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Schicksalsjahre eines Hobbits I - Bockland  by Lily Dragonquill

Kapitel 2: Ein langer Weg



„Aufstehen! Ein langer Weg steht uns bevor.“
Frodo blinzelte verschlafen, als er die Stimme seines Vaters vernahm. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das kleine Fenster über seinem Bett herein und Frodo folgerte daraus, dass es noch sehr früh sein musste. Zu früh, um sich aufwecken zu lassen. Mit geschlossenen Augen tastete er nach seiner Decke, zog sie sich über den Kopf und hing seinen Träumen nach.
„Ich dachte, du freust dich auf den Besuch bei Bilbo“, stellte Drogo verwundert fest, doch ein Lächeln zierte sein Gesicht, denn er wusste, dass er seinen Sohn so unter den weichen Daunen hervor locken konnte.
Bilbo! Frodo hatte ganz vergessen, dass sie ihn besuchen wollten. Blitzschnell warf er seine Decke zurück. Seine Müdigkeit schien mit einem Mal verflogen, auch wenn er herzhaft gähnte, als er rasch aus seinem Nachtgewand schlüpfte, sich das Hemd überzog und in seine Hosen stolperte.
„Von mir aus kann es sofort los gehen“, rief er vergnügt, während er sich noch die Hosenträger zurechtzupfte. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, während er seinem Vater in einer flüchtigen Umarmung um den Hals fiel. Drogo kam nicht einmal dazu, die Zärtlichkeit zu erwidern, so schnell hatte Frodo sich wieder daraus gelöst und war aus dem Zimmer geeilt. Verdutzt blickte er seinem Sohn hinterher. Hätte er gewusst, wie rasch der junge Hobbit aus dem Bett zu bekommen war, hätte er schon viel früher daran gedacht, ihn mit kleinen Versprechungen zu locken.

Wie der Wind huschte Frodo durch die spärlich beleuchteten Gänge in den mittleren Teil der großen Hobbithöhle, in der so früh am Morgen kaum Geschäftigkeit herrschte und trat schließlich durch die Haupteingangstür nach draußen, um die ersten Sonnenstrahlen zu begrüßen. Ein kühler Morgenwind hieß ihn willkommen und verfing sich in seinen ohnehin schon zerzausten Locken. Dem jungen Hobbit lief ein leichter Schauer über den Rücken, doch hielt ihn das nicht davon ab, den schmalen Pfad zur Hauptstraße hinunter zu laufen, wo er bereits von Merry erwartet wurde.
„Na endlich, ich dachte schon, man würde dich überhaupt nicht aus dem Bett bekommen!“ tadelte der jüngere Hobbit, als er von der bereitstehenden Kutsche sprang und seinem Vetter entgegen kam.
„Meinetwegen kann es sofort los gehen“, ließ Frodo ihn wissen.

Er schenkte seinem Vetter nur einen kurzen Blick, trat dann aber an das braun-weiß gescheckte Pony heran, das vor den Wagen gespannt war und sie nach Hobbingen begleiten sollte. Zärtlich strich Frodo ihm über die Nüstern und wisperte leise Worte des Grußes, woraufhin Merry beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte.
„Du begrüßt das Pony, hast aber keine netten Worte für deinen Vetter übrig.“
„Das Pony war heute auch noch nicht frech zu mir, im Gegensatz zu dir“, entgegnete Frodo trocken und schielte verstohlen zu seinem Vetter, der sich in gespieltem Trotz von ihm abwandte nur um kurz darauf leise in sich hineinzukichern.

Primula, die dabei war die letzten Dinge im Wagen zu verstauen, beobachtete das Schauspiel und lächelte kopfschüttelnd ob dem nüchternen Tonfall ihres Sohnes. Die beiden jungen Hobbits liebten es, sich gegenseitig ein wenig aufzuziehen. Dass solche Spielereien auch in Streit ausarten konnten, hatte sie bei ihnen nicht zu befürchten, dazu verband sie eine zu enge Freundschaft. Selbst wenn Frodo und Merry Meinungsverschiedenheiten haben sollte, was durchaus vorkam, hatten sie sich bald darauf wieder versöhnt, unfähig, lange ohne den anderen auszukommen.
Nachdem das letzte Gepäcksstück verstaut war,  richtete Primula ihren Blick zum Himmel. Morgenröte erstrahlte hinter den Bäumen des Alten Waldes weit ihm Osten. Ein leichter, frischer Wind wehte über die Wiesen vor dem Brandyschloss und ließ die Grashalme erzittern. Es versprach ein angenehmer Tag zu werden.



