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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 5: Schreckliche Neuigkeiten



Frodo versuchte verzweifelt, sich an Saradoc vorüber zu drängen, doch der Herr von Bockland hielt ihn auf. Tränen brannten in seinen Augen, konnte er doch nicht verstehen, weshalb Saradoc ihn nicht zu seiner Mutter ließ. Einige Gesichter wandten sich ihm zu, als sie seine Stimme erkannten, waren gezeichnet von Schmerz, Trauer, Verzweiflung und tiefem Mitgefühl. Saradoc packte ihn fester, als Frodo versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, immer wieder verzweifelt nach seiner Mutter und seinem Vater rufend. Weshalb kamen sie nicht zu ihm? Weshalb sorgten sie nicht dafür, dass Saradoc ihn zu ihnen ließ? Verärgert schlug Frodo Saradocs Hände von sich, drängte sich an ihm vorbei, doch wieder hielt ihn der Herr von Bockland fest, hob ihn schließlich hoch.
"Bring den Jungen hier weg, Saradoc!" hörte Frodo die Stimme von Marmadas, einem guten Freund seines Vaters. Sie zitterte, war von Verzweiflung und Entsetzen überschattet.
Verwirrt und verzagt zugleich, hörte er für einen Augenblick auf, sich gegen Merrys Vater zu wehren und hob den Kopf. Marmadas stand zwischen Saradoc und den versammelten Hobbits und das schwache Licht seiner Laterne in seiner zitternden Hand erleuchtete sein blasses Gesicht sowie einige der braunen Locken, die ihm wirr in die Stirn hingen.
Saradoc hätte die Aufforderung des anderen Hobbits nicht mehr benötigt, denn er hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Frodo blickte einen Augenblick verwirrt zwischen ihm und Marmadas hin und her, rief dann wieder nach seiner Mutter und versuchte, sich aus dem Griff des Herrn zu winden. Er zappelte wild, schlug auf Saradoc ein, unwillig, sich grundlos von ihm wegtragen zu lassen.
"Komm, Merry, wir gehen nach Hause", sagte Saradoc mit sanfter, beinahe zitternder Stimme, als sie den jüngern Hobbit erreichten, der noch immer wie angewurzelt etwas weiter hinten stand und das Geschehen verwirrt beobachtete. Merry ging folgsam neben seinem Vater her, dem Frodos Zappeln bald zuviel wurde. Rasch bekam der Herr die Handgelenke des Jungen zu fassen, hielt sie fest umklammert, während die andere Hand, deren Arm Frodos Körper stützte, nach dessen Beinen tastete und versuchte, sie ruhig zu stellen.

Frodo gab schließlich auf, blickte mit Tränen in den Augen über die Schulter des Herrn zurück zum Flussufer, wo sich Marmadas wieder unter die anderen Hobbits gemischt hatte. Was war geschehen? Weshalb ließ man ihn nicht zu seiner Mutter? Der Knoten der Angst in seiner Brust schnürte sich immer enger. Er verstand nicht, konnte nicht verstehen, weshalb Saradoc ihn nicht zum Flussufer ließ und auch jetzt wollte ihm der Herr darauf keine Antwort geben. Saradoc blickte zu Boden und im Licht der Sterne glaubte Frodo zu erkennen, dass seine Augen leer waren, beinahe so, als wäre jegliche Emotion daraus gestohlen worden.
Frodo löste seine Hände aus Saradocs Griff, lehnte den Kopf an dessen Schulter und blickte stumm zurück zu den Lichtern am Flussufer, die langsam in der Dunkelheit verblassten. Er schluckte schwer, als er bemerkte, wie trocken sein Mund war. War es das Tuch seiner Mutter gewesen, das er am Ufer hatte liegen sehen? Wenn dem so war, was tat es dort, wo alle versammelt standen und wo war seine Mutter? Weder sie, noch sein Vater hatten auf sein Rufen reagiert.
Die Erinnerung an seinen Traum nagte an seinen Gedanken, verstärkte seine Furcht noch. Frodo wusste nicht, was ihm solche Angst machte und das beunruhigte ihn noch mehr. Diese Furcht war anders, als jene, die er erst vor kurzer Zeit bei Bauer Maggot empfunden hatte, doch war sie mindestens genauso stark, wenn nicht noch stärker. Frodo brauchte Antworten, konnte jedoch in Saradocs leerem Blick erkennen, dass er diese von ihm jetzt nicht erhalten würde. Doch wann würde er sie bekommen? Was würden das für Antworten sein?
Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, ließ ihn erzittern. Frodo schloss verwirrt und hilflos die Augen, fühlte sich plötzlich zu müde, um weiterhin nachzudenken oder Saradoc klar zu machen, dass er nicht wie ein kleines Kind getragen werden musste, sondern erlaubte dem Herrn von Bockland ausnahmsweise, den Arm um seinen Oberkörper zu legen.



