberer nur oder bedachte ihn mit einem Blick, den der junge Hobbit nicht zu deuten wusste. Frodo überlegte sich, ob es vielleicht auch Dinge gab, die Gandalf nicht wusste, doch diesen Gedanken schlug er sich schnell aus dem Kopf. Spätestens als er hörte, wie Gandalf und Bilbo sich über die Geschehnisse außerhalb des Auenlandes austauschten und der Zauberer auf alles eine Antwort und über jeden etwas zu berichten wusste, hegte Frodo keinen Zweifel mehr daran, dass dieser über alles Bescheid wusste. Die Fragen, die er stellte, waren dem weisen Mann wahrscheinlich nur zu dumm und deshalb einer Antwort nicht würdig.

Die Sonne war beinahe untergegangen, als Frodo mit dem Zauberer auf der Bank vor der Höhle saß. Nur mehr ein blasser, hellblauer Streifen schimmerte am westlichen Horizont. Durch einige der Fenster auf der Südseite der Höhle strömte ein blasses Licht heraus, ließ die beiden nicht in vollkommener Dunkelheit zurück.
Seinen Stab hatte Gandalf neben sich an die Wand gelegt und Frodo betrachtete diesen eingehend. Schließlich sah er Gandalf fragend an, streckte dann zögernd die Hand aus und tastete vorsichtig über das glatte Holz des Stabes. Auch wenn er ihn anfasste, fühlte Frodo keinerlei besondere Kräfte und der Gedanke, dass Gandalf den Stab wirklich nur dazu brauchte, um sich abzustützen, verfestigte sich immer mehr.
"Haben alle Zauberer einen solchen Stab?", fragte er nach einiger Zeit. "Was kann man damit machen?"
"Jeder Zauberer braucht einen Stab."
Das war nicht unbedingt die Antwort, die Frodo sich erhofft hatte, doch an unzufrieden stellende Aussagen Gandalfs hatte er sich schon beinahe gewohnt und er hatte es aufzugeben, weiter nachzufragen, denn der Zauberer würde ohnehin nicht antworten, wenn er nicht etwas entgegnen wollte.
Schweigend blickte Frodo zum Festbaum hinunter, ließ seine Füße von der Bank baumeln. Er genoss Gandalfs Gesellschaft, auch wenn ihn dessen Nähe noch immer mit tiefer Ehrfurcht erfüllte und ihn beizeiten klein und unwichtig fühlen ließ. Er war schließlich nur ein Hobbit und ein sehr junger noch dazu. Was hatte er im Vergleich zu Gandalf schon zu sagen und zu erzählen? Nichtsdestotrotz hielt ihn das nicht davon ab, eine weitere Frage zu stellen.
"Glaubst du, ich werde auch einmal ein Abenteuer erleben, genau wie Bilbo?"
Gandalf wandte sich ihm zu. Er wirkte überrascht, was Frodo ungemein erfreute.
"Ich weiß es nicht. Du bist sehr neugierig und vielleicht werde ich eines Tages auch an deine Tür klopfen", meinte er dann lächelnd.
"Bilbo hat gesagt, ich solle mich nicht in die Angelegenheiten von Zauberern einmischen", klärte Frodo ihn auf, wobei er weiterhin auf die Festwiese hinunterblickte.
"Hat er das?" Gandalf zog erstaunt eine Augenbraue hoch.
Frodo nickte, sah ernst in die unergründlichen Augen des alten Mannes. "Er hat gesagt, dass Zauberer schwierig und rasch erzürnt wären. Stimmt das?"
Gandalf brach in lautes Gelächter aus. "Ich glaube, ich sollte ein ernstes Wörtchen mit dem guten Bilbo wechseln. Allerdings hat er nicht ganz Unrecht. Es ist durchaus ratsam, sich aus den Angelegenheiten der Zauberer heraus zu halten."
"Warum?" Frodo war sehr gespannt, was Gandalf wohl für Gründe nannte, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass er Bilbo Recht geben würde.
"Es gibt Dinge, Frodo, die du jetzt noch nicht verstehst und vielleicht niemals verstehen wirst."
Neugierig sah Frodo zu ihm auf, während er sich an der Bank festhielt, als befürchte er, herunterzufallen. Er hatte aufgehört, mit den Beinen zu schwingen, wartete stattdessen gespannt darauf, dass Gandalf weiter sprechen würde, doch dieser sagte nichts mehr. Ein wenig enttäuscht ließ Frodo den Kopf hängen, dachte über die Worte nach, konnte jedoch nicht verstehen, was der Zauberer damit hatte ausdrücken wollen.

Die ersten Sterne leuchteten am Himmel und Frodo sah verträumt nach oben. Es erfüllte ihn mit ungemeiner Beruhigung, ihr schwaches Funkeln zu betrachten und er blickte gerne zu ihnen auf.
"Elbereth", murmelte er, ohne sich darüber im Klaren zu sein.
"Bilbo hat dir von Elbereth erzählt?", fragte Gandalf überrascht. "Er hat mir gesagt, dass du dabei bist, elbisch zu lernen. Hat er dir denn auch die Worte beigebracht, mit denen die Elben Elbereth preisen?"
Frodo schüttelte den Kopf, sah jedoch mit großen Augen zu Gandalf auf. Ein Wunsch, der einem Verlangen gleichkam, wurde in ihm laut. Er wollte Elbereth preisen, wie es die Elben taten, wollte jene Worte hören, die zu Ehren der Erschafferin der Sterne gesprochen wurden.
Gandalf schien dies zu spüren, denn obwohl Frodo ihn nicht danach fragte, begann er leise zu sprechen.