~*~*~



Drogo überprüfte noch einmal das Geschirr des Ponys, als ein Wiehern an sein Ohr drang. Überrascht hob er den Kopf und erblickte einen Ponywagen, der aus Bockenburg auf das Brandyschloss zugerattert kam.
Frodo, der an einem kurzen Besuch im Badezimmer nicht vorüber gekommen war und nun in einen Umhang gewickelt neben seinem Vater stand, hörte das Wiehern ebenfalls und blickte neugierig auf den daher fahrenden Ponywagen. Er fragte sich, wer zu solch früher Stunde schon unterwegs sein konnte, als er plötzlich eine wohlbekannte Stimme vernahm und dem Wagen jubelnd entgegen sprang.

Peregrin Tuk, von allen nur Pippin genannt, saß auf dem Kutschbock und winkte seinem Vetter aufgeregt zu. Frodo hatte den fast fünf Jahre jüngeren Hobbit schon lange nicht mehr gesehen und nicht damit gerechnet, ihn ausgerechnet heute zu treffen. Pippin lebte in den Großen Smials, der Unterkunft der Tuks im Westviertel des Auenlandes, und kam nur alle paar Monate auf einen kurzen Besuch nach Bockland. Sein Vater war der Thain des Auenlandes und hatte deshalb ständig etwas zu tun, was auch der Grund dafür war, weshalb Pippin meist nur mit seiner Mutter und einer seiner drei älteren Schwestern zu Besuch kam. Umso größer war die Überraschung, dass sowohl der Thain Paladin, als auch dessen Gattin Heiderose neben seinem Vetter saßen.
Kaum hatte Frodo den Wagen erreicht, sprang Pippin vom Kutschbock, um seinen Vetter, sehr zum Verdruss seiner Mutter, übermütig zu begrüßen.

Paladin brachte sein Pony zum Stehen und sprang ebenfalls vom Wagen. Voller Freude trat Drogo an ihn heran, begrüßte ihn freundlich. „Was führt euch zu solch früher Stunde her?“
„Wir wollten so viel vom Tag nutzen, wie wir konnten und sind deshalb in der Nacht gereist“, erklärte Paladin, während er Heidrose vom Kutschbock half.
Freudig trat er schließlich an Drogo heran und umarmte seinen Freund brüderlich, um ihn gebührend zu begrüßen.
„Verreist ihr?“, fragte er dann mit einem Blick auf den bereitstehenden Ponywagen, während Drogo auch Heiderose willkommen hieß. „Das wäre schade, denn wir hatten einen etwas längeren, wenn auch unangekündigten Besuch geplant. Pippin wollte seine Vettern wieder sehen und ich wollte sicher gehen, dass Saradoc sich ausreichend um meine Schwester kümmert“, er zwinkerte, was Drogo zum Lachen brachte.
Paladin mochte seine Schwester vielleicht gerne wieder sehen, doch er wusste genauso gut, wie Drogo selbst, dass Esmeralda in guten Händen war. Als Gattin des Herrn von Bockland mochte sie zwar beizeiten sehr beschäftigt sein, doch mangelte es ihr an nichts. Ingeheim vermutete Drogo, dass Paladin viel mehr darauf erpicht war, von Gorbadocs reich gedeckter Tafel zu kosten, denn auch wenn Saradoc inzwischen Herr von Bockland war, war Gorbadocs guter Ruf noch immer weit verbreitet.
Dennoch konnte Drogo sich nicht wirklich über die unbeschwerten Worte freuen und blickte betrübt zu Pippin, der bereits in ein Gespräch mit Frodo vertieft schien. Er seufzte leise.
„Pippin wird sehr enttäuscht sein, denn wir wollten gerade aufbrechen. Wir werden für eine Woche nach Hobbingen gehen. Bilbo hat uns zu sich eingeladen.“