~*~*~



Die Lichter des Brandyschlosses hießen sie schon von weitem willkommen und als sie den schmalen Pfad zur Haupteingangstür hinauf gingen, kam ihnen Esmeralda überglücklich entgegen gerannt. Sie hatte sich Sorgen gemacht, da Frodo und Merry zum Abendessen noch immer nicht zurück gewesen waren und ihren Mann beauftragt, nach ihnen zu suchen. Als er nun jedoch auf sie zukam, erkannte sie sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Frodo, der sich selbst von Drogo nur ungern tragen ließ, lehnte mit dem Kopf an Saradocs Schulter und Merry blickte immer wieder besorgt zu ihm auf, bis er schließlich in ihre Arme rannte. Esmeralda küsste ihren Sohn. Sie hatte befürchtet, dass Frodo etwas geschehen war, doch wenn dem so wäre, hätte Saradoc gerufen, und so schenkte sie ihrem Sohn ihre ganze Aufmerksamkeit. Erst als Saradoc in das schwache Licht trat, das von der Tür in die Nacht hinaus schien, fiel ihr sein Gesichtsausdruck auf und das ungute Gefühl, das sie schon den ganzen Abend gehabt hatte, kehrte zu ihr zurück. Besorgt blickte sie auf Frodo, doch dem Jungen schien es gut zu gehen, obwohl auch er einen verwirrten Eindruck machte.
"Was ist geschehen?", fragte sie beunruhigt, als sie in die Augen ihres Gatten blickte. Er schien den Tränen nahe, sein Blick abwesend, ohne die übliche Wärme, die sie sonst in seinen Augen fand.
"Das erzähle ich dir später. Lass uns zuerst die Kinder zu Bett bringen", antwortete Saradoc knapp, ging an Esmeralda vorüber, ohne ihr mehr als einen kurzen Blick zu schenken.
Merry zuckte nur mit den Schultern, als Esmeralda ihn fragend ansah und so nahm sie ihren Sohn bei der Hand und ging Saradoc verwirrt hinterher.

Esmeralda führte sie in eine der kleineren Küchen, wo sie etwas Abendbrot auftischte. Zwar war sie wütend auf die Kinder, dass sie erst jetzt nach Hause gekommen waren, doch die Frage, wo sie sich so lange herumgetrieben hatten, schien ihr im Augenblick unwichtig. Dass Saradoc so mitgenommen war, beschäftigte sie viel mehr. Sie konnte es kaum abwarten, die Kinder endlich zu Bett zu bringen und zu erfahren, was geschehen war. Etwas Schreckliches musste passiert sein, dessen war sie sich klar, denn Saradoc war nicht leicht aus der Fassung zu bringen und so erschüttert wie zuvor, hatte sie ihn selten erlebt. Am liebsten wäre sie sofort zu ihm gegangen, doch er hatte Recht, die Kinder mussten zuerst versorgt werden.
Merry langte kräftig zu, doch Frodo stocherte nur in seinem Teller, verzog bei der kleinsten Bewegung das Gesicht, als würde ihm das Sitzen Schmerzen bereiten, erklärte dann, dass er keinen Hunger habe und verließ die Küche ohne ein weiteres Wort.

Abwesend ging Frodo in sein Zimmer, wo er sich auszog und noch einmal die Kratzer, Schrammen und blauen Flecke begutachtete, die er sich am vergangen Tag geholt hatte. An Essen hatte er nicht einmal denken wollen. Zu tief saß noch der Schreck vor Maggot und seinen Hunden, und zu sehr quälten ihn die Fragen, auf die er keine Antworten erhielt. Für heute wollte er diese Dinge jedoch auf sich beruhen lassen, denn er war müde, erschöpft von seiner panischen Flucht zur Bockenburger Fähre. Er wollte sich sofort schlafen legen, auch wenn sein Hintern schmerzte und er befürchtete, er würde nur auf dem Bauch liegen können.
Gerade, als er in sein Nachthemd geschlüpft war, öffnete sich die Zimmertür und Esmeralda trat herein. Frodo runzelte die Stirn, denn Merrys Mutter kam sonst nie zu ihm, auch nicht, wenn seine Eltern für den Abend weggegangen waren.