A Elbereth Gilthoniel,
silivren penna míriel
o menel aglar elenath!
Na-chaered palan-díriel
o galadhremmin ennorath,
Fanuilos, le linnathon
nef aear, sí nef aearon!



Wie gebannt lauschte Frodo den Worten, schloss die Augen, um deren Klang in sich aufzunehmen. Die Worte hatten dieselbe Wirkung auf ihn, wie die Sterne und eine tiefe Ruhe erfüllte ihn. Erst als Gandalf schon lange zu sprechen aufgehört hatte, öffnete er seine Augen wieder und nahm einen tiefen Zug der frischen Nachtluft.
"Das ist wunderschön", sagte er schließlich.
Gandalf nickte lächelnd. "Die wahre Schönheit dieser Worte, Frodo, wird dir jedoch erst bewusst werden, wenn die Elben sie singen."
Frodo konnte sich nicht vorstellen, dass diese Worte noch schöner klingen konnten, doch er nickte trotzdem. Lange Zeit sah er dem Zauberer in die Augen, seufzte dann und blickte wieder zum Himmel.



~*~*~



Später am Abend saßen sie wieder im Wohnzimmer vor dem Kamin. Frodo hatte sich neben Bilbo auf dem großen Sessel zusammengerollt und träumte müde vor sich hin, während dieser lange Gespräche mit Gandalf führte. Ein Feuer brannte im Kamin, dessen sanfter Lichtschein und leises Knistern ihn schläfrig werden ließ.
"Ich werde euch noch heute Abend verlassen."
Bilbo blickte verwundert zu seinem Freund auf, sah ihn einige Zeit lang fragend an, nickte dann aber.
"Das ist schade, doch davon abhalten können, werde ich dich ohnehin nicht."
"Wohl kaum", entgegnete Gandalf mit einem Lächeln. Sein Blick fiel auf Frodo, der nun friedlich schlummerte. Den ganzen Tag über hatte er ihn beobachtet, hatte seinen Fragen gelauscht und so viel über den jungen Hobbit gelernt. Er war anders als die meisten seines Volkes. Ein Leuchten schien ihn zu umgeben und Gandalf war sich sicher, dass er in seinem Leben bestimmt für die eine oder andere Überraschung sorgen würde.
"Frodo ist viel zu neugierig für einen Hobbit! In dieser Hinsicht ist er dir sehr ähnlich."
Bilbo blickte lächelnd in das schlafende Gesicht seines Neffen.
"Vielleicht", entgegnete er und strich Frodo durch die Haare.

Frodo wurde von Bilbo wach gerüttelt.
"Gandalf verlässt uns", flüsterte er ihm ins Ohr.
Verschlafen sah Frodo sich um, versuchte zu erkennen, wo er war. Nur langsam erinnerte er sich an den vergangenen Abend und er blinzelte erneut, als er sich schließlich auf dem Sessel aufrappelte. Er sah zum Fenster. Draußen war es noch immer dunkel. "Jetzt?"
Bilbo antwortete ihm nicht, sondern war bereits auf dem Weg in die Halle hinaus und Frodo torkelte ihm müde hinterher, rieb sich den Schlaf aus den Augen. Als sie in der Eingangshalle ankamen, erkannte er, dass Gandalf bereits im Garten stand und nur mehr auf sie zu warten schien.
"Leb wohl, Frodo Beutlin!" sagte der Zauberer und kniete sich vor ihm nieder, um ihm in die Augen sehen zu können.
Frodo deutete eine kleine Verbeugung an. "Auf Wiedersehen, Gandalf!" er lächelte kurz, auch wenn er nicht glaubte, dass er die Traurigkeit darüber, dass der Zauberer schon wieder gehen musste, verbergen konnte. "Werde ich bei deinem nächsten Besuch ein Feuerwerk sehen?"
Gandalf lachte und strich ihm durch die Haare. "Mein lieber Frodo, dir werden wohl niemals die Fragen ausgehen. Ich werde sehen, was sich machen lässt", versicherte er mit einem Augenzwinkern, ehe er sich an Bilbo wandte. "Leb wohl, Bilbo, mein alter Freund!"
Auch Bilbo verabschiedete sich von Gandalf, der sich schließlich vom warmen Lichtschein, der aus Beutelsend drang, abwandte und raschen Schrittes den Bühl hinunterging. Frodo winkte ihm noch lange hinterher, ließ sich erst von Bilbo zurück in die Höhle führen, als er die graue Gestalt mit dem spitzen Hut nicht länger erkennen konnte.
Bilbo schloss die Tür hinter ihnen und Frodo blickte fragend zu ihm auf, wobei er ein Gähnen nur mit Mühe unterdrücken konnte.
"Warum bricht er so spät in der Nacht auf?"
"So ist Gandalf nun mal, mein Junge", erklärte sein Onkel, wobei er ihm einen Arm um die Schulter legte und ihn durch den spärlich beleuchteten Hauptgang in sein Zimmer führte. "Er kommt und geht wann es ihm beliebt."



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Gedicht: Die Gefährten - Viele Begegnungen





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