„Bilbo?“, fragte Pippin, der die letzten Worte mitgehört hatte, entsetzt. „Und ihr geht jetzt?“ Seine Stimme zitterte, während er versuchte, die Tränen, die in ihm aufstiegen, zu unterdrücken. Verzweifelt blickte er von Frodo zu dessen Vater, dann zu seinen eigenen Eltern und wieder zurück zu Frodo. Seit über zwei Wochen hatte er nun schon gebettelt, wieder einmal nach Bockland fahren zu können, doch immer hatte es geheißen, er solle Geduld haben und auf wärmeres Wetter warten. Nun war das Wetter wärmer. Er war auch endlich in Bockland, und dass ganz ohne seine Schwestern, die lieber in den Smials bleiben wollten, doch Frodo sollte nicht da sein.

Mitfühlend legte Frodo dem jungen Hobbit eine Hand auf die Schulter und sah traurig zu seinem Vater auf. Er hatte nicht erwartet, dass ein Besuch bei Bilbo auch Nachteile mit sich bringen konnte. Gerne wollte er bei Pippin bleiben, doch er freute sich auch sehr darauf, nach Hobbingen zu reisen. Hin und her gerissen konnte er sich nicht entscheiden, welche Möglichkeit die bessere war. Plötzlich hörte er, wie Merry vergnügt aufschrie, hob überrascht den Kopf und erblickte seinen Vetter, der zwischen Esmeralda und seiner Mutter den schmalen Pfad herunter kam. Einen Augenblick später war der junge Brandybock Pippin auch schon um den Hals gefallen und sprang vergnügt von einem Bein auf das andere, was Frodo ein amüsiertes Lächeln entlockte.

„Wir könnten ihn mitnehmen“, meinte Primula, nachdem sie die Tuks begrüßt und den Grund für ihre betrübten Gesichter erfahren hatte. „Bilbo hat bestimmt noch ein weiteres Zimmer frei und zur Not können wir ihn bei Frodo oder Merry einquartieren.“
Primula lächelte Pippin, dessen Augen sich augenblicklich aufhellten, zu. Sie wusste genau, dass er die Ohren gespitzt hatte, auch wenn er sich das nicht hatte anmerken lassen. Pippin war ein gewitzter Junge, immer für einen Streich bereit und konnte beizeiten recht anstrengend sein. Doch er war auch liebenswert und Primula hatte Mitleid mit ihm. Sie wusste, wie sehr Frodo und Merry an ihm hingen und zweifelte nicht daran, dass Pippin zu Tode betrübt wäre, ließen sie ihn zurück.
„Ich kann mitkommen? Und Merry auch?“
Pippin blickte verwundert von einem zum anderen, richtete seinen Blick dann bittend auf seinen Vater, die grünen Augen groß und voll stillem Verlangen, sodass es unmöglich war, ihm eine Bitte abzuschlagen. Paladin ließ sich davon jedoch nicht beirren, sah wiederum fragend zu Drogo, denn hierbei hatte nicht er zu entscheiden.
Frodo sah darin die große Möglichkeit, seiner Zwangslage zu entgehen. Mit einem Ausdruck, der Drogo das Blaue vom Himmel versprach, sollte er ihm diesen Wunsch gewähren, blickte er zu seinem Vater auf. Drogo musste ganz einfach zustimmen, dafür würde er in den kommenden Tagen auch sehr folgsam sein.

Drogo lachte ob dem Anblick, der sich ihm bot und wuschelte sowohl seinem Sohn, als auch Pippin durch die Haare. „Von mir aus kann er gerne mitkommen. Ob wir nun mit zwei oder drei Hobbitjungen reisen, macht wohl kaum einen Unterschied.“
Pippins Augen strahlten. Er sprang erst seinem Vater um den Hals, dann Drogo und Primula und zu guter Letzt schenkte er auch seiner Mutter eine feste Umarmung.
Merry grinste von einem Ohr zum anderen und auch Frodo wurde mit jedem Augenblick glücklicher. Er sollte nicht nur Bilbo wieder sehen, sondern auch in der Begleitung seiner beiden liebsten Vettern nach Hobbingen reisen. Besser konnte dieser Tag nicht mehr werden.