"Fühlst du dich nicht wohl, Frodo?", fragte Esmeralda als sie an ihn herantrat und besorgt seine Stirn fühlte. Die Temperatur schien normal.
Frodo schüttelte den Kopf, wandte sich von ihr ab und kletterte in sein Bett, wo er bis zur Wand rutschte und herzhaft gähnte, beinahe so, als wolle er sie darauf hinweisen, dass er allein gelassen werden wollte. Esmeralda kam dennoch nicht umher, den Jungen noch einige kurze Augenblicke zu beobachten, als dieser die Augen schloss, ehe sie ihm leise eine gute Nacht wünschte und das Zimmer verließ.

Frodos Verhalten ließ sie nicht weniger ratlos werden, als sie es ohnehin schon war. Erst kehrte Saradoc mit einem Gesichtsausdruck zurück, als wäre er von einem Grabunhold aus den Hügelgräberhöhlen östlich des Alten Waldes angegriffen worden, dann ging Primulas Sohn ohne einen Bissen seines Abendessens schlafen. Esmeralda verstand sich sehr gut mit Primula, tauschte oft Ratschläge über die Erziehung ihrer Söhne mit ihr aus. So beschloss sie auch jetzt, ihre Freundin am nächsten Morgen über Frodos seltsames Essverhalten auszufragen. Saradocs hilflosen Gesichtsausdruck würde wohl nur er ihr erklären können und sie hoffte inständig, er würde das auch tun, nachdem sie auch Merry eine gute Nacht gewünscht hatte.
Esmeralda seufzte, als sie vor der Zimmertür ihres Sohnes stand, trat schließlich in das wesentlich größere Zimmer Merrys. Noch brannte kein Feuer im Kamin, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis die Tage kälter wurden und ein Feuer von Nöten war um die angenehme Wärme im Zimmer zu halten. Ein Kerzenhalter stand auf dem Nachttisch, dessen flackerndes Licht das Gesicht ihres Sohnes erhellte, der bereits im Bett lag und sie zu erwarten schien. Esmeralda lächelte, setzte sich neben ihn auf die Bettkante, als sie endlich die Frage stellte, die sie schon seit der Ankunft der Kinder hatte stellen wollen. "Was ist heute geschehen, Merry? Wo wart ihr so lange?"
Merry zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf: "Was jetzt gerade eben geschehen ist, weiß ich nicht", er zuckte noch einmal mit seinen Schultern und sah sie lange an, als hoffe er, sie könne ihm ihre eigene Frage beantworten. Als Esmeralda jedoch nichts sagte, fuhr er fort: "Es tut mir Leid, dass wir erst so spät nach Hause kamen. Das ist alles meine Schuld. Ich…", er stockte, "wir wurden aufgehalten."
"Aufgehalten?", fragte sie skeptisch, "Wo hat euch dein Vater gefunden?"
"Gefunden, Mama?" Merry sah sie verwirrt an und schüttelte den Kopf. " Er hat uns nicht gefunden. Wir waren auf dem Heimweg, als wir ihn gefunden haben - unten am Brandywein."
Esmeralda runzelte die Stirn. Merrys Antworten halfen ihr nicht, ihre Gedanken zu entwirren. Sie hatte gehofft, ihr Sohn könne sie über das informieren, was ihren Mann so sehr mitgenommen hatte, doch offensichtlich würde sie warten müssen, bis Saradoc ihr selbst alles berichtete. Einen Kuss auf seine Stirn hauchend, wisperte sie sanft, er solle jetzt schlafen.



~*~*~



So sehr er es sich auch wünschte, Frodo fand keinen Schlaf. Mit wachen Augen rutschte er in seinem Bett hin und her, suchte nach einer bequemen Lage, doch ganz gleich, wie er sich hinlegte, er fand keine Ruhe. Die Fragen, die er eigentlich nicht hatte weiterverfolgen wollen, quälten ihn und das blaue Tuch seiner Mutter ging ihm nicht aus dem Sinn. Er sah es vor seinem geistigen Auge, wie es, um den Hals seiner Mutter gebunden, im Wind flatterte und dann erblickte er es am Flussufer. Das schwache Licht der Lampen schien durch den dünnen Stoff, als es, verborgen hinter den Beinen vieler, im Gras lag, verlassen, ungestört von sanften Windhauchen, die an diesem Abend ausgeblieben waren. Manchmal, wenn er die Augen schloss, sah er das Wasser, das ihn in der vergangenen Nacht im Traum verschlungen hatte und schreckte schnaufend aus seinem halbschlafartigen Zustand.
Schließlich setzte er sich auf. Ein Zittern durchlief ihn, als er für einen kurzen Augenblick durch das kleine Fenster in die sternenklare Nacht hinaus blickte. Primula hatte ihn gelehrt, die Sterne ebenso zu lieben, wie sie es tat. Dies war auch der Grund, weshalb sie und ihr Vater meist erst spät abends mit dem Boot hinausfuhren. In einer sternenklaren Nacht, so wie dieser, liebte sie den Fluss und Bockland mehr, als an allen anderen Tagen und Frodo hatte gelernt, ihre Liebe zu den funkelnden Spiegelbildern der Sterne im Wasser zu teilen. Es gab nichts Schöneres, als den Himmel nicht nur über sich, sondern auch unter sich zu haben.
Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen und doch wusste Frodo, dass er in dieser Nacht auch unter dem Licht der Sterne keinen Schlaf finden würde. Etwas beunruhigte ihn zu sehr. Eine unbestimmte Angst, die sich immer deutlicher in ihm regte und seit den Augenblicken am Flussufer kaum verklungen war.

Schließlich warf er die Decke zurück und kroch aus seinem Bett. Mit leisen, tapsenden Schritten trat er in den Gang hinaus, öffnete leise, beinahe zaghaft die gegenüberliegende Tür, die in das Zimmer seiner Eltern führte. Dunkelheit hieß ihn willkommen. Das Bett war unbenützt, leer. Was hatte er erwartet? Seine Eltern hatten ihm schließlich gesagt, dass sie heute Abend nicht hier sein würden und er wusste von anderen Tagen, dass sie von Bootsfahrten oft erst sehr spät nach Hause kamen. Und doch wollte seine Angst nicht von ihm lassen. Ein verirrter Windhauch, vermutlich aus den vorderen Gängen des Brandyschlosses kommend, verfing sich in seinem Haar und für einen kurzen Augenblick, sah Frodo wieder das dünne, blaue Tuch vor seinen Augen. War es wirklich das Tuch seiner Mutter gewesen, das er am Flussufer gesehen hatte? Weshalb hatten ihn Marmadas und die anderen, die er in der Dunkelheit nicht hatte erkennen können, so mitleidig, so traurig angesehen, als er nach seiner Mutter gerufen hatte? Ein Schauer lief ihm über den Rücken und Frodo schüttelte den Kopf, als könne er sich so seiner Fragen entledigen.

Leise schloss er die Tür hinter sich, tapste durch den östlichen Gang zurück zu den Hauptgängen. Er wollte die vielen Wohn- und Gesellschaftszimmer des Brandyschlosses nach Esmeralda durchsuchen und sie fragen, ob er nicht noch aufbleiben könne, bis seine Eltern zurückkehrten. Leise ging er an einer der kleineren Küchen vorüber, schielte in eines der Wohnzimmer, die in diesem Gang lagen und ging dann weiter zum nächsten, als er sah, wie am untersten Ende des Ganges, dort wo Merrys Zimmer lag, jemand in den Gang trat und hinter der nächsten Biegung verschwand. Vermutend, dass es Esmeralda gewesen war, rannte Frodo ihr unbemerkt hinterher.