„Also gut, dann kann es ja los gehen!“ rief Drogo schließlich, als Merrys Vater Saradoc mit einem letzten Rucksack an die Kutsche trat und ihn unter den anderen Gepäckstücken verstaute. „Steigt auf den Wagen!“
Pippin und Merry verabschiedeten sich von ihren Eltern und kletterten auf die Kutsche während Paladin noch einen Rucksack mit Pippins Sachen darin verstaute. Frodo machte es sich zwischen seinen Eltern auf dem Kutschbock gemütlich und drängte zum Aufbruch, als Esmeralda an Primulas Seite kam und ihr einen Korb hinauf reichte. Frodo konnte hören, wie sie seiner Mutter etwas zuflüsterte, verstand ihre Worte jedoch nicht.

Dann konnte es endlich losgehen. Mit einem Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung. Die frühmorgendliche Kälte war verflogen und auch die Morgenröte war bereits in strahlenden Sonnenschein übergegangen, als der Wagen schließlich gemächlich nach Osten, in Richtung Bockenburg ratterte.
Frodo hätte zufriedener nicht sein können. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und wärmte seine Wangen. Eine Weile kuschelte er sich an seine Mutter, drehte sich dann aber zu den anderen beiden jungen Hobbits, die hinter ihm saßen und löcherte Pippin mit Fragen. Er wollte alles erfahren, was zurzeit in Tukland vor sich ging und Pippin wusste vieles zu berichten. Der junge Tuk hatte seine Augen und Ohren überall, wo sie nicht hingehörten, stellte viele Gerüchte richtig und setzte neue in die Welt. Vor allem über seine drei Schwestern und deren vorhandene, und nicht vorhandene Heiratspläne, wusste er einiges zu erzählen, was sehr zur Erheiterung von Merry und Frodo beitrug.
Drogo und Primula konnten dieser Art der Neugier jedoch wenig abgewinnen und mahnten Pippin bald still zu sein.
„Du steckst deine Nase viel zu tief in Dinge, die dich nichts angehen, Peregrin Tuk“, rügte Drogo streng, woraufhin Pippin eine Unschuldsmiene aufsetzte und beschämt den Blick senkte. Frodo und Merry tauschten einen kurzen Blick und brachen in schallendes Gelächter aus. Nur Pippin beherrschte diesen betretenen Gesichtsausdruck so perfekt und das allein war Grund genug, Pippin noch mehr Gerüchte und kleinere Geheimnisse aus den Großen Smials zu entlocken.

Inzwischen hatten sie die Brandyweinbrücke überquert und Frodo hatte seinen Blick wieder nach vorne gerichtet. Sie folgten nun der Großen Oststraße nach Westen. Inzwischen herrschte reges Treiben auf den Straßen und Feldern, die sich zu beiden Seiten der Straße erstreckten. Der Frühling hatte Einzug genommen ins Auenland. Es duftete nach Blumen und die ersten Frühlingsboten sprossen in allen Farben aus dem Boden. Junge Hobbits jeden Alters brachten gemeinsam eine Herde Schafe auf die Weide, Bauern pflügten mit Ochsenkarren ihre Felder, Frauen hingen ihre Wäsche zum Trocknen auf, während sie auf ihre jüngsten Kinder Acht gaben. Ein junger Hobbit erschreckte ein etwa fünfjähriges Mädchen, indem er ihm einen Frosch unter die Nase hielt. Frodo kicherte leise und erinnerte sich daran, wie auch er die Mädchen im Brandyschloss des Öfteren mit Fröschen, Käfern und anderen Kriechtieren zum Kreischen brachte.
Sein Blick wanderte schließlich zum Pony, das gemächlich dahintrabte. Verträumt verfolgte er die gleichmäßigen Schritte des Tieres, ehe er seinen Blick auf die Zügel richtete, die locker in der Hand seines Vaters lagen. Schweigend ließ er seine Augen auf den abgenutzten Lederstriemen ruhen, fragte schließlich, ob auch er sie halten dürfte.
Sein Vater sah ihn überrascht an. „Wenn du denkst, dass du das kannst.“
„Natürlich“, versicherte Frodo überzeugt.
Drogo lachte, legte seinem Sohn die Zügel in die Hand, jedoch ohne sie los zu lassen und zeigte ihm, wie man sie richtig hielt. Frodo begriff schnell, bestand schließlich kein großer Unterschied zum Halten von Reitzügeln und Drogo blickte voller Stolz zu seiner Gattin. Frodo strahlte über das ganze Gesicht. Es dauerte nicht lange, bis er ein Gefühl für die ungewohnt langen und schweren Zügel bekam und kaum war er sicher, wandte er sich zu seinem Vettern um und verkündete stolz, dass er das Pony jetzt lenkte.

Sie hatten gerade Weißfurchen hinter sich gelassen, als sie sich zu einer kurzen Rast entschlossen. Die Kinder klagten über Hunger und Primula entschied, dass es Zeit für den Elf-Uhr-Imbiss war. Der Boden war noch feucht und so packte Primula eine Decke aus und breitete sie unter einer in voller Blüte stehenden Kastanie aus. Die Sonne schien ihr warm ins Gesicht, während sie den Inhalt des von Esmeralda erhaltenen Korbes untersuchte und allerlei Leckereien, wie Kekse, Nusskuchen und belegte Brote zu Tage zauberte. Drogo war unterdessen von den Kindern in Anspruch genommen worden, die ihm stolz ihr Wissen über die ersten Blumen des Frühlings kund taten oder sich von ihm belehren ließen. Als Primula sie aber zum Essen rief, waren die Blumen schnell vergessen und alle vier Hobbits saßen binnen weniger Momente unter der Kastanie und langten kräftig zu.

Als sich der Wagen nach einem kurzen Mahl wieder in Bewegung setzte, hatte Frodo bei seinen Vettern Platz genommen. Während Primula und Drogo ihre Habseligkeiten wieder zusammengepackt hatten, hatten die jungen Hobbits die Zeit genutzt und einige Steine vom Wegrand aufgesammelt. Diese wurden nun genauestens verglichen. Jeder Splitter wurde untersucht, auf dass am Ende der schönste Stein erwählt werden konnte. Der Finder desselben, Pippin, wurde mit viel Anerkennung belohnt.

Bald hatte die Sonne ihren höchsten Stand erreicht und Pippin war der Erste, der nach einem Mittagessen fragte. Auch die anderen Jungen klagten über knurrende Mägen, was Drogo sehr verwunderte, hatten die jungen Hobbits doch nichts anderes zu tun, als im Wagen zu sitzen. Primula hatte jedoch mit dem enormen Appetit der Kinder gerechnet und eine Mittagspause im Schwimmenden Balken in Froschmoorstetten eingeplant.
Sehr zur Freude von Frodo, Merry und Pippin lenkte Drogo ihr Pony nur kurze Zeit später nach Süden und folgte einem Weg, der von der Großen Ostraße abzweigte. Ein hölzernes Schild kündigte das Gasthaus bereits an und nur wenige Augenblick darauf, lag auch schon der Duft von gebratenem Speck und Eiern in der Luft.

Nur wenige Hobbits waren zur Mittagsstunde im Gasthaus anzutreffen, da die meisten zu Hause mit ihrer Familie speisten. Die wenigen Hobbits, die sich dennoch im Schwimmenden Balken eingefunden hatten, unterhielten sich lautstark. Die Blicke der drei jungen Vettern wanderten immer wieder neugierig zu einer Gruppe von älteren Hobbits deren Kartenspiel immer wieder durch laute Ausrufe oder Gelächter unterbrochen wurde.
Drogo gönnte sich einen großen Krug Bier zu seiner Mittagsmahlzeit, die er mehr oder weniger schweigend zu sich nahm. Erst nach dem Essen suchte er das Gespräch mit Primula, zündete sich eine Pfeife an und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. Merry, Frodo und Pippin hatte er erlaubt, ein wenig nach draußen zu gehen, doch hatte er sie mehrere Male ermahnt, vorsichtig zu sein und Frodo die Verantwortung für seine jüngeren Vettern übertragen. Zwar war er sich durchaus bewusst, dass Frodo einer solchen Verantwortung nicht gewachsen war und er selbst oft die dümmeren Ideen hatte als Merry, doch wenn Drogo sah, wie glücklich Frodo ein solches Zeichen des Vertrauens machte, ließ er ihn gerne in dem Glauben, alt genug zu sein, um auf seine jüngeren Vettern aufzupassen. So lange die jungen Hobbits in der Nähe des Schwimmenden Balkens blieben, konnte ohnehin nichts passieren.