~*~*~



Esmeralda fand Saradoc auf dem Bett sitzend vor, als sie die Türe in ihr Schlafzimmer öffnete. Er hatte keine Kerzen entzündet, saß in völliger Dunkelheit, doch im schwachen Licht, das vom Gang hereindrang, konnte sie erkennen, dass sich sein Gesichtsausdruck nicht geändert hatte. Er wirkte erschrocken, verletzt, traurig und wütend und schien plötzlich um viele Jahre gealtert zu sein. Esmeralda klopfte das Herz bis zum Hals. Tiefes Mitgefühl erfüllte ihr Sein und sie konnte ihre Sorge um ihren geliebten Mann nicht länger verbergen.
"Sag mir, was ist geschehen?", fragte sie mit zitternder Stimme.
Saradoc hob den Kopf. Seine nächsten Worte kosteten ihn mehr Kraft, als er im Augenblick zu haben schien. "Schließ erst die Tür!"
Seine gebrochene Stimme ließ sie erzittern, doch Esmeralda tat, wie ihr geheißen, auch wenn sich ihre Hände nur zaghaft bewegten und ihre Finger zitterten, als sie den Knauf umklammerte und die Tür verschloss. Völlige Dunkelheit umschloss sie, doch Esmeralda kannte jeden Schritt in ihrem Zimmer, machte sich daran, eine Kerze zu entzünden, als plötzlich ein Schluchzen an ihr Ohr drang und sie entsetzt feststellen musste, dass Saradoc weinte. Nur beim Tod seines Vaters und bei dem seiner Mutter hatte sie ihn weinen sehen und die plötzliche Hilflosigkeit, die sie umfing, trieb ihr selbst die Tränen in die Augen. Sie vergaß um die Kerze, trat stattdessen an seine Seite, umarmte ihn und drückte ihn an ihre Brust, wie sie es sonst nur Merry tat. Er ließ sie schluchzend gewähren, klammerte sich in völliger Hoffnungslosigkeit an ihren Arm, als fürchte er, sie könne ihm verloren gehen. Esmeralda war verzweifelt ihn zu beruhigen, ihn zu trösten, doch fand sie keine Worte, konnte nur hilflos mit ansehen, wie er vor ihr zusammenbrach.
"Wie soll ich das Frodo nur beibringen?", brachte er unter keuchenden Atemzügen hervor.
Esmeralda zog verwirrt die Stirn in Falten, unfähig seinen Worten Sinn zu entnehmen. Ihre Lippen formten eine stumme Frage, als er sich plötzlich aus ihrer Umarmung löste und sich von ihr abwandte.
"Drogo und Primula wollten mit dem Boot hinausfahren, einen der letzten warmen Abende genießen", fuhr er wispernd fort und Esmeralda nickte zögernd, schließlich hatte ihr Primula schon vor mehreren Tagen von ihren Plänen erzählt und doch beschlich sie nun ein seltsames Gefühl. Eine heimliche Angst stahl sich durch ihren angespannten Körper, als Saradoc mit zitternder Stimme weiter sprach. "Keiner weiß genau, wie es geschehen ist, doch das Boot", er stockte und schnappte nach Luft, "es ging unter."
Esmeraldas Augen wurden groß, ihre Furcht raubte ihr den Atem. Ohne, dass sie sich ihrer Tat klar wurde, legte sie einen Arm um seine Brust und Saradoc hielt ihre Hand fest umklammert, schluchzte.
"Maramdas hat sie gefunden", erklärte er dann in gebrochenem Tonfall und eine Träne tropfte auf Esmeraldas zitternde Hand. "Drogo und Primula", er stotterte, brachte seine letzten Worte kaum hervor, "sie waren tot."

Frodo hatte gerade noch gehört, wie Saradoc Esmeralda anwies, die Türe zu schließen und blieb vor ihrem Zimmer stehen, nicht sicher, ob er nun anklopfen oder abwarten sollte. Ungeduldig wartete er einige Augenblicke, wollte sich zum Gehen wenden, als er seinen Namen vernahm und mit gerunzelter Stirn stehen blieb. Weshalb sprach Saradoc von ihm? Er konnte unmöglich etwas von Maggot erfahren haben, dazu war zu wenig Zeit vergangen. Neugierig presste Frodo sein Ohr gegen die Tür und lauschte mit bangem Herzen, völlig vergessend, dass er in diesem Bereich des Brandyschloss leicht hätte erwischt werden können, da ein ständiges Kommen und Gehen herrschte.
Als Saradoc von seinen Eltern sprach spürte Frodo den Knoten der Angst in seiner Brust immer deutlicher. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals und die Hand, die an der Tür neben seinem Gesicht lag, ballte sich zur Faust. Furcht spannte jede Faser seines Körpers und er war besorgt, keines von Saradocs Worten zu verpassen.

Die letzten Worte der leisen Unterhaltung, ließen Frodo fassungslos zurückweichen. Voller Furcht und blankem Entsetzen presste er seinen Körper gegen die Wand, seine Augen weit aufgerissen und ins Leere blickend. Für kurze Zeit vergaß er zu atmen, schien wie versteinert. Er war zu keinem Gedanken mehr fähig, spürte nicht einmal wie sein ganzer Körper heftig zu zittern begann und seine Knie weich wurden und unter ihm wegzuknicken drohten. Seine Brust schien zugeschnürt und Frodo japste einige Mal erfolglos nach Luft, bis ihm Tränen in die Augen traten.
Er musste sich verhört haben. Saradoc musste sich geirrt haben. Doch was war mit dem Tuch? Was war mit dem Wasser in seinem Traum?
Frodo wurde schwarz vor Augen und gerade als er glaubte, er würde umfallen und ersticken, gelang es ihm, geräuschvoll nach Luft zu schnappen. Er war schon auf halbem Weg an der Wand zu Boden gerutscht, als er sich keuchend und zitternd aufrappelte und den Kopf schüttelte, als könne er Saradocs Worte dadurch ungeschehen machen. Saradoc musste sich geirrt haben. Seinen Eltern ging es gut!
Vor seinen Augen sah er das blaue Tuch im Gras liegen, hörte das Rauschen des Wassers, das ihn in der vergangen Nacht bedroht hatte. Verzweifelt kniff der junge Hobbit die Augen zusammen, legte sich die Hände auf die Ohren, um alle Geräusche auszusperren. Seine Brust schmerzte, so fest hatte sich der Knoten der Furcht inzwischen zugezogen, als er erneut geräuschvoll nach Luft schnappte und einen verzweifelten, herzzerreißenden Schmerzensschrei ausstieß.
Seine Kräfte zusammensammelnd, setzte sich Frodo stolpernd in Bewegung, eilte den Gang entlang zur Eingangstür, die er keuchend öffnete um voller Panik nach draußen zu stürmen. Tränen der Furcht liefen über seine Wangen, als er nach Westen lief. Er musste zurück zum Fluss, musste zu seinen Eltern. Saradoc hatte sich geirrt! Das konnte nicht wahr sein, durfte einfach nicht wahr sein!