Von den neugierigen Blicken, die auf den Reisenden ruhten, bemerkten Primula und Drogo wenig. Auch das Gemurmel, das durch den Raum gegangen war, als sie mit ihren drei Schützlingen eingetroffen waren, hatten sie kaum wahrgenommen. Vielen Bewohnern des Ortes war der Herr Beutlin bekannt und selbst hier, in Froschmoorstetten, gab es einige, denen Bockland und das sonderbare Volk dort nicht geheuer war, doch wagte keiner, dies zu laut kund zu tun, da viele um Primulas Herkunft wussten.



~*~*~



Der Nachmittag verging schnell. Frodo, Merry und Pippin unterhielten sich lautstark über die Neuigkeiten, die sie in Froschmoorstetten hatten in Erfahrung bringen könne, während sie mit einigen ansässigen Kindern gespielt hatten, doch mit der Zeit wurden sie immer ungeduldiger. Gelangweilt saßen sie zwischen den Gepäcksstücken und fragten immer öfter, wann sie denn endlich ihr Ziel erreichen würden. Um die aufkommende schlechte Stimmung zu vertreiben, kletterte Primula schließlich nach hinten und versuchte, die Kinder mit Ratespielen bei Laune zu halten, was ihr auch gelang. Die Vettern waren von ihrer Idee sehr angetan und Primulas Beisein war bald nicht mehr vonnöten und sie konnte wieder zu Drogo nach vorne steigen, während die Kinder zufrieden spielten.

Die Sonne stand schon tief im Westen. Nur mehr wenige der goldenen Strahlen schimmerten noch hinter den westlichen Hügeln des Auenlandes, als Drogo die Große Ostraße schließlich verließ und die Kutsche in die Wasserauerstraße lenkte. Da es abends noch recht frisch war, hatte Primula die Kinder angewiesen, ihre Umhänge anzuziehen. So saßen die drei Jungen warm eingewickelt hinten im Wagen und versuchten mühevoll, ihre müden Augen offen zu halten.

Als Drogo in den Feldweg einbog, war es bereits dunkel. Er hielt auf den Hof der Hüttingers zu, wo er sein Pony unterzustellen gedachte. Drogo hatte Bilbo zuvor gefragt, ob es einen Platz gab, wo er sein Pony für die Zeit ihres Besuches unterstellen konnte und dieser hatte ihm versichert, dass Tom Hüttinger bestimmt noch eine freie Box in seinem Stall hatte und so war es auch gewesen.

Tom Hüttinger war ein guter Freund von Bilbos Gärtner Hamfast. Er war ein herzensguter Hobbit und immer bereit, andere zu unterstützen, wo er nur konnte. Auf Bilbos Bitte hin hatte der Bauer gerne eine seiner freien Ponyboxen zur Verfügung gestellt, denn dem Herrn von Beutelsend wollte er eine solch bescheidene Bitte nicht abschlagen. Außerdem konnte er das Geld gut gebrauchen, um seine Frau Lily und seine fünf Kinder zu ernähren, auch wenn er Drogos Pony bestimmt auch ohne Gegenleistung bei sich aufgenommen hätte.