Saradoc und Esmeralda hoben erschrocken die Köpfe, als sie den Schrei vernahmen, wussten sofort, dass es sich dabei um Frodo handelte. Saradoc fluchte, riss die Tür auf und eilte den Gang entlang. Einige Hobbits waren verwundert aus den Wohnzimmern getreten, blickten sich verwirrt und besorgt um, doch der Herr von Bockland kümmerte sich nicht um sie, beantwortete keine ihrer Fragen, sondern rannte den Gang entlang, rief Frodos Namen, als er sah, wie dieser durch die Tür nach draußen verschwand. Wie hatte ihm ein solcher Fehler unterlaufen können? Frodo hätte es nicht erfahren dürfen, nicht auf diese Weise.

Immer wieder rief Saradoc Frodos Namen, als er über die nächtlichen Wiesen rannte und die Gestalt des jungen Hobbits vor sich sah. Er brauchte Frodos Absicht nicht zu kennen, um zu wissen, wo der Junge hinlief. Er wollte zum Brandywein, doch genau dort durfte Frodo jetzt nicht hin. Saradoc wollte sich gar nicht vorstellen, was in Frodos verzweifeltem Zustand alles mit ihm passieren konnte. Seine eigene Dummheit sollte nicht Grund dafür sein, dass der Junge seinen Eltern auf solch tragische Weise in den Tod folgte. Saradoc beschleunigte seinen Gang noch, doch der Abstand zu dem Jungen wurde kaum weniger. Wäre das Kind nicht plötzlich gestolpert und zweifelsohne schmerzhaft ins feuchte Gras gefallen, hätte Saradoc ihn nicht eingeholt.

Frodo rappelte sich mit Tränen überströmten Gesicht vom Boden auf. Er fühlte den Schmerz in seinen Knien nicht, nahm keine Notiz von Saradocs Stimme, war nur von einem Wunsch getrieben. Er musste zu seinen Eltern. Er musste Saradoc und sich selbst beweisen, dass es ihnen gut ging. Mühevoll kam er auf die Beine, als er plötzlich von hinten gepackt und erneut zu Boden geworfen wurde. Frodo schrie auf, strampelte und schlug wie wild um sich. Als er seinen Angreifer erkannte, ließ ihn das noch wilder um sich schlagen. Saradoc versuchte, ihn festzuhalten, ihn ruhig zu stellen, wie er es heute schon einmal getan hatte, doch dieses Mal würde Frodo sich nicht geschlagen geben. Er war wütend auf Saradoc. Wie konnte der Herr von Bockland nur solche Lügen erzählen?
"Das ist nicht wahr!" schrie er immer wieder und Tränen rannen über seine Wangen. "Du lügst! Du hast dich geirrt!"
Frodo trat verzweifelt um sich, versuchte, sich aus dem klammernden Griff des Herrn zu befreien und beschimpfte Saradoc beinahe hysterisch, während er immer wieder nach seinen Eltern rief.