„Guten Abend, Herr Beutlin! Guten Abend, Frau Primula!“
Tom Hüttinger trat gerade aus der Eingangstür seines Hauses und eilte die wenigen Stufen in den Hof hinab. Er hatte eine Laterne in der Hand und obschon er einige Jahre jünger war, als Drogo, zierten bereits erste graue Strähnen seinen dunklen Krauskropf. „Hattet ihr eine gute Reise?“
„Guten Abend!“ grüßte Drogo den Bauern und brachte das Pony zum Stehen.
Tom war sofort an Primulas Seite und half ihr, vom Wagen zu steigen. Ein breites Lachen zierte sein pausbäckiges Gesicht und das Licht der Laterne ließ dunkle Schatten über seine Wangen huschen.
Primula begrüßte den Bauern freundlich und bedankte sich dafür, dass sie ihr Pony bei ihm unterstellen durften.
„Das geht schon in Ordnung. Der gute Herr Bilbo hat mir schon vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass ihr kommen wolltet und in meinem Stall ist noch genug Platz für ein weiteres Tier“, teilte dieser mit, ehe er sich verwundert umsah. „Wie geht es dem jungen Herrn Frodo?“
Mit einem Lächeln nickte Primula zum hinteren Teil des Wagens. Der Bauer folgte ihrem Blick und begann ebenfalls zu lachen. Die drei jungen Hobbits lagen eng aneinandergekuschelt zwischen den Gepäcksstücken und schliefen tief und fest. Ihre zufriedenen Gesichter wirkten ein wenig erschöpft. Die lange Reise hatte offensichtlich ihren Tribut gekostet.
Drogo machte sich daran, dass Pony abzuspannen, doch der Bauer hielt ihn von der Arbeit ab und bot ihm an, sich sofort auf den Weg zu machen, in Anbetracht dessen, dass die Kleinen bereits so müde waren.
„Ich werde mich um das Tier kümmern und für den Wagen finde ich auch noch einen Platz“, versicherte er, woraufhin Drogo ihn dankbar gewähren ließ und stattdessen die ersten Rucksäcke auslud.
Primula weckte unterdessen die Kleinen.
„Aufwachen! Wir sind da!“ flüsterte sie ihnen ins Ohr.
Die Kinder blinzelten verschlafen. Pippin gähnte herzhaft, während Merry sich verschlafen die Augen rieb und Frodo nicht einmal Anstalten machte, aufwachen zu wollen.
„Kommt, es ist nicht mehr weit!“ versicherte sie ihnen, als sich schließlich auch Frodo aufsetzte, sich den Schlaf aus den Augen rieb und ein wenig verwirrt von einer Seite zur anderen blickte. Primula half ihnen aus dem Wagen  und reichte jedem der jungen Hobbits einen Rucksack, während Drogo sich den Großteil des restlichen Gepäcks auflud, sodass sie nur mehr einen übrigen Rucksack und Esmeraldas Korb zu tragen hatte.

Dankbar verabschiedeten sie sich schließlich von Tom, um den restlichen Weg nach Beutelsend zu Fuß zurückzulegen. Bald hatten sie die Lichter des Hofs hinter sich gelassen und waren zurück auf der Wasserauerstraße, der sie nach Hobbingen folgten.
Frodo war vollkommen erschöpft und hielt sich an der Hand seiner Mutter, um nicht zurück zu bleiben, während Drogo Merry und Pippin je eine Hand reichte, denn auch sie waren müde von der langen Fahrt. Das letzte Stück ihrer Reise schien ihnen jedoch das längste, denn auch Drogo und Primula sehnten sich nun nach einem gemütlichen Bett und als die Lichter Hobbingens zu beiden Seiten die Straße beleuchteten, nahmen sie diese kaum wahr, sondern liefen zielstrebig zum Bühl, in dessen Bauch Beutelsend gegraben worden war. Frodo, Merry und Pippin stolperten die Straße entlang, konnten kaum mehr ihre Augen offen halten und waren sogar zu müde, um sich darüber zu beklagen.

Endlich erreichten sie den Bühl. Eiligst folgten sie dem Pfad, der sich an dessen Seiten entlang nach oben wand und taten die letzten Schritte zu Bilbos Höhle. Schon von weitem sahen sie Beutelsend und das einladende Licht, das durch die kleinen, runden Fenster nach draußen drang, weckte selbst in den Kindern die letzten Energiereserven und ließ sie eiligst dem warmen Lichtschein entgegen laufen.
Primula hatte gerade die Gartentür aufgeschoben, als sich auch die große, runde Eingangstür der Höhle öffnete, und ein kräftig gebauter Hobbit in teuren, dunklen Samthosen und einer edlen Weste heraus trat. Sein ergrautes Haar schimmerte im schwachen Licht. Ein Lächeln zierte das fröhliche, runde Gesicht und gütige Augen strahlten vor Freude. „Da seid ihr ja endlich!“
Frodos Augen funkelten, als er den Alten sah und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.
„Bilbo!“ jubelte er und sprang seinem Onkel in die Arme, glücklich, nach so langer Zeit wieder bei ihm zu sein. Bilbo ging in die Knie um Frodo aufzufangen und drückte ihn fest an sich.
„Mein lieber Junge! Wie schön, dich wieder zu sehen!“

 





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