Saradoc blieb keine andere Wahl, als sich auf Frodo zu stürzen, wenn er nicht wollte, dass ihm der Junge erneut entkam. Mit einer solch heftigen Reaktion hatte er jedoch nicht gerechnet und es schmerzte ihn, Frodos Worte zu hören und zu wissen, dass sie nicht der Wahrheit entsprachen. Verzweifelt versuchte er, den Jungen festzuhalten, ihn zu beruhigen, wurde dabei nicht selten von schmerzhaften Schlägen und Tritten getroffen, doch das kümmerte ihn nicht weiter. Er verstand Frodos Schmerz und den daraus resultierenden Zorn, hätte er doch selbst gerne jemanden gehabt, dem er die Schuld für den Tod zweier solch warmherziger Hobbits hätte geben können. Doch so zornig ihn Frodos Tat und seine Verzweiflung darüber, dass das Kind flinker war als er selbst, und er seine Hände lange nicht zu fassen bekam, auch machte, so groß war seine Trauer und sein Mitgefühl für den Jungen, der soeben auf solch grausame Weise erfahren musste, dass er zum Waisen geworden war.

Endlich bekam Saradoc eines der Handgelenke zu fassen, musste es fester umklammern, als ihm lieb war, denn Frodo wehrte sich noch immer. Erst als Saradoc auch den zweiten Arm zu fassen bekam, den Jungen mit dem Rücken gegen seinen knienden Körper presste und ihm die Arme vor der Brust überkreuzte, hörte Frodo auf zu schlagen, sackte in sich zusammen und lehnte seinen Körper wie leblos gegen Saradocs Brust. Die Reglosigkeit des Jungen, ließ plötzliche Panik im Herrn von Bockland aufsteigen. Kalte Angst raubte ihm den Atem, als Saradoc furchtsam von den Handgelenken des Kindes abließ und den scheinbar leblosen Körper umdrehte, sodass Frodos Kopf bequem auf seinen Schoß gebettet war.

Frodo fühlte sich mit einem Mal sehr schwach. Jegliche Kraft schien aus seinen Gliedern zu entweichen und er konnte nichts weiter tun, als sich hilflos gegen Saradocs Brust fallen zu lassen. Seine verzweifelten Rufe hatten ihn heiser werden lassen und das feuchte, kühle Gras machte ihn schlottern. Heiße Tränen rannen über seine Wangen und liefen seinen Hals hinab.

Saradoc war erleichtert, als Frodo ihn ansah, doch die Verzweiflung in seinem Blick trieb ihm die Tränen in die Augen. Der Anfall war vorüber, der Junge hatte seine Kräfte aufgebraucht. Saradoc wollte ihn hochheben, aber Frodo hielt ihn auf, blickte mit großen, bittenden, blauen Augen direkt in die seinen und Saradocs Herz brach, als der Junge kaum hörbar flüsterte: "Bitte, bitte sag, dass es nicht wahr ist."

Saradoc schloss verzweifelt die Augen und drückte den Jungen fest an sich, während auch ihm die Tränen über die Wangen liefen. "Es tut mir Leid, Frodo. Es tut mir so schrecklich Leid."
Einen schier endlosen Augenblick sah Frodo mit leeren Augen zu dem Herrn auf, als würde er dessen Worte überdenken. Nur langsam wurde ihm deren Endgültigkeit klar und schließlich begann er hilflos zu schluchzen, klammerte sich mit einer Hand am weißen Leinenhemd des Herrn fest und schloss die Augen. Er fühlte sich plötzlich sehr verletzlich und schutzlos und als Saradoc ihn hochhob, protestierte Frodo nicht, nahm es kaum wahr. Alles um ihn herum schien in Dunkelheit zu versinken. Er schluchzte herzzerreißend und immer wieder kamen klagende Jammerlaute über seine leicht geöffneten Lippen.
Wie konnte das geschehen sein? Weshalb musste es geschehen? Was würde er nur ohne seine Eltern machen?



~*~*~



Merry war aus seinem Zimmer geeilt, als er Frodo schreien gehört hatte. Seine Mutter rannte an ihm vorüber, ohne ihn zu bemerken und blieb in der Empfangshalle stehen. Auf Zehenspitzen ging Merry ihr hinterher, war überrascht, dass auch von den anderen Bewohnern des Brandyschlosses, die aus den Wohnzimmern getreten waren, niemand Notiz von ihm zu nehmen schien. Was war geschehen? Er hatte Frodo noch nie so verzweifelt schreien gehört, und doch war er sich sicher, dass es Frodos Stimme gewesen war. Er fragte sich, ob seine Eltern erfahren hatten, dass sie bei Maggot gewesen und beim Pilze stehlen erwischt worden waren. Seine eigenen Pilze hatte er sehr zum Verdruss in einer der Speisekammern verschwinden lassen, noch ehe seine Mutter sie hatte entdecken können.
Neben einem großen Schrank blieb Merry stehen, beobachtete seine Mutter, die mit verzweifeltem Ausdruck in der Tür stand und in die Nacht hinaus blickte.
Plötzlich rannte Esmeralda nach draußen und bald darauf drang Frodos Weinen an Merrys Ohr und der junge Hobbit horchte auf. War Frodo so hart für das Stehlen der Pilze bestraft worden?
Saradoc kam in die Höhle und Merry trat erschrocken einen Schritt zurück. Frodo war nicht bestraft worden, denn auch sein Vater hatte Tränen in den Augen. Warum weinte sein Vater? Er hatte ihn noch nie weinen gesehen, wusste nicht einmal, dass er dazu in der Lage war. Fragend blickte Merry zu seinen Eltern auf, als sie an ihm vorüber in die östlichen Gänge des Brandyschlosses gingen, doch nahmen sie keine Notiz von ihm und so ging er ihnen zögernden Schrittes hinterher.

Saradoc legte Frodo in sein Bett, wo er sich einer Schildkröte gleich zusammenrollte, während Esmeralda eine Kerze entzündete. Zärtlich strich er dem Jungen über die Wange, setzte sich auf die Bettkante und wünschte sich nichts mehr, als ihm helfen, ihm beistehen zu können.
Esmeralda blickte betrübt auf die beiden hinab und auch in ihren Augen schimmerten Tränen, als Merry neben das Bett trat. Sie wusste nicht, wo er so plötzlich hergekommen war, doch im Augenblick war ihr das gleich. Ihr Sohn trat mit verwirrtem Gesichtsausdruck neben seinen Vater, blickte besorgt zu Frodo und sah dann fragend zu Saradoc.
"Was hat Frodo, Papa? Ist er krank?"
Saradoc nahm seinen Sohn auf den Schoß, hielt ihn zärtlich umklammert und sagte leise: "Nein, Merry, doch Frodo musste etwas sehr Schreckliches erfahren."
Frodo schnappte nach Luft und ein lautes Schluchzen entrann seiner Kehle, ehe er sich noch kleiner zusammenrollte. Saradoc verstummte, legte traurig die Stirn in Falten, als er auf den Jungen hinabblickte. Er wollte ihn nicht noch mehr belasten.

Merry spürte, dass er die Antwort noch früh genug erfahren würde und fragte nicht weiter. Stattdessen kroch er, auf Frodos Schluchzen hin, selbst in das Bett und nahm seinen Vetter in den Arm, strich ihm tröstend über den Rücken. Tränen stiegen in ihm auf. Frodo sollte nicht leiden. Sein Vetter war der Ältere, der Stärkere und es brach Merry das Herz ihn nun hilflos schluchzend in seinem Bett liegen zu sehen und nicht in der Lage zu sein, ihn zu trösten, denn auch wenn Frodo seine Augen fest verschlossen hielt, strömten immer neue Tränen seine Wagen hinab und sein Schluchzen wollte nicht verklingen.
"Komm, Meriadoc!" sagte sein Vater schließlich und erhob sich, "Lass ihn jetzt alleine!"
Merry war unwillig, Frodo zu verlassen, blickte bittend zu seinem Vater auf, doch dieser streckte bereits fordernd eine Hand nach ihm aus und so leistete er der Anweisung schließlich widerwillig folge, kroch aus dem Bett und verließ gemeinsam mit seinen Eltern Frodos Zimmer.

"Was musste Frodo erfahren?", fragte Merry, als er wieder in seinem Bett war und im schwachen Licht einer Kerze fragend in die Augen seines Vaters sah, der auf der Bettkante saß.
Saradoc schluckte schwer, wich für einen Moment seinem Blick aus, holte dann aber tief Luft und begann zögernd zu sprechen. "Mit seinen Eltern ist etwas Schreckliches geschehen, Merry. Sie hatten einen Unfall. Marmadas hat sie heute Abend gefunden, doch er konnte ihnen nicht mehr helfen."
Merry sah einen Augenblick verwirrt zu seinem Vater auf und nickte zögernd. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich, als ihm langsam klar wurde, was diese Worte zu bedeuten hatten. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er blickte verzweifelt zu seinem Vater, als wolle er fragen, ob seine Worte wirklich die schlimme Nachricht bargen, die er aus ihnen gelesen hatte. Saradoc nickte schwach, als auch in seine Augen erneute Tränen traten und schloss seinen Sohn zärtlich in die Arme. Merry klammerte sich an seinem Vater fest, doch waren seine Gedanken bei Frodo. Er wollte ihn ebenso tröstend festhalten, wollte ihm alles Leid, das ihm heute widerfahren war, abnehmen und alles Neue vertreiben, doch sein Vater meinte, es besser wäre, wenn Frodo eine Weile alleine war.





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